Mit Schwung in den Vorstand
wf Berlin –
Mit nunmehr rund 15% Frauen im Vorstand der deutschen Top-200-Unternehmen und 17,5% bei Dax-40-Firmen hat ihr Anteil so stark wie nie seit 2006 zugenommen. „Vorständinnen sind in vielen großen Unternehmen zwar noch immer deutlich unterrepräsentiert, aber die jüngste Entwicklung ist sehr bemerkenswert“, sagte Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin, bei der Veröffentlichung des Managerinnen-Barometers 2022 vor der Presse. Im Vorjahr lagen die Vergleichszahlen bei 11,5% und 14,6%. Betrachtet man nur die Dax-30-Unternehmen, die im Index geführt wurden, bevor deren Zahl im September 2021 auf 40 ausgeweitet wurde, lag deren Anteil im Herbst vergangenen Jahres sogar mit 18,8% höher. Der Finanzsektor, der zu Beginn der Studie vergleichsweise viele Spitzenfrauen beschäftigte, hinkt nun hinterher: In den Vorständen der Top-100-Banken und der Top-60-Versicherungsfirmen waren jeweils 13,2% Frauen vertreten – bei den Banken ein Plus von 2,7 Prozentpunkten gegenüber Vorjahr, bei der Assekuranz um 1,4 Punkte.
In den Aufsichtsräten gab es Wrohlich zufolge deutlich geringere Zuwächse, allerdings auf einem höheren Niveau von fast einem Drittel Frauen. Bei den Top-200-Firmen lag der Anteil bei 30,4% (+ 0,5 Punkte) und bei den Dax-Unternehmen bei 33,2% (+0,8). Das DIW wertet seit 2006 Daten über Frauen in Führungspositionen aus. Die neue Studie hat den Stand bis November/Dezember 2021 bei mehr als 500 Unternehmen in Deutschland untersucht.
Den Zuwachs von Frauen in den Vorständen führt Wrohlich auf das Zweite Führungspositionengesetz (FüPoG II) zurück, das die Unternehmen bereits antizipieren. Danach müssen Vorstände in – börsennotierten und paritätisch mitbestimmten – Unternehmen mit mehr als drei Mitgliedern mindestens mit einer Frau und oder einem Mann besetzt werden. Das Gesetz trat zwar bereits im August 2021 in Kraft; der Stichtag für das Mindestbeteiligungsgebot ist aber erst der 1.8.2022.
Aus Sich der Wissenschaftlerinnen am DIW wirkt die Quote (siehe Grafik). Der Anteil von Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat liege dort höher, wo das Gesetz dazu verpflichtet. Von der Vorstandsregelung sind wegen der engen Abgrenzung des Kreises nur 66 Unternehmen betroffen. Zwölf davon, die im Herbst 2020 noch ohne Frau im Vorstand waren, hatten dieses ein Jahr später geändert. Nur noch die Vorstände von 19 Unternehmen dieser Gruppe waren reine Männerdomänen.
Im europäischen Vergleich hat die deutsche Frauenquote im Urteil der DIW-Wissenschaftlerinnen eine „schmale Reichweite“. Hierzulande ist aber der Kreis der betroffenen Firmen besonders klein. Neun von 27 EU-Staaten haben Frauenquoten. Teilweise liegen die Zielmarken höher wie in Frankreich, Italien oder Spanien mit 40% für exekutive und nichtexekutive Führungsmitglieder. Mit Blick auf die EU liegt Deutschland beim Aufsichtsrat über dem Mittelwert von 33,% und beim Vorstand unter dem Wert von 20,2%.