Peking setzt „Big Four“ unter Druck
Von Norbert Hellmann, Schanghai
Den führenden internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften droht ein kräftiger Rückschlag in ihrem China-Geschäft. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg wirkt die chinesische Regierung im Hintergrund immer stärker auf große chinesische Staatsunternehmen ein, damit diese in der Zukunft nicht mehr auf die Dienste der als „Big Four“ bezeichneten großen internationalen Audit-Konzerne PricewaterhouseCoopers (PwC), Ernst & Young (EY), KPMG und Deloitte zurückgreifen und die Prüfungsmandate auf chinesische Firmen umlenken.
In den vergangenen Monaten soll das chinesische Finanzministerium eine Initiative eingeleitet haben, um die Staatsbetriebe auf eine Wende in der Vergabe von Prüfungsmandaten mit Fokus auf nationale Belange einzuschwören. Bislang gibt es keine Anzeichen für eine offizielle Richtlinienvorgabe, vielmehr soll das Ministerium eine sogenannte „Window Guidance“ erlassen. So wirkt man hinter den Kulissen auf wichtige Staatsfirmen ein, damit diese bei Big-Four-Firmen angesiedelte Prüfungsmandate nicht mehr verlängern und dann sukzessive auf heimische Branchenfirmen verlagern.
Der implizite Bann für Audit-Engagement bei Staatsfirmen dürfte die Geschäftsperspektiven der bislang in China eindeutig marktführenden Big Four nun weiter beeinträchtigen. Deren Umsätze in China beliefen sich im Jahr 2021 auf zusammengenommen 3 Mrd. Dollar, wobei es allerdings keine Aufstellung über die Erlösverteilung auf Audit-Mandate bei staatlichen und privaten Unternehmenskunden gibt.
Streit mit den USA
Die stille Kampagne zur Eliminierung der großen internationalen Audit-Konzerne aus dem staatlichen Unternehmensbereich ist ein Reflex auf die wachsenden Streitigkeiten zwischen China und den USA. Hinzu kommt der langjährige Konflikt rund um die Bemühungen der US-Wertpapieraufsichtsbehörde Security Exchange Commission (SEC) und des ihr angegliederten U.S. Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB), die Wirtschaftsprüfungsberichte von an US-Börsen gelisteten chinesischen Unternehmen einer gesonderten Inspektion auf Erfüllung von US-Standards zu unterziehen.
Während der PCOAB in mehr als 50 Ländern einen breiten Zugang seiner Inspekteure zu Audits von US-gelisteten Auslandsfirmen gefunden hat, verweigerte sich China dieser Auflage. Im vergangenen Jahr musste Peking allerdings zähneknirschend einlenken, nachdem die SEC ermächtigt wurde, die chinesische Prüfungsverweigerung zum Anlass für ein Delisting an den New Yorker Börsen, sprich einen Rausschmiss chinesischer Firmen von der Wall Street zu nehmen.
Im Herbst kam es dann zu den ersten Prüfungen durch PCAOB-Inspekteure bei Firmen wie Alibaba, die zur Gesichtswahrung Pekings zwar nicht auf dem Festland, aber in Hongkong vorgenommen werden dürfen. Der aus Pekinger Sicht als eine Art Demütigung gewertete Kompromiss im Delisting-Streit dürfte eine Rolle dabei spielen, dass nun Maßnahmen ergriffen werden, um Staatsunternehmen dem Einfluss internationaler Prüfungsgesellschaften zu entziehen.
Abgesehen davon hat die Pekinger Regierung in den vergangenen Jahren unter der Überschrift Datenschutz und nationale Sicherheitsinteressen zahlreiche Initiativen gestartet, die chinesische Konzerne stärker von ausländischem Einfluss abschirmen sollen. Gleichzeitig stellen sie in China tätige ausländische Unternehmen vor zahlreiche Hürden bei der Erfüllung von sicherheitspolitisch motivierten Datenschutzregeln. Dies färbt auch wesentlich auf westliche Finanzdienstleister und Beratungsfirmen und den Radius ihrer in China gestatteten Tätigkeiten ab. So haben gerade auch die Big Four in den letzten Jahren einige Hürden in den Weg gestellt bekommen, die sie zur Aufgabe von Geschäftstätigkeiten gezwungen haben und die die Beschäftigung von nichtchinesischen Arbeitskräften und Managern vor Ort erschweren.