Microsoft wegen Teams am Pranger
Von Heidi Rohde, Frankfurt
Die EU-Wettbewerbshüter bereiten den Boden für eine Untersuchung von Microsofts Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit der Videokonferenz-Anwendung Teams, wie Reuters aus informierten Kreisen erfahren hat. Die EU-Kommission habe im vergangenen Monat neue Fragebögen verschickt als Ergänzung zu denen im Oktober vergangenen Jahres. Die Behörde, bei der der damals noch unabhängige Anbieter von Bürokommunikation Slack im Juli 2020 eine formelle Beschwerde gegen die Gates Company eingereicht hatte, schaue sich nun detaillierter an, wie sich die Situation mit der Einbindung von Teams in andere Produkte darstelle.
Microsoft hatte Kollaborationssoftware kurze Zeit vor Beginn der Pandemie entwickelt und war dann ebenso wie andere Anbieter auf eine starke Nachfrage gestoßen. Noch 2020 teilten sich Teams, das von Cisco entwickelte Webex sowie Zoom den Großteil des Marktes zu dritt. Nischenplayer kamen auf unter 10 %. Mit dem Start von Windows 11 begann Microsoft dann mit der kostenlosen Integration von Teams in die global führende Standard-Büro-Software Office, die Cash Cow des Konzerns. Der Versuch, den Marktanteil von Office auf diese Weise zu schützen und die Konkurrenz aus dem Feld zu schlagen, war von Slack mit scharfen Worten kritisiert worden: „Microsoft hat die marktbeherrschende Stellung der Office-Suite auf illegale Weise missbraucht, um sein Produkt Teams einzubinden, die Installation auf Millionen von Geräten erzwungen und das Entfernen der Software erschwert sowie die wahren Kosten für die Unternehmen verschleiert“, hieß es damals im Beschwerdeschreiben an die EU-Kommission.
Tatsächlich haben sich die Marktanteile inzwischen deutlich verschoben. Bereits Ende 2021 war Cisco auf einen globalen Marktanteil von 13,2 % abgerutscht. Teams kam auf 27,5 %, Zoom war noch führend mit 29,9 %. In der Zwischenzeit ist die Zahl der monatlich aktiven Teams-Nutzer auf aktuell über 270 Millionen gestiegen. Das Wachstum beschleunigt sich. Slacks Forderung, Microsoft zu verpflichten, die Kollaborationssoftware zu einem marktüblichen Preis anzubieten, um einen Vergleich mit Konkurrenzprodukten zu ermöglichen. Der Vorstoß blieb zunächst folgenlos, ein Verfahren wurde nicht eingeleitet, obwohl die Form der Produktbündelung an frühere Wettbewerbsverstöße des Softwareriesen erinnert, insbesondere den legendären Browser-Krieg mit Netscape. Microsoft drängte Ende der 90er Jahre das Konkurrenzprodukt mit der kostenlosen Integration des Explorers in Windows zurück. Die Gates Company einigte sich nach langwierigen Kartellverfahren, die keine rechte Durchschlagskraft hatten, oft außergerichtlich mit Wettbewerben. Netscape erhielt 750 Mill. Dollar, verschwand aber dennoch vom Markt. 2003 hatte der Explorer einen Marktanteil von 90 % erreicht, erst ab 2004 kamen allmählich wieder Konkurrenzprodukte auf. Die zwischenzeitlich bestehende Monokultur beim Internetzugang hatte allerdings bereits zu Schwächen bei Produktweiterentwicklung geführt und auch die Verbreitung von Schadsoftware begünstigt.
Die Gewichtsverschiebung im Bereich der Kollaborationssoftware zeigt sich an der Börse insbesondere am Wertverlust des nur noch langsam wachsenden Anbieters Zoom. Die Aktie hat im Jahresverlauf bisher rund 60 % verloren, Microsoft im sehr schwachen Tech-Umfeld rund ein Viertel. Die Marktkapitalisierung von Zoom, die in der Spitze bei über 100 Mrd. Dollar lag, ist auf 23 Mrd. Dollar geschrumpft. Zoom gilt mittlerweile als Übernahmeziel. Slack wurde im Dezember 2020 für rund 28 Mrd. Dollar von Salesforce gekauft.