Europäischer Vergleich

Nachhaltigkeitsberichte deutscher Unternehmen ufern aus

Bei der Berichterstattung über Nachhaltigkeit gehen deutsche Unternehmen gern ins Detail: Ihre CSRD-Berichte sind deutlich länger als die europäischer Wettbewerber. Zu besseren Erkenntnissen führt das nicht unbedingt – wohl aber zu höheren Kosten.

Nachhaltigkeitsberichte deutscher Unternehmen ufern aus

CSRD-Berichte ufern aus

Reports deutscher Unternehmen deutlich länger als die europäischer Wettbewerber

sar Frankfurt
Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Deutsche Konzerne sind bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung besonders ausführlich. Das zeigt eine Analyse von 106 Nachhaltigkeitsberichten von Konzernen aus 18 Ländern durch die Unternehmensberatung Kirchhoff Consult. Die Berichte folgen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den damit verbundenen European Sustainability Reporting Standards (ESRS).

Die 26 Reports von Dax-Konzernen umfassten im Mittel 148 Seiten. Die Unternehmen aus den übrigen 17 Ländern kamen dagegen im Schnitt mit 116 Seiten Textumfang aus. Um Verzerrungen durch die Sprache auszugleichen, wurden jeweils die englischsprachigen Veröffentlichungen gewählt und deren Inhalt in standardisierte Normseiten übertragen.

Transparenz nur ein Teil der Erklärung

Zur Erklärung der größeren Umfänge lassen sich positive wie negative Argumente finden. Eine wohlwollende Interpretation könnte lauten, dass deutsche Unternehmen im Nachhaltigkeitsmanagement bereits gut aufgestellt sind und einen besonders hohen Transparenzanspruch verfolgen. Dies dürfte jedoch allenfalls ein kleiner Teil der Erklärung sein, sagt Julian von Pressentin, Director ESG und Sustainability bei Kirchhoff Consult.

Julian von Pressentin ist Director ESG und Sustainability bei Kirchhoff Consult.
Julian von Pressentin ist Director ESG und Sustainability bei Kirchhoff Consult.
Kirchhoff Consult

Prüferdruck als Treiber

Er geht davon aus, dass hohe Anforderungen der Wirtschaftsprüfer hierzulande ein wesentlicher Treiber für die längeren Berichte sind. „Wir sehen in der Beratungspraxis, dass die Anforderungen der Wirtschaftsprüfer mitunter sogar über die regulatorisch geforderten Angaben hinausgehen.“ Zwar könne man mit dem Prüfer über zusätzlich geforderte Angaben sprechen und diese womöglich ausräumen. Doch dafür brauche es detailliertes Wissen, um auf Augenhöhe diskutieren zu können.

Oftmals kämen Unternehmen den Anforderungen nach, um das Testat nicht zu gefährden, beobachtet von Pressentin. Regulatorisch gewollt sei dies aber nicht, sagt der Berater: „Gefordert sind ausdrücklich prägnante Angaben, damit die wesentlichen Informationen im Bericht klar erkennbar sind.“

Klimawandel und Governance

Mit einem breiteren Themenspektrum lässt sich der üppige Berichtsumfang der deutschen Konzerne der Analyse zufolge jedenfalls nicht erklären. Die Angaben basieren auf dem Prinzip der „doppelten Wesentlichkeit“: Unternehmen müssen über die Auswirkungen ihres Geschäftsbetriebs auf die Umwelt berichten, aber auch über Auswirkungen von Nachhaltigkeitsaspekten auf die eigene Geschäftstätigkeit. Im europäischen Durchschnitt haben die Unternehmen in ihren Berichten sieben Themen als „wesentlich“ eingestuft. Am häufigsten zählen dazu der Klimawandel, die Beschäftigten im Unternehmen sowie die Unternehmensführung.

Bei den deutschen Konzernen lag die Anzahl der als wesentlich eingestuften Aspekte mit 7,5 nur leicht über dem europäischen Schnitt von 6,7 – mehr Themen enthielten die längeren Berichte trotz des 27% höheren Umfangs also nicht.

Allerdings gehen einzelne Konzerne auch auf diejenigen Themen ein, die sie gar nicht als „wesentlich“ ansehen: „Hochtief hat beispielsweise eine mehrseitige Tabelle ergänzt, in der das Unternehmen begründet, warum es bestimmte Themen als ‚nicht wesentlich‘ einstuft“, erklärt von Pressentin. In den Standards für die Berichtspflicht seien diese Angaben jedoch ausdrücklich als optional gekennzeichnet. „Die meisten Unternehmen verzichten darauf, um den Umfang zu reduzieren“, sagt von Pressentin.

Wenn einzelne Angaben etwa für Rating-Einstufungen interessant seien, würden diese oft gesondert publiziert oder im Anhang des Geschäftsberichts aufgeführt, um den Fokus des Nachhaltigkeitsberichts nicht zu verwässern. 

Jede zusätzliche Seite kostet Zeit und Geld.

Julian von Pressentin, Kirchhoff Consult

Den Nachhaltigkeitsbericht zu beschränken, hält von Pressentin auch aus Kostengründen für sinnvoll. „Jede zusätzliche Seite kostet Zeit und Geld.“ Die Unternehmen müssten Ressourcen für das Sammeln der Daten und die Berichtserstellung einplanen, hinzu kämen Kosten für Berater, Layout und letztlich Wirtschaftsprüfer. „Da kommen schnell siebenstellige Summen zusammen“, sagt von Pressentin.

Den Adressaten ist seiner Einschätzung nach auch an einem klaren Fokus gelegen: „Kaum ein Analyst dürfte die Zeit haben, 250 Seiten Nachhaltigkeitsbericht durchzuarbeiten“, meint der Berater. Ihn hat der CSRD-Report von Novo Nordisk überzeugt: „Der war erkennbar für Investoren geschrieben und beschränkte sich auf etwa 50 Seiten.“ Die Maxime „viel hilft viel“ hält von Pressentin bei Nachhaltigkeitsberichten für den falschen Leitsatz. „Ich würde eher sagen: weniger ist mehr.“

Bei der Berichterstattung über Nachhaltigkeit gehen deutsche Unternehmen gern ins Detail, wie eine neue Analyse zeigt: Ihre CSRD-Berichte sind um mehr als ein Viertel länger als die der europäischen Wettbewerber. Zu besseren Erkenntnissen führt das nicht unbedingt – wohl aber zu höheren Kosten.

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