Kohle soll Uniper in Gasklemme helfen
ak Köln
– Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach hält es für immer herausfordernder, Gaslieferverträge mit Kunden einzuhalten. Sollte Moskau für einen verlängerten Zeitraum weniger Gas bereitstellen oder die Lieferungen noch weiter drosseln, könnte der Energiekonzern Schwierigkeiten haben, die Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden zu erfüllen. „Wir erfüllen jetzt die Verträge, die wir mit unseren Kunden abgeschlossen haben, doch inwieweit wir das weiterhin tun können, weiß ich nicht“, sagte Konzernchef Klaus-Dieter Maubach im Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg in Essen und fügte hinzu: „Für uns ist es ein historischer Moment: Eine so lange Störung der Gasströme aus Russland haben wir in diesem Ausmaß noch nie erlebt.“
Der größte deutsche Abnehmer von russischem Gas erhält seit dem 15. Juni eine niedrigere Menge als mit Gazprom vereinbart. Moskau hat die Lieferungen über die Nord-Stream-Pipeline auf rund 40% gedrosselt. Damit sind die meisten Abnehmer darauf angewiesen, zusätzliche Lieferanten zu finden oder Speicherkapazitäten anzuzapfen. Uniper bezieht mehr als die Hälfte des benötigten Erdgases über langfristige Verträge aus Russland. Das Unternehmen ist einer der größten Erdgasimporteure Europas. Es beliefert zahlreiche Industrieunternehmen und kommunale Versorger.
Der Spagat, die Kunden zu beliefern und gleichzeitig, wie von der Bundesregierung gewünscht, die Gasspeicher aufzufüllen, sei ein gewaltiger, sagte ein Uniper-Sprecher. Finanziell ist die Lage angespannt. Wenn der Konzern das fehlende Gas aus Russland derzeit durch Einkäufe am Gasmarkt ersetze, müsse Uniper gleich ein Mehrfaches der eigentlich kalkulierten Kosten dafür bezahlen.
Mehr Leistung in Maasvlakte
Entspannung könnte jedoch durch die geplante Verlängerung der Laufzeiten von Kohlekraftwerken bzw. dem Wiederhochfahren von Anlagen winken. In den Niederlanden darf Uniper das Kohlekraftwerk Maasvlakte wieder mit voller Leistung fahren. Block 3 mit rund 1100 MW Leistung war bislang gesetzlich aus Klimaschutzgründen auf 35% Leistung gedrosselt. Die Regierung setzte diese Regelung jetzt außer Kraft, wie ein Uniper-Sprecher erläuterte. In Deutschland könnte das Kraftwerk Heyden (875 MW) aus der Sicherheitsreserve wieder angefahren werden. Scholven C sollte eigentlich Ende Oktober, Staudinger 5 im Mai 2023 die Produktion einstellen. Wenn alle drei Kraftwerke weiter Strom produzierten, entspräche das einer zusätzlichen Leistung von rund 1,7 Gigawatt. Die US-Bank J.P. Morgan bestätigte deshalb am Dienstag ihre Einstufung der Uniper-Aktie mit „Overweight“ und einem Kursziel von 32 Euro.
Junk-Status nicht mehr weit
Ob zusätzliche Gewinne aus der Kohleverstromung die Verluste im Gasgeschäft kompensieren können, dazu wollte sich Uniper am Dienstag nicht äußern. Am 2. August zieht der Energiekonzern seine Halbjahresbilanz und dürfte dann mit mehr Details dazu aufwarten.
Die Ratingagentur S&P hatte wegen der Gas-Problematik Uniper im Mai auf „BBB“ herabgestuft und den Ausblick auf „negativ“ gestellt. Damit ist es bis zum Junk-Status nicht mehr weit. „Im Moment gibt es kein Liquiditätsproblem“, sagte Maubach. Möglicherweise werde es aber dazu kommen, wenn die gegenwärtige Situation sechs bis acht Monaten anhalte.
Uniper investiert in ein Terminal für den Import von Flüssigerdgas, das laut Maubach im nächsten Frühjahr bereit sein soll. Der von der Bundesregierung angestrebte Schwenk zu neuer Infrastruktur, um im Winter über genug Gas zu haben, könnte sich aus Sicht von Uniper jedoch als problematisch erweisen. „Ich verstehe, dass man so schnell wie möglich in Betrieb nehmen will“, sagte Maubach. „Doch wir müssen auch realistisch sein. Die Menschen können sich nicht darauf verlassen, dass etwas im November oder Dezember zur Verfügung steht, wenn unsere Pläne zeigen, dass dieser Zeitpunkt nicht realistisch ist.“