Handel

Millionen­grab Adler Modemärkte

Die einst insolvente Textileinzelhandelskette Adler Modemärkte macht einen Neuanfang. Der jüngst im Bundesanzeiger veröffentlichte Jahresabschlussbericht 2021 gibt einen Einblick in eine Existenzkrise.

Millionen­grab Adler Modemärkte

Von Stefan Kroneck, München

Der abgewendete Zusammenbruch der bayerischen Textileinzelhandelskette Adler Modemärkte steht als Beispiel dafür, was vielen Unternehmen im Konsumgüterbereich droht, wenn die Bilanzstruktur nicht ausreichend stabil genug ist, um externe Schocks wie etwa den Ukraine-Krieg aus eigener Kraft zu überwinden. Im vergangenen Jahr hatte die einst börsennotierte Firma nach einem Rettungsanker gegriffen, nachdem die Geschäftsleitung aufgrund der Corona-Pandemie bereits erste Sanierungsmaßnahmen eingeleitet hatte. Das seinerzeit in einem Insolvenzverfahren in Eigenregie steckende Unternehmen mit Sitz in Haibach bei Aschaffenburg schlüpfte unter das Dach des Berliner Logistikspezialisten Zeitfracht(BZ vom 22.6.2021).

Infolge der Lockdowns brach dem Modehaus-Verbund mit seinen vielen Filialen im deutschsprachigen Raum der Umsatz und dadurch die Geschäftsgrundlage weg. Nach einer Kapitalspritze des neuen Eigentümers und einer Entschuldung wagte Adler Modemärkte einen Neuanfang. Die dieser Tage im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse 2020 und 2021 und die Insolvenzeröffnungsbilanz des mittlerweile als GmbH (zuvor AG) firmierenden Unternehmens geben einen umfangreichen Einblick in das gesamte Ausmaß des Desasters. Die Konzernerlöse schrumpften 2020 um rund ein Drittel auf 286 Mill. Euro, in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres wies Adler Modemärkte nur noch einen Umsatz von 62 Mill. Euro aus. Im gleichen Zeitraum häufte das Unternehmen einen Fehlbetrag von 287 Mill. Euro an, davon entfiel auf das Jahr 2020 ein Defizit von 115 Mill. Euro. 2021 betrug der Verlust gigantische 172 Mill. Euro – fast das Dreifache des Umsatzes; und das allein im Berichtszeitraum 1. Januar bis 30. Juni (sic!). In der Insolvenzeröffnungsbilanz zum 1. Juli 2021 bezifferte der Vorstand den nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auf über 81 Mill. Euro.

Hohe Finanzschulden

Die Verbindlichkeiten gegenüber Gläubigerbanken beliefen sich seinerzeit auf insgesamt 72 Mill. Euro. Diese Summe machte fast die Hälfte aller Schulden aus. Die Bankschulden beruhten großteils auf einem Konsortialkredit (69 Mill. Euro). Diesen gewährten die Geldhäuser auf Basis einer Bürgschaft der Bundesländer Bayern und Nordrhein-Westfalen. Allerdings konnte dieses Darlehen nach Unternehmensangaben wegen der verschlechterten Wirtschaftslage nicht vollständig gezogen werden (vgl. BZ vom 22.6.2021).

Aufgrund der kompletten Übernahme durch Zeitfracht im Spätsommer 2021 sahen die verbliebenen Vorstände Karsten Odemann und Frank Beeck die Voraussetzung dafür gegeben, den Geschäftsbetrieb fortzuführen. Im Zuge des Insolvenzverfahrens schloss Adler Modemärkte 35 unrentable Filialen. Für die verbliebenen Verkaufsstandorte vereinbarte das Management mit den Vermietern Mietkürzungen. Mit Lieferanten handelte die Geschäftsleitung neue Konditionen aus.

Neustart im September 2021

Den Unternehmensangaben zufolge wurde das Insolvenzverfahren infolge des Rettungspakets Ende August vergangenen Jahres nach zwei Monaten aufgehoben. „Adler wird durch die im Insolvenzplan vorgesehenen Maßnahmen von ihren Finanzverbindlichkeiten befreit und ist damit im Wesentlichen entschuldet. Aufgrund des zugeführten Kapitals durch den neuen Aktionär und die Ergebnisplanungen wird von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit ausgegangen“, berichtete der Vorstand in der Insolvenzeröffnungsbilanz. Gemessen an der Bürgschaft der öffentlichen Hand für das Bankendarlehen entschuldete sich Adler Modemärkte faktisch teils auf Kosten der Steuerzahler. Im „Gegenzug“ wurden rund 2000 Arbeitsplätze gesichert, allerdings fielen im Zuge der Sanierung rund 500 Stellen weg. Der Modefilialist zahlte die gewährten 10 Mill. Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds des Bundes mittlerweile zurück, berichtete die „Textilwirtschaft“.

Die Offerte von Zeitfracht hatte insgesamt 172 Filialen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg umfasst. „Das Angebot ist die Chance für einen erfolgreichen Neuanfang “, ließ sich der seinerzeit agierende Vorstandschef Thomas Freude zitieren. Für die Aktionäre bedeutete der Neubeginn einen Totalverlust. Sie gingen gemäß dem Insolvenzplan leer aus. Gut acht Monate vor der Übernahme hatte Adler Modemärkte beim zuständigen Amtsgericht Aschaffenburg einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Das Unternehmen begründet dies mit einer Überschuldung wegen des drastischen Umsatzrückgangs infolge der Lockdowns.

Die 1948 gegründete Firma hat bereits eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die Textilbranche befindet sich in einer strukturellen Umbruchphase. Es herrscht ein Verdrängungswettbewerb. Der Internethandel macht dem stationären Geschäft zunehmend Konkurrenz. Das nagt an der Marge. Vor Ausbruch der Pandemie hielten knapp 53% des Adler-Grundkapitals eine gemeinsame Beteiligungsholding der 2016 pleitegegangenen Steilmann-Gruppe und des Finanzinvestors Equinox.

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