IPO

Nur noch halb so viele Börsen­gänge

Der Ukraine-Krieg, steigende Zinsen und hohe Volatilität trocknen den IPO-Markt langsam aus. So wagten in der ersten Hälfte des Jahres 2022 laut EY weltweit nur 630 Firmen den Sprung aufs Parkett – und damit nur halb so viele wie im Spitzenjahr 2021.

Nur noch halb so viele Börsen­gänge

cru Frankfurt – Das globale Emissionsvolumen der Börsengänge in der ersten Hälfte des Jahres 2022 ist im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 58% auf 95,4 Mrd. Dollar geschrumpft. Im zweiten Quartal nahm das Emissionsvolumen sogar noch stärker ab – nämlich um 65% auf 41 Mrd. Dollar. Das zeigt das IPO-Barometer der Unternehmensberatung EY für das zweite Quartal des Jahres 2022.

An den Börsenplätzen in den USA und in Europa ging es besonders stark abwärts. In Europa ging die Zahl der Börsengänge im zweiten Quartal von 166 auf 43 zurück, das Emissionsvolumen schrumpfte von 23 Mrd. auf 1,5 Mrd. Dollar. Deutlich geringere Einbußen zeigten sich auf dem chinesischen Markt: Das Emissionsvolumen sank dort nur um ein Drittel auf 21 Mrd. Dollar.

Das weltweit größte IPO im zweiten Quartal war die Dubai Electricity Water Authority, das 6,1 Mrd. Dollar erlöste. In Europa sammelte der norwegische Ölkonzern Vår Energi 0,9 Mrd. Dollar ein. In Deutschland jedoch gab es nur ein winziges IPO – den Börsengang der Online-Immobilieninvestmentplattform EV Digital Invest mit lediglich 6 Mill. Euro.

„Mehrere Faktoren sind dafür verantwortlich, dass derzeit das IPO-Fenster für viele Unternehmen geschlossen ist und einige Unternehmen auf den richtigen Zeitpunkt möglicherweise in der zweiten Jahreshälfte warten“, sagt EY-Partner und IPO-Fachmann Martin Steinbach. „Ursache dafür ist die hohe Volatilität. Investoren halten sich bei Börsengängen zurück.“

Der Krieg in der Ukraine verunsichere. Zudem hielten Lockdowns in China, die hohe Inflation und die Zinswende die Märkte in Atem. „Die Pipeline an Börsenkandidaten ist trotzdem gut gefüllt und das Interesse an einem Börsengang hoch“, betont Steinbach. „Eventuell kann ein Eisbrecher-Börsengang im Lauf des zweiten Halbjahres den Markt für Börsengänge öffnen.“ Zugetraut wird das dem IPO der VW-Tochter Porsche oder der Thyssenkrupp-Wasserstofftochter Nucera. Voraussetzung sei die Auflösung der Unsicherheiten aus Investorensicht und ein Rückgang der Volatilität auf einen Indexlevel von idealerweise 20 im Volatilitätsbarometer VDax.

Die meisten IPOs wurden in den Segmenten Technologie (61) und Rohstoffe (60) durchgeführt. Das höchste Emissionsvolumen verzeichnete allerdings der Energiesektor, in dem 25 Börsengänge insgesamt 15,6 Mrd. Dollar erlösten. Insgesamt genießen laut EY sektorunabhängig sogenannte Equity Storys mit Bezug zur Energiewende und rund um ESG (Umwelt, Soziales, Governance) hohe Investorenaufmerksamkeit.

„Technologieaktien haben weltweit in den vergangenen Monaten teils erhebliche Kursverluste hinnehmen müssen“, sagt Steinbach. Es gebe aber zahlreiche vielversprechende junge Tech-Unternehmen, die sich strategisch für einen Börsengang entscheiden und dabei derzeit schwerpunktmäßig einen asiatischen oder europäischen Börsenplatz wählen. Von den 61 Technologie-IPOs im zweiten Quartal entfielen 42 auf Asien, 13 auf Europa und nur zwei auf Nordamerika.

Steinbach rechnet mit der Rückkehr großer Tech-Börsengänge, sobald sich die Rahmenbedingungen verbessern. Investoren suchten nach Nachhaltigkeit und Profitabilität.

„In den vergangenen Jahren sind weltweit weit über hundert Start-ups mit Milliardenbewertungen entstanden – sogenannte Einhörner –, von denen die Mehrzahl einen Börsengang anstreben dürfte“, erwartet Steinbach. „So hat Deutschland über 25 Einhörner – und liegt damit bei der Zahl der Einhörner hinter Großbritannien und vor Frankreich. Hinzu kommen große Abspaltungen von Industriekonzernen und Konglomeraten, die ebenfalls ihren Weg an den Kapitalmarkt finden werden.“

Der Boom der Spacs (Special Purpose Acquisition Companies) flacht ab: Nachdem im ersten Quartal 2022 weltweit 72 Spac-Transaktionen gezählt wurden, lag die Zahl im zweiten Quartal bei 23. Das Emissionsvolumen schrumpfte von 11,1 Mrd. Dollar im ersten Quartal auf 2,7 Mrd. Dollar im zweiten Quartal. Derzeit gibt es damit weltweit 660 aktive Spacs, deren Kassen mit gut 160 Mrd. Dollar prall gefüllt sind.

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