Hauptversammlung

ProSieben hält PwC in Reserve

Der Medienkonzern ProSiebenSat.1 Media schafft eine Alternative, falls die im Wirecard-Skandal in der Kritik stehende EY in der Wahl zum Abschlussprüfer auf der Hauptversammlung durchfällt.

ProSieben hält PwC in Reserve

Von Sabine Wadewitz, Frankfurt

In einem ungewöhnlichen Prozedere wappnet sich ProSiebenSat.1 für Opposition ihrer Aktionäre gegen den im Betrugsfall Wirecard in Misskredit geratenen Abschlussprüfer EY. Der Medienkonzern bringt auf der virtuellen Hauptversammlung am 1. Juni wie im Vorjahr EY als Abschlussprüfer ins Rennen, geht aus der Einladung hervor. Zusätzlich gibt es diesmal eine Alternative: Für den Fall, dass dieser Vorschlag in der Abstimmung „nicht die erforderliche Mehrheit erhält“, schlägt der Aufsichtsrat PwC als Abschlussprüfer vor, heißt es weiter.

Eine Sprecherin von ProSieben bezeichnet den Schritt als „nichts Ungewöhnliches“. Das MDax-Unternehmen habe 2020 das Mandat des Abschlussprüfers ausgeschrieben gehabt, „da es für uns zu einer guten Corporate Governance gehört, diese Leistungen regelmäßig auszuschreiben“. EY sei als Erstplatzierte hervorgegangen, PwC als Nummer 2.

Die Unternehmenssprecherin weist darauf hin, dass der Konzern nach der vorangegangenen Ausschreibung im Jahr 2018 in der darauffolgenden Hauptversammlung 2019 in der Einladung auch den Erst- und Zweitplatzierten genannt habe. Damals hatte ProSieben erstmals EY mandatiert, PwC landete im Beauty Contest auf Platz 2. Allerdings hatten die Aktionäre nicht die Alternative eingeräumt bekommen, in einem zweiten Wahlgang für PwC zu votieren, falls es für EY auf dem Aktionärstreffen keine Mehrheit gibt. Offensichtlich sichert sich ProSieben nun dagegen ab, ohne Abschlussprüfer dazustehen, falls EY bei den Anteilseignern durchfällt. Einziger Großaktionär ist die italienische Mediaset mit einem Paket von knapp 12,4%. Leiter des Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat von ProSieben ist der ehemalige KPMG-Manager und Vorsitzende der Kodex-Kommission, Rolf Nonnenmacher.

Bis zum Prüferwechsel 2019 hatte KPMG mehr als zehn Jahre lang die Bilanzen von ProSieben testiert. Auf dem Aktionärstreffen 2018 hatten 12% gegen deren Wiederwahl als Prüfer gestimmt. EY war 2019 und 2020 mit jeweils mehr als 99% der Stimmen goutiert worden.

Auf der Hauptversammlung von MTU Aero Engines hatten Vertreter von Aktionärsvereinigungen jüngst die Zuverlässigkeit von EY als Abschlussprüfer vor dem Hintergrund von Wirecard hinterfragt (vgl. BZ vom 22. April). EY war dann jedoch mit 98,8% Ja-Stimmen wiedergewählt worden.

Auch auf anderen Hauptversammlungen hat sich bislang in der Abstimmung das Blatt nicht gegen EY gewendet. Bei Siemens oder im MDax bei Beiersdorf votierten 2,8% bzw. 3,2% gegen den Vorschlag. Auch die aus dem Dax abgestiegene Lufthansa hat ihren Aktionären EY wieder als Konzernabschlussprüfer vorgeschlagen genauso wie die Deutsche Bank. Munich Re, wo nach den Regularien der Versicherungsaktiengesellschaft nicht die Hauptversammlung, sondern der Aufsichtsrat den Abschlussprüfer bestellt, hält ebenfalls an EY fest.

Im Zuge der von der EU-Regulierung angestoßenen Pflichtrotation der Prüfer hatte EY einige Mandate im Dax gewonnen, darunter auch Volkswagen, deren Hauptversammlung erst im Juli stattfindet, und Commerzbank, die inzwischen in den MDax abgestiegen ist. Commerzbank hat EY für 2021 erneut vorgeschlagen, aber in der Tagesordnung zur Hauptversammlung bereits den Wechsel des Abschlussprüfers für 2022 angekündigt und eine Präferenz für KPMG ausgesprochen. Die Bank will als ehemaliger Kreditgeber des Zahlungsabwicklers Interessenkonflikte bei einer möglichen ge­richtlichen Aufarbeitung des Wirecard-Skandals vermeiden. Aus ähnlichen Erwägungen hatte die ehemals in Wirecard investierte Fondsgesellschaft DWS den geplanten Wechsel von KPMG zu EY wieder abgeblasen.

Die Deutsche Telekom hat die Rotation gestoppt und den Prüferwechsel auf 2022 vertagt. Der Dax-Konzern wollte EY von 2021 an als Abschlussprüfer einsetzen, hob die Bestellung dann jedoch wieder auf und blieb zunächst beim langjährigen Abschlussprüfer PwC. An der „Empfehlung und Präferenz“ für EY halte „der Prüfungsausschuss aufgrund der gegenwärtig noch ungeklärten Vorwürfe gegen EY nicht mehr fest“, wurde in der Einladung zur Hauptversammlung am 1. April dieses Jahres dazu erläutert. Nach der Ausschreibung 2019 hatte sich das Bonner Unternehmen für EY entschieden, der Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat hatte zudem den Konkurrenten Deloitte empfohlen.

EY steht als langjähriger Ab­schluss­prüfer von Wirecard in der Kritik, Sorgfaltspflichten in der Prüfung des ehemaligen Dax-Unternehmens verletzt zu haben. Die Vorwürfe haben jüngst an Brisanz zugenommen. Der vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss eingesetzte Sonderermittler, die Beratungs- und Prüfungsgesellschaft Rödl & Partner, hat nach den Worten von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) festgestellt, dass EY bei Wirecard über viele Jahre „nicht ordnungsgemäß“ ge­prüft habe. Die öffentliche Abschlussprüferaufsicht Apas hat sich im Fall Wirecard noch nicht zu EY geäußert.

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