Netzagentur richtet Blick auf Winter 2023/24
„In diesem Winter 2022/23 wird es keine Gasmangellage geben.“ Mit dieser Botschaft eröffnet Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, das Pressegespräch vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Das Wort Entwarnung mag der Behördenchef angesichts der hohen Füllstände in Deutschlands Gasspeichern, die aktuell bei gut 80 % liegen, jedoch nicht in den Mund nehmen. Die wahre Herausforderung warte im Winter 2023/24 auf uns, ist Müllers unmissverständliche Botschaft.
„Wir müssen jetzt die Voraussetzungen für den nächsten Winter schaffen“, sagt Müller. Sich auf dem Erfolg des vorigen Jahres auszuruhen, in dem es gelang, die befürchtete Gasmangellage zu vermeiden, ist keine Option. Zu groß seien die Unbekannten – allen voran das Wetter – die rasch wieder zu einer Anspannung der Situation führen könnten.
Zumal es in diesem Jahr kein Pipelinegas aus Russland geben werde und die Kapazitäten für verflüssigtes Erdgas zum Ausgleich nicht ausreichten. Folglich müssten Industrie und private Haushalte weiterhin zum Gaseinsparen motiviert werden. Das sei angesichts der inzwischen entspannten Lage jedoch schwer zu kommunizieren. Müller zieht die Parallele zum Robert-Koch-Institut (RKI) während der Corona-Pandemie. Mit den RKI-Kollgen habe die Netzagentur in engem Austausch gestanden über die richtige Kommunikationsstrategie.
Aus der brenzligen Situation für die deutsche Versorgungssicherheit, die sich aus dem Angriff Russlands auf die Ukraine ergab, zieht Müller „drei Learnings“. Zum einen müsse eine Diskussion – am besten europaweit – über den Aufbau einer strategischen Sicherheitsreserve für Gas geführt werden. In Deutschland gebe es jenseits des Gasspeichergesetzes, das bis 2025 befristet ist, keinerlei strategische Reserve für Gas. In diesem Zusammenhang verweist der Behördenchef auf die Ölreserve, mit der gute Erfahrungen gemacht worden seien. Ohne Reserve müssten in Knappheits- und Krisensituationen Preise bezahlt werden, „die wir so nie mehr bezahlen wollen“.
Die zweite Erkenntnis sei, dass Deutschland nicht über eine zukunftsfähige Netzinfrastruktur für Gas verfüge. Hierbei gelte es im Netzentwicklungsplan für Gas eine Reihe von Frage zu beantworten. „Wie europäisch soll das Gasnetz sein, wie stark soll es dimensioniert sein und wie stark soll es Wasserstoff-ready sein?“, zählte Müller auf.
Die dritte Erkenntnis betrifft die Situation auf den Gas- und Strommärkten. Dort sei den Verbrauchern die Wechselbereitschaft zu günstigeren Anbietern ausgetrieben worden. Denn vielfach habe sich der Wechsel für die privaten Haushalte nicht ausgezahlt, auch weil einzelne Anbieter mit fragwürdigen Geschäftsmethoden unterwegs waren. Daher stelle sich die Frage, wo die Wettbewerbskräfte herkommen sollen, die absehbar wieder zu Wettbewerbsdruck und damit zu sinkenden Strom- und Gaspreisen führten.
Es gebe keine Preisaufsicht mehr, ruft Müller in Erinnerung, erklärt aber auch, dass seine Behörde „nicht scharf“ auf die Übernahme einer solchen Aufgabe sei. Wenn aber die Wechselbereitschaft der Privaten zum Erliegen komme und sich zugleich Anbieter auf ihre lokalen Einzugsgebiete zurückzögen, gebe es kein vernünftiges Wettbewerbsmodell am Strom- und Gasmarkt. Die politische Diskussion darüber habe gerade begonnen. „Wir müssen in den nächsten Monaten diskutieren, wie wir dafür sorgen, dass wir wieder zu vernünftigem Wettbewerb kommen.“ Welche Vorschläge Müller dabei einbringt, ließ er offen: „Ich habe kein Patentrezept.“