Private Equity entdeckt die Kreislaufwirtschaft
Private Equity steigt in die Kreislaufwirtschaft ein
Houlihan-Lokey-Investmentbanker: Finanzinvestoren konkurrieren mit Geräteherstellern um Circular-Tech-Firmen – Zahlreiche M&A-Deals
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Regulatorische Auflagen wie das EU-Emissionshandelssystem zur CO2-Reduzierung zwingen den Technologiesektor zunehmend zur Kreislaufwirtschaft. Der Boom für den neuen Wirtschaftszweig, der unter dem Namen „Circular Tech“ rasant wächst, lockt inzwischen neben den Geräteherstellern, IT-Firmen und Software-Veredlern auch Private-Equity-Firmen an, die sich einzelne Circular-Tech-Unternehmen als Nukleus für eine Expansion zulegen und durch Zukäufe ausbauen.
Konsolidierungsdruck
Die meisten Firmen, die Dienstleistungen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft anbieten, sind sehr klein. „Der Sektor ist fragmentiert und es gibt erheblichen Konsolidierungsdruck“, sagt Sigurd Solheim, Circular-Tech-Fachmann der Investmentbank Houlihan Lokey. „Waren es vormals vor allem Strategen, die sich interessante Targets zugekauft haben, so beginnt nun auch Private Equity bei den Deals aufzutauchen, weil es noch interessante Akquisitionsziele gibt und eben auch gutes Buy-and-build Potenzial“, fasst sein Kollege Jules Wurlod zusammen.
Das wachsende Bewusstsein für ökologische Nachhaltigkeit, der regulatorische Druck, umweltfreundlichere IT-Geräte einzusetzen und Elektronikschrott zu entsorgen, kurbeln die Nachfrage an für Circular-Tech-Firmen, die IT-Geräte-Management, IT-Geräte-Entsorgung, Trade-In und Re-Commerce-Services anbieten. In diesem Bereich tummeln sich Firmen wie Atea, Bechtle und Cancom.
Unternehmen betonen zunehmend Kreislaufwirtschaftsprinzipien in ihren Strategien. „Infolgedessen suchen sie nach umfassenden Lösungen für die Verwaltung ihrer IT-Assets während ihres gesamten Lebenszyklus, von der Beschaffung bis zur Entsorgung, und wenden sich an spezialisierte Anbieter für einen effizienten und ethischen Umgang mit diesen Ressourcen“, erklärt Investmentbanker Solheim.
Beratungsmandate
Die Investmentbank hat gerade die deutsche Circular-Tech-Firma TKD Group beim Verkauf einer Mehrheitsbeteiligung an den Finanzinvestor Deutsche Private Equity beraten. Den grünen italienischen Finanzinvestor Ambienta beriet Houlihan Lokey bei der Übernahme des niederländischen DaaS-Anbieters The Rent Company, der IT-Geräte unter anderem an Schulen und Studenten vermietet. Der Private-Equity-Firma Norvestor stand die Investmentbank beim Verkauf ihres Anteils am schwedischen IT-Wiederverwerter Foxway an die Beteiligungsgesellschaft Nordic Capital zur Seite.
Reparieren statt entsorgen
Damit nicht genug: Der Impact-Fonds Trill kaufte Kimbrer Computer: Anstatt veraltete Hardware zu entsorgen, haucht die dänische Firma den Komponenten neues Leben ein. Und der Finanzinvestor Meridiam erwarb den MacBook-Aufbereiter Okamac, der alte Geräte generalüberholt und weiterverkauft.
Die deutsche Firma TKD mit Hauptsitz im rheinländischen Langenfeld zum Beispiel beschäftigt mehr als 100 Mitarbeiter und bietet Unternehmenskunden eine nach eigener Einschätzung einfach zu bedienende und nachhaltigkeitsfördernde Full-Service-Plattform für das Lifecycle-Management von Mobilgeräten. Dabei geht es um das Vertrags- und Hardwaremanagement, einschließlich Gerätevermietung, -bereitstellung, -registrierung, -reparatur und -wartung, sowie Kundensupport über den Lebenszyklus der Geräte. Dies soll Unternehmen helfen, ihre IT- und Verwaltungsabteilungen zu entlasten und sicherstellen, dass Kreislaufwirtschaft und Langlebigkeit der Geräte im Mittelpunkt stehen. Über die eigene Software-as-a-Service-Plattform können die Mitarbeiter der Kunden die Endgeräte – auch Mobiltelefone – selbst bestellen.
Impact Funds besonders aktiv
„Gerätehersteller fühlen sich durch die EU-Vorschriften immer mehr unter Druck gesetzt, in ihren Ausschreibungen generalüberholte Geräte anzubieten“, berichtet Wurlod von Houlihan Lokey. „Sie zögern jedoch noch, direkt in die IT-Geräte-Entsorgung einzusteigen.“ Device-as-a-Service (DaaS) oder Geräte-Leasing sei eine bevorzugte Option für Gerätehersteller, um die Kontrolle über die Geräte zu behalten und dann mit Geräteentsorgungs-Partnern zusammenzuarbeiten, um die Rückgabe der Geräte abzuwickeln.
IT-Leasing-Anbieter wie der Gerätevermieter CHG-Meridian aus dem baden-württembergischen Weingarten oder der französisch-belgische digitale Dienstleister Econocom beabsichtigen, ihre Kapazitäten für die Wiederherstellung des Werts gebrauchter Geräte zu erweitern. „Sie sind jedoch noch nicht sehr aktiv in Bezug auf M&A“, sagt Investmentbanker Solheim. „US-Akteure blicken auf Europa und erkennen, dass der Markt weiter fortgeschritten ist.“ Das mache diese Unternehmen eher zu Zielen als zu Übernehmern. Auch das Interesse von Private Equity und Impact Funds für nachhaltige Anlagen am Circular-Tech-Markt nehme zu. Die Mehrzahl der Transaktionen werde von Private Equity Impact Funds getätigt.
Breites Spektrum
Das Spektrum der Circular-Tech-Märkte und Geschäftsmodelle reicht vom Internet der Dinge (IOT) mit permanentem Monitoring von Geräten über vorausschauende Instandhaltung, die von künstlicher Intelligenz getrieben wird, bis hin zu automatisierter Entsorgung von IT-Geräten mit sicherer Datenlöschung. „Gerätekonnektivität und Tracking ermöglicht die Echtzeit-Überwachung von IT-Ressourcen und sorgt für eine optimale Leistung und rechtzeitige Wartung, um ihre Lebensdauer zu verlängern und den Elektronikschrott zu reduzieren“, beschreibt Investmentbanker Wurlod das Geschäftsmodell rund um KI-gestützte Computerprogramme für industrielle IOT wie IBM Watson, Thingworx oder SAP Leonardo.
Haupttreiber sind gesetzliche Vorgaben. So müssen in den USA schon seit 2004 Gerätehersteller Verantwortung übernehmen für die Entsorgung der Geräte. Die Klimaschutzverträge zwingen zudem weltweit Unternehmen, sich Netto-Null-Emissionsziele zu geben, für die sie die Emissionen in ihrem eigenen Produktionsprozess reduzieren müssen. Software macht die Kreislaufwirtschaft immer effizienter. Sie ermöglicht beispielsweise das automatische Tracking von Geräten und bietet einen Echtzeit-Einblick in die Standorte, den Status und die Nutzung.
Gut für grünen Anstrich
Besonders die Tech-Giganten legen zunehmend Wert auf einen grünen Anstrich und legen sich dafür unter anderem durch M&A eigene Circular-Tech-Spezialisten zu. So startete Alphabet im September 2024 das Programm „Google Start-ups for Sustainable Development“. Es finanziert ein globales Ökosystem von Start-ups, die sich für eine nachhaltige Entwicklung einsetzen, mit Beratern, Finanzierung und Plattformtechnologie.
An der Börse schneidet Circular Tech bisher gemischt ab: In der zweiten Hälfte des Jahres 2023 entwickelte sich der Houlihan Lokey Circular Tech Index für börsennotierte Kreislaufwirtschaftsunternehmen besser als der S&P 500. In den ersten neun Monaten des Jahres 2024 wurden die Gewinne gegenüber dem S&P 500 jedoch wieder aufgezehrt, und der Houlihan Lokey Circular Tech Index wies eine um 13% niedrigere Performance auf.
Die Klimaschutzpolitik drängt Unternehmen zur Kreislaufwirtschaft. Auf diesen Zug springt nun auch Private Equity auf. Finanzinvestoren legen sich Circular-Tech-Firmen zu und bauen sie aus. Deren Spektrum der Geschäftsmodelle ist groß. Es geht zum Beispiel um die Generalüberholung veralteter Hardware.