Neue Schlappe für Evergrande
nh Schanghai
Der schwer angeschlagene chinesische Immobilienentwickler Evergrande scheitert erneut beim Versuch, Aktiva und Beteiligungen zu verkaufen, um sich aus Liquiditätsnöten zu befreien. Wie der wegen drohender Zahlungsunfähigkeit seit Monaten für Unruhe an den Finanzmärkten sorgende Immobilienträger in einer Mitteilung an die Hongkonger Börse erklärt, sind die Verhandlungen zum Verkauf einer hälftigen Beteiligung an der Gebäudemanagement-Tochter Evergrande Property Services an die Hongkonger Immobiliengesellschaft Hopson Development Holdings ergebnislos abgebrochen worden.
Evergrande hätte aus der Transaktion rund 20 Mrd. HK-Dollar (2,2 Mrd. Euro) erlöst und damit eine erhebliche Entlastung im Hinblick auf anstehende Verpflichtungen zur Bedienung von zahlungsausfallgefährdeten Dollarbonds bewirkt. Entsprechend befürchten die Marktteilnehmer nun, dass Evergrande eine in Kürze anstehende Zinskuponzahlung auf Dollaranleihen nicht leisten können wird.
Evergrande selber betont in der Mitteilung, dass es aufgrund der Schwierigkeiten bei der Überwindung von Liquiditätsengpässen keine Garantie dafür gebe, dass man allen anstehenden Zahlungsverpflichtungen nachkommen werde.
Evergrande hatte im September und Oktober insgesamt bereits dreimal einen Zinskupontermin verstreichen lassen, ohne die überwiegend von internationalen Bondanlegern gehaltenen Dollartitel entsprechend zu bedienen. Allerdings weisen die im Hongkonger Offshore-Markt begebenen Dollarbonds der Evergrande eine sogenannte „Grace Period“ beziehungsweise Nachreichfristklausel von 30 Tagen auf. Gelingt es Evergrande, die säumigen Zinszahlungen innerhalb der jeweiligen Frist noch nachzureichen, wird ein förmlicher „Default“ verhindert. Dafür müsste Evergrande allerdings bis zum Ablauf der Gnadenfrist für den ersten verpassten Kupontermin am Samstag, 23. Oktober, entsprechend aktiv werden.
Bislang hat die Gesellschaft Zinskuponzahlungen über insgesamt 227 Mill. Dollar (gut 190 Mill. Euro), ihre bei heimischen Investoren platzierten in Yuan denominierten Anleihen jedoch korrekt bedient. Das Gros der Marktteilnehmer rechnet mittlerweile damit, dass Evergrande wegen eines förmlichen Default in einem Schuldenrestrukturierungsverfahren landet, bei dem zumindest die Dollarbond-Gläubiger mit einem „Haircut“ (Schuldenschnitt) konfrontiert werden. Entsprechend notierten die Dollartitel von Evergrande zuletzt nur noch bei etwa 20 Cent zum Dollar, haben also rund 80% ihres Wertes eingebüßt.
Operatives Geschäft stockt
Parallel zum Absturz der Evergrande-Dollarbonds hat auch die Evergrande-Aktie im bisherigen Jahresverlauf gut 80% verloren. Am Donnerstag brach die Notierung in Reaktion auf die Ankündigung des geplatzten Beteiligungsverkaufs um bis zu 14% ein. Der Kurs der Anfang Dezember 2020 abgespaltenen und separat an die Hongkonger Börse gebrachten Evergrande Property Services wiederum rutschte am Donnerstag um weitere 8% auf ein neues Allzeittief ab und liegt nun für das aufgelaufene Jahr insgesamt um 46% im Minus.
Bei der mit einem massiven Schuldenberg von gut 300 Mrd. Dollar konfrontierten Evergrande haben die Liquiditätsnöte und Zahlungsausfälle gegenüber Lieferanten und Baukontraktpartnern auch das laufende Geschäft schwer beeinträchtigt. Gegenwärtig sind mehr als die Hälfte der über 800 vom Evergrande-Konzern verantworteten laufenden Wohnimmobilienprojekte von einstweiligen Bauunterbrechungen und Verzögerungen betroffen. Gleichzeitig wird die Gesellschaft mit einem massiven Vertrauensverlust seitens chinesischer Wohnungskäufer in spe konfrontiert.
Wie Evergrande in einem jüngsten Geschäfts-Update mitteilt, haben sich die Erlöse aus vorverkauften Wohnungen seit Septemberbeginn auf 3,65 Mrd. Yuan (490 Mill. Euro) reduziert. Dies bedeutet einen dramatischen Rückgang der Evergrande zugehenden Cash-flows, nachdem in der vergleichbaren siebenwöchigen Periode des Vorjahres noch 142 Mrd. Yuan, also das fast Vierzigfache aus entsprechenden Vorverkäufen zugeflossen war.