Im Gespräch Nicolas von Rosty, Heidrick & Struggles

„Manager brauchen mehr Zivilcourage“

Nicolas von Rosty, der Deutschlandchef der Personalberatung Heidrick & Struggles, rät Managern, sich öffentlich häufiger und klar zu politischen Themen zu äußern. Um Gegenreaktionen auszuhalten sei Zivilcourage notwendig.

„Manager brauchen mehr Zivilcourage“

Im Gespräch: Nicolas von Rosty

„Manager brauchen mehr Zivilcourage“

Der Deutschlandchef der Personalberatung Heidrick & Struggles rät zu klaren Worten in Sachen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik – aber nicht in jedem Fall

Von Joachim Herr, München

Nicolas von Rosty, der Deutschlandchef der Personalberatung Heidrick & Struggles, empfiehlt Vorständen und besonders Aufsichtsräten, sich öffentlich auch zu politischen Themen zu äußern. Um Gegenreaktionen – vor allem in den sozialen Medien – auszuhalten, ist nach seiner Meinung Zivilcourage notwendig.

Unternehmenslenker in Deutschland äußern sich verstärkt in der Öffentlichkeit über politische Themen. Nicolas von Rosty, der Deutschlandchef der Personalberatung Heidrick & Struggles, stellt einen wachsenden Mut von Managern fest. Er hält das für richtig und wichtig. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erinnert er an die vehemente Kritik von Industrieverbandspräsident Siegfried Russwurm an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung im April dieses Jahres. Zudem erwähnt er Verena Pausder, die Vorsitzende des Startup-Verbandes, die sich klar gegen die AfD positioniert.

In Gesprächen und auf Veranstaltungen gewinne er derzeit den Eindruck, dass vor allem Aufsichtsräte – auch von Dax-Unternehmen – stärker Stellung zu politischen Themen beziehen sollten und wollten, berichtet von Rosty. So könnten Diskussionen um mehr Fakten bereichert werden.

Zwei Umfragen

Das deckt sich mit den Ergebnissen einer Studie des Beratungsunternehmens Boston Consulting, der französischen Wirtschaftshochschule Insead und von Heidrick & Struggles: In einer internationalen Umfrage unter 444 Führungskräften antworteten gut 77%, Vorstände sollten auch gesellschaftliche und politische Belange ansprechen.

Weniger Zustimmung auf eine vergleichbare Frage ergab eine Erhebung des Vereins „Aufsichtsräte Mittelstand in Deutschland“ (Armid): 46% von 112 teilnehmenden Aufsichts- und Beiräten halten es für „wichtig“ oder „sehr wichtig“, Stellung zu politischen Themen zu beziehen. Ihr Argument: Geschäftserfolg sei zunehmend auch von gesellschaftspolitischen Voraussetzungen abhängig. Aufsichtsräte „sehen die mangelnde Fähigkeit der Politik, dem Standort Deutschland notwendige positive Impulse zu geben, um dem Verlust an internationaler Wettbewerbsfähigkeit entschieden entgegenzutreten“, sagt Klaus Jaenecke, der Vorsitzende des Armid.

„Man müsste viel lauter sein“

Heidrick & Struggles-Deutschlandchef von Rosty weist auf den Grundsatz hin: „CEOs sind an erster Stelle dem Wohl des Unternehmens verpflichtet.“ Sie sollten gerade deshalb ihre Stimme erheben, denn die Auswirkungen von Politik aufs Geschäft seien zum Teil eklatant. Der Personalberater unterscheidet zwischen In- und Ausland: „Zu deutschen Themen könnte und müsste man viel lauter sein.“ Von Rosty ist der Ansicht, Unternehmensführer müssten zum Beispiel publik machen, dass wegen der Nachteile hierzulande sowohl große als auch mittelständische Unternehmen viel in neue Produktionsstätten im Ausland investierten: „Das ist eine Abstimmung mit den Füßen gegen den Standort Deutschland.“

Auch Fremdenfeindlichkeit und deren Folgen für die Wirtschaft sollten in der Öffentlichkeit diskutiert werden: „Das muss man ansprechen, von der Wirtschaft muss Druck kommen.“ Wirtschaftslenker sollten jedoch nicht polemisch sein und nicht parteipolitisch argumentieren: „Ohne die Parteien und einzelne Politiker zu nennen, sollten sie aufzeigen, welche Auswirkungen deren Wirtschaftspolitik auf ihr Geschäft, die gesamte Volkswirtschaft, Arbeitsplätze, Steuer- und Sozialsysteme hätte.“

Aus von Rostys Sicht ist die Wirtschaft dazu sogar verpflichtet: „Es wäre schlimm, den Claqueuren das Feld zu überlassen.“ Heftige Gegenreaktionen in den Sozialen Medien müssten ausgehalten werden. „Manager brauchen mehr Zivilcourage.“ Der Personalberater zeigt allerdings Verständnis für die Reserviertheit von Vorständen, die im direkten Geschäft mit Verbrauchern tätig sind: „Sonst kaufen möglicherweise Konsumenten die Produkte nicht mehr.“

„Angst vor einem Boykott“

Anders sieht er es für das Business-to-Business-Feld mit Geschäften von Unternehmen untereinander: „Die Angst vor einem Boykott halte ich hier für überzogen.“ Wenn es um internationale Politik geht, empfiehlt von Rosty, zurückhaltend zu sein: „Dem Ausland müssen wir mit großem Respekt begegnen.“ Es sei besser, nichts zu sagen, als etwa Beschränkungen für den Handel zu provozieren. Das bedeute aber nicht, dass Unternehmen mit Diktatoren Geschäfte machen sollten.

Aus Konflikten zwischen den USA und China sollten sich Manager von global agierenden Unternehmen heraushalten. Mit der politischen Führung in beiden großen Märkten dürfe man es sich nicht verscherzen: „Wer im Interesse der Aktionäre handelt, kann sich das nicht leisten.“

Planung mit Szenarien

Als Rezept gegen die schwindende Planungssicherheit – auch aufgrund der Geopolitik – hält es von Rosty für sinnvoll, verstärkt mit Szenarien zu planen. Sein zweiter Punkt: „Mehr denn je ist Geschwindigkeit maßgebend“, sagt er. „Manager müssen ganz schnell erkennen, wann eine Anpassung der Strategie erfolgen muss.“ Als Beispiel für eine Entwicklung in rasendem Tempo nennt er künstliche Intelligenz: „KI wird ein Wettbewerbsvorteil für viele Unternehmen sein. Allerdings sind manche damit überfordert, die Relevanz von KI zu erkennen – vor allem kleinere Unternehmen.“

„Unsicherheit vor der Haustür“

Um sich auf Änderungen von Rahmenbedingungen einzustellen, komme es zunehmend auf Agilität und Flexibilität der Unternehmen an. „Jeder hält den Atem an, bis sich die USA im Januar politisch neu positionieren werden.“

Aber nicht nur international ist derzeit viel in Bewegung. Mit Blick auf die Neuwahlen zum deutschen Bundestag im Februar merkt der Personalberater an: „Wir haben die Unsicherheit auch direkt vor der Haustür.“

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