Milliardendeal in Waggonvermietung
cru Frankfurt – Europas größter privater Waggonvermieter VTG bekommt einen neuen Eigentümer. Die Mehrheit von 72,5% der Anteile an dem Schienenlogistikspezialisten wechselt zu dem großen New Yorker Finanzinvestor Global Infrastructure Partners, der auf Investments in Energie, Verkehr und Wasserversorgung spezialisiert ist. Bei der Transaktion wird das Unternehmen aus Hamburg, das in rund 50 Ländern aktiv ist, mit üppigen 7 Mrd. Euro bewertet – inklusive rund 3 Mrd. Euro Schulden. Das wird aus Finanzkreisen bestätigt.
Haupteigentümer mit 57,5% der Anteile war bisher Morgan Stanley Infrastructure Partners. Weitere 15% kommen von der Herz-Stiftung. Der kanadische Pensionsfonds Omers bleibt mit 27,5% an Bord.
Der Kaufpreis fällt angesichts weltweit steigender Zinsen erstaunlich hoch aus. Der Morgan-Stanley-Infrastrukturfonds hatte rund eine halbe Milliarde Euro Eigenkapital investiert und erhält nun „viermal Geld“, wie es im Fachjargon der Branche heißt. Beim Einstieg, der seit 2016 in drei Schritten erfolgt war, wurde VTG mit dem Neunfachen des operativen Gewinns (Ebitda) bewertet. Jetzt entspricht der Kaufpreis dem 15-fachen Ebitda.
In der Zwischenzeit hat das Private-Equity-Haus das Unternehmen auf das Kerngeschäft mit dem Waggon-Leasing in Europa konzentriert und so den Wert erhöht. Das Geschäft von VTG ist auch vergleichsweise unbeeinträchtigt durch die Pandemie – ebenso wie durch den Ukraine-Krieg – weitergegangen. Das Ebitda sank 2020 nur um 4% auf 492 (512) Mill. Euro.
Die Gesellschafter erhielten 2021 eine im Vorjahresvergleich unveränderte Dividende von 1,10 Euro je Aktie. VTG ist in den Bereichen Waggonvermietung (einschließlich Waggonbau und Reparatur), Schienenlogistik und Tankcontainerlogistik tätig. Zu den Kunden zählen rund 1000 Unternehmen aus der Chemie- und Mineralölindustrie sowie der Automobil-, Papier- und Verbrauchsgüterindustrie.
Großer Private-Equity-Deal
Zugleich handelt es sich bei dem Verkauf von VTG um den bisher größten Private-Equity-Deal in Deutschland im Jahr 2022 und auch sonst um eine der größten M&A-Transaktionen hierzulande. Nach Einschätzung von mit der Transaktion vertrauten Managern suchen Investoren derzeit Sicherheit. Sie trauen VTG zu, höhere Preise am Markt durchsetzen zu können.
Der Käufer Global Infrastructure Partners zählt mit einem 23 Mrd. Dollar schweren Fonds zu den globalen Platzhirschen unter den Infrastrukturinvestoren. Morgan Stanley Infrastructure Partners ist nach dem Verkauf von VTG, der vertraglich bereits am vergangenen Freitag besiegelt wurde, in Deutschland nur noch an dem Windparkprojektierer PNE und der Kabelfernsehfirma Tele Columbus beteiligt.
Im November 2021 hatte Morgan Stanley Infrastructure Partners kurz nach der Bekanntmachung über die Abfindung der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre bei VTG die Investmentbanker von Goldman Sachs und Crédit Agricole damit beauftragt, strategische Optionen zu prüfen, zu denen der jetzt vollzogene Verkauf der Anteile gehörte. Die in Hamburg ansässige Joachim Herz Stiftung, die bisher mit 15% an VTG beteiligt war und unter anderem auch an Beiersdorf Anteile hält, wurde von Lazard beraten.
Nach 45-jähriger Konzernzugehörigkeit zur Preussag bzw. zum Tui-Konzern war VTG im Juni 2007 an die Frankfurter Börse gekommen und 2008 in den SDax aufgenommen worden.
Durch Zukäufe gewachsen
Durch Akquisitionen vor allem im Ausland wuchs die Flotte bis 2018 auf über 90000 Eisenbahngüterwaggons zur größten privaten Waggonflotte in Europa. Morgan Stanley Infrastructure Partners übernahm im Herbst 2016 rund 29% der VTG-Anteile, zwei Jahre später weitere 41,6% und im Zuge des Delisting-Angebots 2019 zusätzlich rund 9,5%. Omers erwarb einen Teil der Morgan-Stanley-Beteiligung.