Rechnungshof befürchtet einen Sanierungsfall Bahn
wf Berlin
Der Bundesrechnungshof fordert von der Bundesregierung eine einschneidende Umstrukturierung des Konzerns der Deutschen Bahn AG (DB AG). Das bundeseigene Verkehrsunternehmen soll sich auf die Schienenaktivitäten konzentrieren und von den Töchtern Schenker und Arriva trennen, verlangen die Prüfer. Zudem müsse der Bund mit einer Eigentümerstrategie die Bahn auf seine Interessen ausrichten.
„Die Krise der DB AG ist chronisch, der Konzern entwickelt sich zu einem Sanierungsfall, der das gesamte System Eisenbahn gefährdet“, sagt Kay Scheller, Präsident des Rechnungshofs vor der Presse. Die Kontrolleure der Bundesfinanzen hatten am Mittwoch dem Haushaltsauschuss des Bundestags einen Sonderbericht mit dem Titel „Zur Dauerkrise bei der Deutschen Bahn“ zugeleitet – mit „Hinweisen zu einer strukturellen Weiterentwicklung“. Zuletzt hatten die Rechnungsprüfer die Bahn 2019 unter die Lupe genommen. „Vier Jahre später ist das System Eisenbahn sogar noch unzuverlässiger geworden, und die wirtschaftliche Lage der DB AG hat sich weiter verschlechtert“, unterstrich Scheller. „Es gibt gravierende strukturelle, finanzielle und betriebliche Probleme.“ Die Bahn sei weit davon entfernt, die Probleme in den Griff zu bekommen.
Enorme Verschuldung
Seit 2016 hat sich die Verschuldung der Bahn um 10 Mrd. Euro auf mehr als 30 Mrd. Euro erhöht, stellt der Rechnungshof fest. Dabei habe der Bund die DB AG immer stärker finanziell unterstützt. Die öffentlichen Zahlungen von zuletzt durchschnittlich 16,6 Mrd. Euro hätten die Einnahmen aus Infrastrukturentgelten, Transport- und Fahrgastumsätzen überstiegen. „Die DB entwickelt sich zu einem Fass ohne Boden“, sagte Scheller. Die Rechnungshof plädiert für eine Verschuldungsgrenze.
Die Aktivitäten und Strukturen der Bahn sollten auf den Gewährleistungsauftrag in der Verfassung ausgerichtet werden, die Verkehrsbedürfnisse für Deutschland zu decken. 2022 sei jeder dritte Fernverkehrszug unpünktlich gewesen – ein trauriger Rekord. Die überalterte Schieneninfrastruktur sei dafür auch verantwortlich. Die Bahn fahre auf Verschleiß, damit der Bund am Ende die Erneuerung zahle, moniert der Rechnungshof. Die ambitionierten Ziele, bis 2023 den Personenverkehr zu verdoppeln und einen Anteil von 25 % am Güterverkehr zu erreichen, seien nicht zu realisieren.
Zur Dauerkrise bei der Bahn hat der Bund nach der Analyse der Rechnungsprüfer wesentlich beigetragen. Die Kontrolleure fordern, die angekündigte Eigentümerstrategie voll auf die Interessen des Bundes auszurichten. Dazu gehöre auch die Überprüfung der Rechtsform. So erlaube eine GmbH dem Gesellschafter mehr Durchgriff als eine AG. Die Aufsichtsräte müssten stärker mit Bundesvertretern besetzt werden.
Das Schienennetz solle vom Konzern abgespalten und gemeinwirtschaftlich ausgerichtet werden. Auch die DB Netz ist eine Aktiengesellschaft. Bei den Geschäftsaktivitäten jenseits der Eisenbahn bestehe Handlungsdruck. Beim Nahverkehrsanbieter Arriva gingen die Erträge zurück, beim Spediteur Schenker habe sich die Wettbewerbsposition verschlechtert. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) erklärte, es werde bereits gehandelt. Dazu gehöre ein radikales Konzept zur Netzsanierung wie die Umstrukturierung des Konzerns mit einer gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte.