Kodex-Kommission will „eine der lauten Stimmen sein“
„Wir müssen eine der lauten Stimmen sein“
Kodex-Kommission will deutsche Corporate Governance wettbewerbsfähig halten – Intensiv mit Stakeholdern im Dialog
Es geht ihr weniger um neue Regeln für gute Unternehmensführung als um einen aktiven Dialog mit den relevanten Stakeholdern: Clara C. Streit, seit gut einem Jahr Vorsitzende der Kodex-Kommission, hält Corporate Governance für einen zentralen Standortfaktor im internationalen Wettbewerb.
swa Frankfurt
Die seit gut einem Jahr unter neuer Leitung stehende Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex will nicht nur am Regelwerk feilen, sondern sich im Dialog mit Stakeholdern Gehör verschaffen. Die Kommission habe sich das Ziel gesetzt, überall dort, wo es notwendig und sinnvoll ist, unternehmerische Verantwortung zu stärken und den Bürokratieabbau zu unterstützen, erklärte die Kommissionsvorsitzende Clara C. Streit auf einer Corporate-Governance-Konferenz in Frankfurt.
Wunsch nach Transparenz
„Die Kommission ist mehr als der Kodex“, sagte Streit auf der von der Unternehmensberatung HKP Group veranstalteten Konferenz. Das Gremium habe den Anspruch, viele Stakeholder-Interessen zu diskutieren – auch kontrovers –, und sei durch die pluralistische Besetzung dazu in der Lage. „Wir wollen unsere Stimme erheben“, formulierte Streit das Selbstverständnis. „Wir dürfen die Deutungshoheit, was gute Unternehmensführung ist, nicht Laien, dem Gesetzgeber, anderen Regulatoren, Investoren oder Investorenberatern überlassen, da müssen wir auch eine der lauten Stimmen sein.“
Im Kreis der Stakeholder bestehe zudem der Wunsch nach mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Positionen der Kodex-Kommission. Das stößt bei Streit auf Verständnis: „Berechenbarkeit und Vertrauen in die Arbeit der Kommission ist wichtig.“ Die Kommission äußere sich deshalb sowohl zu Kodex-Themen als auch zu anderen Aspekten in ständigem Interessenausgleich und ständigem Dialog mit allen Stakeholdern. „Darauf verwende ich den Großteil meiner Zeit in der Position“, betonte Streit.
Mit Stimmrechtsberatern im Gespräch
Auch den Dialog mit Stimmrechtsberatern will Streit intensivieren, zumal deren Rolle im Kapitalmarkt immer bedeutsamer werde. Sie wolle „für das gemeinsame Verständnis mit diesen Akteuren“ mehr Zeit investieren.
Die Kodex-Kommission setze sich auch dafür ein, die Aufsichtsratsarbeit in Deutschland weiter zu verbessern und zu professionalisieren. Mit Best-Practice-Beispielen wolle das Gremium den Unternehmen Impulse geben. Es gehe hier nicht primär um eine Erweiterung des Kodex, es gehe um Handreichungen, die sich praktisch und ohne zusätzlichen Aufwand umsetzen lassen. Dabei sollen persönliche Erfahrungen sowie Erkenntnisse aus der Wissenschaft und aus dem Ausland einfließen. Eine erste Handreichung hatte die Kodex-Kommission im März für einen effizienten Ablauf der Hauptversammlung an die Unternehmen gerichtet.
Im Wettbewerb
Mit Blick auf die seit geraumer Zeit laufende Debatte über die wirtschaftlichen Rahmenbedingen hebt Streit hervor, dass Corporate Governance ein wichtiger Standortfaktor bleibe. Der Standort sei nicht in der besten Verfassung, umso wichtiger sei diese Arbeit. „Wir müssen sicherstellen, dass Corporate Governance in Deutschland im internationalen Wettbewerb bestehen kann.“ Für die meisten Stakeholder seien andere deutsche Unternehmen nicht der relevante Maßstab, gibt sie zu bedenken. „Nur eine international wettbewerbsfähige Corporate Governance hat eine Attraktivität für Unternehmen, Investoren und Führungskräfte, die sich heute zunehmend aussuchen können, wo und wie sie agieren oder investieren wollen.“
Chefsache
Streit folgert daraus, dass die relevanten Corporate-Governance-Themen immer Chefsache sein müssen, „sie gehören in die Board-Rooms und nicht primär in die Rechtsabteilung“. Dieser Anspruch könnte sich nach Einschätzung von Streit über die Kodex-Jahre etwas abgeschwächt haben. „Dies gilt es aufzuholen."
Zu einer anspruchsvollen und reifen Governance gehören aus ihrer Sicht auch gut begründete Abweichungen vom Kodex. „Abweichungen dürfen kein Stigma sein“, wirbt sie um Verständnis auf Investorenseite.