Lebensmittelindustrie

Nestlé wächst so stark wie seit 2011 nicht mehr

Nestlé ist im ersten Quartal organisch um 7,7% gewachsen. Das ist die höchste Wachstumsrate in einem Jahresviertel seit 2011. Analysten und Anleger reagierten begeistert auf die Zahlen, zeigten sich aber auch verwundert, dass der weltgrößte Lebensmittelkonzern seine Jahresprognose nicht angehoben hat.

Nestlé wächst so stark wie seit 2011 nicht mehr

md Frankfurt

Nestlé ist im ersten Quartal aus eigener Kraft so stark gewachsen wie seit einer Dekade nicht mehr. Insgesamt setzte der weltgrößte Lebensmittelkonzern zwischen Januar und Ende März 21,09 Mrd. sfr (umgerechnet 19,04 Mrd. Euro) um nach 20,81 Mrd. sfr in der Vorjahreszeit; ein Plus von 1,3%. Organisch, also bereinigt um Wechselkurseffekte sowie Zu- und Verkäufe, legten die Erlöse des Schweizer Unternehmens um 7,7% zu. Allein die Effekte des starken Franken machten im vergangenen Jahresviertel mehr als fünf Prozentpunkte des organischen Wachstums zunichte.

Der hohe Zuwachs ist umso bemerkenswerter, da bereits das Vorjahresquartal mit einem Plus von 4,3% stark ausgefallen war. Damals hatten im Zuge der beginnenden Corona-Pandemie Hamsterkäufe in den Industrieländern Nestlé kräftig Rückenwind beschert. Zudem hat Nestlé das Wachstumstempo sowohl im Vorjahresvergleich (4,3%) als auch gegenüber dem Vorquartal (3,9%) deutlich beschleunigt und die durchschnittliche Konsenserwartung der Analysten klar übertroffen.

Wie schon seit Jahren resultierte das Wachstum ganz überwiegend aus dem Mengeneffekt: Das organische Plus von 7,7% setzt sich zu 6,4 (i.V. 4,7)% aus einer gestiegenen Verkaufsmenge – von Nestlé „internes Realwachstum“ genannt – und zu 1,2 (−0,4)% aus Preiserhöhungen zusammen. Wie es heißt, spiegelten die höheren Preise höheren Einkaufspreise wider.

Der Kurs der Nestlé-Aktie stieg gestern an der Schweizer Börse um 2,9% auf 110,02 sfr. Entsprechend kletterte die Marktkapitalisierung um umgerechnet 8,2 Mrd. auf 281 Mrd. Euro. Bis zum Rekordhoch von 113,20 sfr (September 2019) ist es jetzt nur noch eine kleine Strecke.

CEO Mark Schneider sagte: „Wir sind erfreut über das starke und breit abgestützte organische Umsatzwachstum im ersten Quartal.“ Die Umsätze mit dem Einzelhandel hätten ein solides Wachstum verzeichnet, während die Außer-Haus-Kanäle Anzeichen einer Verbesserung zeigten.

Zurückhaltung beim Ausblick

Analysten kommentierten die Quartalsumsätze teilweise euphorisch. Ohne offensichtliche Sondereffekte habe der Konzern schlicht eine tolle Entwicklung vorzuweisen, teilte etwa Jefferies-Analyst Martin Deboo mit. Von der grundsätzlich positiven Aussage von Schneider – „Wir bestätigen unseren Ausblick für das Gesamtjahr und erwarten mittelfristig weiterhin ein anhaltendes organisches Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Bereich“ – zeigten sich einige Research-Häuser wegen des starken Wachstums zum Jahresauftakt aber enttäuscht. Nestlé peilt für 2021 ein organisches Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich an, was nach Konzerndefinition ein Plus von 4 bis 6% ist.

In einer Telefonkonferenz mit Investoren erläuterte der Nestlé-Chef die lediglich bestätigte Prognose. „Angesichts des außergewöhnlichen Wachstums im ersten Quartal mag unsere Prognose konservativ erscheinen“, räumte er ein. Die Vorsicht habe vor allem zwei Gründe: Zum einen werde in der zweiten Jahreshälfte das Vorjahresvergleichsniveau deutlich höher sein. „Und zweitens wollten wir ein weiteres Quartal der Klarheit in Bezug auf die Erholung von Corona haben, bevor wir unsere Prognose 2021 überdenken.“ Schneider zufolge habe die Zuversicht, im laufenden Jahr ein organisches Wachstum von mehr als 4% zu erzielen, sicherlich zugenommen. Dabei war schon das organische Wachstum im Gesamtjahr 2020 mit 3,6% das höchste Niveau seit fünf Jahren gewesen (siehe Grafik).

Wachstum gab es in allen drei von Nestlé definierten Weltregionen. In der Zone Nord- und Südamerika betrug das organische Wachstum den Angaben zufolge 7,2%, wobei 4,8% auf internes Realwachstum und 2,4% auf Preiserhöhungen entfielen. Der berichtete Umsatz sank allerdings auf 8,24 (8,35) Mrd. sfr. In der Zone Europa, Naher Osten und Nordafrika (EMENA) wuchs Nestlé aus eigener Kraft um 4,4%; 3,8% machten Mengeneffekte und 0,6% Preiseffekte aus. Auch hier gab der ausgewiesene Umsatz nach: von 5,3 auf 5,2 Mrd. sfr. Nur in der Zone Asien, Ozeanien und Subsahara-Afrika stiegen die berichteten Erlöse auf 5,09 (4,97) Mrd. sfr. Hier lag das organische Wachstum laut der Mitteilung bei 9,1%. Auf Mengen- bzw. Preiseffekte seien 8,8% bzw. 0,3% zurückzuführen.

Emerging Markets boomen

Das organische Wachstum in den Industrieländern betrug nach Konzernangaben 5,0% und beruhte überwiegend auf internem Realwachstum; die Preisanpassungen waren positiv, heißt es. Das Wachstum in den aufstrebenden Märkten belief sich auf 11,4%, mit einem starken Plus bei der Verkaufsmenge und positiven Preisanpassungen.

Produktseitig waren es vor allem Kaffeemarken (Nespresso, Nescafé und die von Nestlé vertriebenen Starbucks-Produkte), Milchprodukte und Artikel unter der Tierfuttermarke Purina sowie Fertiggerichte und vegetarische Speisen, die für kräftige Erlöszuwächse sorgten.