Krieg erhöht Tempo von Elia beim Netzausbau
cru Frankfurt – Angesichts des Ukraine-Kriegs wollen Deutschland und die EU so schnell wie möglich russisches Gas in der Stromerzeugung durch Energie aus Sonne und Wind ersetzen. Voraussetzung dafür ist ein beschleunigter Ausbau der großen Stromautobahnen, die die Windräder in der Nord- und Ostsee mit den Fabriken im Süden Deutschlands verbinden. „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine erhöht zusätzlich das Tempo, in dem wir unsere Investmentpläne vorantreiben. Wir werden allein in Deutschland bis 2026 rund 5,6 Mrd. Euro in das Stromnetz investieren“, sagte Chris Peeters, der Vorstandschef des Übertragungsnetzbetreibers Elia Group, der Börsen-Zeitung. Das an der Euronext börsennotierte Unternehmen, das knapp zur Hälfte belgischen Kommunen gehört und mit 10,6 Mrd. Euro bewertet wird, ist mit einem 80-%-Anteil auch der Mutterkonzern des bedeutenden ostdeutschen Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz.
Gerade hat die Hauptversammlung von Elia dem Vorstand ein neues genehmigtes Kapital eingeräumt. „Wir wollen davon bis Juli 2023 Gebrauch machen und könnten eine Kapitalerhöhung in der Größenordnung von 600 Mill. Euro durchziehen“, sagte Peeters. „Ein großer Teil dieses frischen Eigenkapitals wird für unsere Vorhaben bei 50 Hertz in Deutschland eingesetzt.“
Eigentümerkreis bleibt stabil
Die Aktionärsstrukturen von Elia und 50 Hertz werden sich dadurch voraussichtlich – wenn überhaupt – nur geringfügig verändern. Denn Peeters erwartet, dass die belgischen Kommunen ihr Bezugsrecht nahezu alle und vollständig wahrnehmen werden. Da Elia mit den neuen Aktien frisches Eigenkapital beschafft, ist das bei 50 Hertz nicht nötig und die KfW, die 2018 mit 20% eingestiegen war, um eine Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns SGCC (State Grid of China Corporation) zu verhindern, bleibt unverändert mit 20% im Wert von 1 Mrd. Euro beteiligt.
Trotz der Besorgnis über die nationale Sicherheit hält Peeters eine Verstaatlichung der Übertragungsnetzbetreiber, wie sie als „Deutsche Netz AG“ immer wieder diskutiert wird, für die absehbare Zukunft für unwahrscheinlich. „Wir fühlen uns aber mit der Kfw als Miteigentümer sehr wohl, weil wir den kurzen Draht zur Bundesregierung brauchen“, sagte der studierte Bauingenieur Peeters, der in seinen 14 Jahren bei McKinsey und danach als Europachef des Erdölexplorateurs Schlumberger viel herumgekommen ist, bevor er 2015 CEO von Elia wurde.
Peeters ist gerade erst vom Nordseegipfel zurückgekehrt – einem Treffen mit den Staatschefs und Energieministern der Niederlande, Deutschlands, Belgiens und Dänemarks im dänischen Esbjerg im Südwesten Jütlands. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Energiekommissarin Kadri Simson und die CEOs des Windparkbetreibers Ørsted und des Stromkonzerns RWE waren vor Ort. Es wurden zwei Erklärungen unterzeichnet, die die Bedeutung der Meereswindparks für die Stärkung der Energiesicherheit in Europa hervorheben.
Großteil für Süd-Ost-Link
In einer der Podiumsdiskussionen hob Peeters die entscheidende Rolle, die die Interkonnektoren zwischen den nationalen Stromnetzen bei der Beschleunigung des Zugangs zur Offshore-Windenergie spielen, hervor und betonte die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union, ihren Mitgliedstaaten, der Industrie und den Übertragungsnetzbetreibern. Über diese grenzüberschreitenden Verbindungen wird der in schwankender Menge zur Verfügung stehende Sonnen- und Windstrom besser verteilt.
Die Elia-Tochter 50 Hertz wird die 5,6 Mrd. Euro an Investitionsmitteln vor allem für den Hochspannungs-Korridor und den Anschluss weiterer Offshore-Windparks ausgeben – als Beitrag zu den Klimazielen. Die wichtigsten Projekte sind die Stromtrasse Süd-Ost-Link für den Transport von Grünstrom von der Ostsee zu den Verbrauchszentren in Süddeutschland (Gesamtbudget: 1,9 Mrd. Euro) und Süd-Ost-Link+. Das Projekt mit einem Gesamtbudget von 2,9 Mrd. Euro, das ab 2025 ausgegeben wird, verdoppelt die Kapazitäten der bestehenden Süd-Ost-Link-Trasse.
Darüber hinaus geht es vor allem um die Anbindung von neuen Meereswindparks. Da ist zum einen die Verbindung des Windparks Gennaker vor dem Darß mit dem Festland und das Projekt „Ostwind 3“, die Netzverbindung zwischen einem geplanten Offshore-Windpark vor Rügen und dem Festland. Beide Projekte werden mit rund 2 Mrd. Euro veranschlagt. Das bereits weitgehend realisierte Projekt „Ostwind 2“ – ein Unterwasser-Hochspannungskabel in der Ostsee – kostet rund 1,3 Mrd. Euro.