Nestlé gewinnt Vertrauen der Investoren zurück – Unilever verliert es
Nestlé gewinnt Vertrauen der Investoren zurück
Ergebnisrückgang nicht so stark wie befürchtet – Mehr Werbung für Traditionsmarken – Unilever bringt Eiscreme-Geschäft an die Börse
md/hip Frankfurt/London
Mit Erleichterung haben Investoren auf die Jahreszahlen von Nestlé und den Ausblick auf 2025 reagiert. Die Ergebnisse des weltgrößten Lebensmittelkonzerns sind etwas besser ausgefallen als erwartet. Zudem sorgte schon das Ausbleiben negativer Überraschungen für Entspannung, denn der Konzern mit Sitz in der Schweiz hatte zuletzt mehrfach enttäuscht.
Der Wechsel auf dem Chefsessel – im August war Mark Schneider vom Franzosen Laurent Freixe abgelöst worden – war von Beobachtern als Eingeständnis einer letztlich fehlgeschlagenen Strategie des Deutsch-Amerikaners verstanden worden, der zu sehr auf angesagte Spezialnahrung und Modegetränke gesetzt, darüber aber klassische Konzernmarken vernachlässigt hatte. Nach schwachen Resultaten hatte Schneider zu viel Rückhalt bei Investoren und Mitarbeitern verloren und musste gehen. Nach dem CEO-Austausch war auch spekuliert worden, dass die Entwicklung noch negativer sei, als die vorherige Kommunikation des Unternehmens hatte vermuten lassen. Diese Sorge scheint nun erst einmal aus der Welt geräumt.
Organisches Wachstum bricht von 7,2 auf 2,2 Prozent ein
Zu den am stärksten beachteten Kennzahlen von Nestlé gehört das organische Wachstum. Es brach im Jahresvergleich von 7,2% auf 2,2% ein, doch hatten Analysten im Schnitt mit noch weniger gerechnet. 2022 und 2023 hatte der Konzern die deutlich gestiegenen Einkaufspreise infolge des Ukraine-Krieges noch zu einem großen Teil an die Verbraucher weitergeben können, was zu starkem Umsatzwachstum aus eigener Kraft geführt hatte. Inzwischen weichen Konsumenten aber verstärkt auf andere Angebote aus, wenn Nestlé die Verkaufspreise weiter erhöht. Deshalb versuchen die Schweizer, das Mengenwachstum – von Nestlé als „internes Realwachstum“ bezeichnet – wieder anzukurbeln. CEO Freixe sprach von „einer Rückkehr zu einem positiven internen Realwachstum von 0,8%“, wobei sich organisches und Mengen-Wachstum im zweiten Halbjahr beschleunigt hätten.
„In einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld mit verhaltener Konsumstimmung haben wir 2024 ein solides Ergebnis erzielt“, sagte Freixe. Die Ankurbelung des Wachstums stehe nun an oberster Stelle der Agenda. Für dieses Jahr peilt Nestlé ein anziehendes organisches Wachstum an, ohne jedoch eine Zielspanne oder gar -marke zu nennen. Die bereinigte operative Gewinnmarge soll mindestens 16 (i.V. 17,2)% betragen.
9 Prozent vom Umsatz für Werbung
Um den Appetit der Verbraucher nach Nestlé-Produkten anzuregen, will das Traditionsunternehmen die Werbe- und Marketingausgaben bis Ende 2025 auf 9% des Umsatzes von zuletzt 8% hochschrauben. Diese Ausgaben sollen mit Einsparungen finanziert werden. Über das bereits laufende Sparprogramm von rund 1 Mrd. sfr hat sich Nestlé bis Ende 2027 mindestens 2,5 Mrd. sfr an zusätzlichen Kostensenkungen vorgenommen. Für 2025 habe der Konzern bereits Einsparungen von mehr als 300 Mill. sfr sichergestellt.
Der ausgewiesene Umsatz gab um 1,8% auf 91,4 Mrd. sfr nach; das sind umgerechnet 96,9 Mrd. Euro. Steigende Kosten, u.a. für Rohstoffe wie Kaffee und Kakao sowie für Marketing, haben die Ergebnisse gedrückt. Der Reingewinn sank von 11,2 Mrd. auf 10,9 Mrd. sfr (11,5 Mrd. sfr); ein Minus von 2,9%. Der Gewinn je Aktie lag bei 4,19 (4,24) sfr; geplant ist trotz des Ergebnisrückgangs die Erhöhung der Dividende je Aktie auf 3,05 (3,00) sfr.
Gut kam bei Konzernkenner die vergleichsweise stabile Entwicklung der operativen Margen an. Dass das schwierige Branchenumfeld nicht zu einem deutlicheren Margenrückgang geführt hatte, wurde positiv kommentiert. Analysten zeigten sich auch angenehm überrascht von der Wachstumsbelebung im Geschäftsbereich Health Sciences sowie vom erfreulichen Wachstumsbeitrag der Schwellenländer.
Die Cashflow-Entwicklung war positiv: Der operative Mittelzufluss legte von 15,9 Mrd. auf 16,7 Mrd. sfr zu, und der freie Cashflow verbesserte sich von 10,4 Mrd. auf 10,7 Mrd. sfr. Negativ war die Tendenz der Nettofinanzschulden: Diese stiegen von 49,6 Mrd. auf 56,0 Mrd. sfr.
Unilever wird konkret
Unterdessen gab Unilever im Vergleich zu Rivale Nestlé einen konkreten Umsatzausblick für 2025: Die Erlöse sollen organisch – also währungs- und portfoliobereinigt – um 3 bis 5% zulegen. Dabei dürfte Unilever nach eigenen Angaben wegen eines gedämpften Marktumfeldes gemäßigter ins neue Jahr starten. CEO Hein Schumacher versprach ein ausgewogeneres Verhältnis der Absatzmengen- zu den Preisveränderungen. Die operative Marge soll „etwas besser“ als im Vorjahr (18,4%) ausfallen. Den bereinigten operativen Gewinn steigerte Unilever um 12,6% auf 11,2 Mrd. Euro.
Zudem teilte Unilever mit, ihr Eiscreme-Geschäft („Ben & Jerry's“, „Magnum“) in Amsterdam an die Börse bringen zu wollen. Gehandelt werden sollen die Aktien auch in London und New York – so wie die Papiere der Mutter. Doch die Primärnotiz wird in den Niederlanden sein, wo auch die Zentrale angesiedelt ist.
Vodafone-Chairman Jean-Francois van Boxmeer soll künftig dem Aufsichtsgremium der Unilever-Tochter vorsitzen. Er stand 15 Jahre lang an der Spitze von Heineken. Ende 2025 soll die Ausgliederung der Eiscreme-Sparte abgeschlossen sein.
Unilever war der erste moderne multinationale Konzern. Das Unternehmen ging aus dem im September 1929 vertraglich vereinbarten Kauf der niederländischen Margarine Unie durch den britischen Seifenfabrikanten Lever Brothers hervor. Ein Versuch, die Konzernstruktur auf eine Zentrale in den Niederlanden zu vereinfachen, scheiterte am Widerstand der Aktionäre. Das mittlerweile in London ansässige Unternehmen hat aber gute Gründe für die Wahl vom Amsterdam für das Eiscreme-Geschäft. Schließlich wird es ohnehin aus Rotterdam geführt.
Ferner kündigte das Management von Unilever weitere Aktienrückkäufe an. Dafür sollen bis zu 1,5 Mrd. Euro in die Hand genommen werden.
Starke Kursausschläge in verschiedene Richtungen
Der Kurs von Nestlé zog an der Schweizer Börse zeitweise um mehr als 6% auf fast 84 sfr an. Unilever-Papiere gaben an der Londoner Börse im Verlauf um mehr als 8% auf 4.380 Pence nach.
Im Januar war die Nestlé-Notierung auf unter 74 sfr gefallen; das war der tiefste Stand seit 2018. Die Marktkapitalisierung beträgt derzeit umgerechnet 227 Mrd. Euro. Anders als bei Nestlé bewegt sich der Unilever-Kurs trotz des Kursverlustes langfristig betrachtet aber immer noch auf hohem Niveau. Im September vergangenen Jahres war ein Rekordhoch von 5.034 Pence erreicht worden.
Die beiden Konsumgüteranbieter Nestlé und Unilever haben die Vorlage ihrer Jahreszahlen genutzt, um über anstehende Projekte zu informieren. Der weltgrößte Lebensmittelkonzern will unter neuer Führung die klassischen Marken stärken. Unilever kündigte das IPO der Eiscreme-Sparte an. Die Kurse bewegten sich diametral.