Finanzielle Restrukturierung

Rettungskonzept für Varta steht

Nach langwierigen Verhandlungen kann Varta die finanzielle Sanierung angehen. Der schwer angeschlagene Batteriehersteller erhält 100 Mill. Euro fresh money. Gläubiger verzichten auf Forderungen, der Sportwagenbauer Porsche steigt ein.

Rettungskonzept für Varta steht

Rettungskonzept für Varta steht

hek Frankfurt

Der Batteriehersteller Varta hat sich mit Gläubigern und Investoren auf eine finanzielle Sanierung verständigt. Eckpunkte des Konzepts sind ein Schuldenschnitt von 59% der Finanzverbindlichkeiten, die Herabsetzung des Eigenkapitals auf null und 100 Mill. Euro frische Liquidität. Neue Hauptgesellschafter sind wie erwartet der bisherige Großaktionär Michael Tojner und der Sportwagenbauer Porsche. Als dritter Block kommen Fremdkapitalgeber hinzu, die über ein Wertaufholungsinstrument wirtschaftlich 36% des Eigenkapitals halten. Tojner wird das Unternehmen künftig nicht mehr kontrollieren.

Mit der Vereinbarung sei die Finanzierung bis Ende 2027 gesichert, teilt Varta mit. Die Finanzverbindlichkeiten sinken von bislang 485 Mill. Euro um 285 Mill. auf 200 Mill. Euro. Hinzu kommt dann ein vorrangig besicherter neuer Kredit von 60 Mill. Damit betragen die Finanzschulden künftig 260 Mill. Euro.

60 Mill. Euro neues Eigenkapital

Nach dem Kapitalschnitt auf null bringen die vom österreichischen Unternehmer Tojner kontrollierte MT InvestCo und eine Beteiligungsgesellschaft von Porsche 60 Mill. Euro neues Eigenkapital ein. Davon werden 40 Mill. Euro über eine Barkapitalerhöhung bereitgestellt. Porsche zahlt 30 Mill. Euro ein und Tojner 10 Mill. Euro. Weitere 20 Mill. Euro entfallen auf die Einbringung von Immobilien, die Varta nutzt, aber bisher dem Großaktionär Tojner gehören. Porsche will mit dem Einstieg den mehrheitlichen Erwerb der V4Drive-Sparte absichern, die eine Hochleistungs-Batterie für Elektroautos entwickelt hat.

Die neue Erstrangfinanzierung von 60 Mill. Euro stellen bestehende Fremdkapitalgeber bereit. Diese Geldgeber partizipieren über eine virtuelle Beteiligung zu 36% am wirtschaftlichen Eigenkapital von Varta. Die übrigen 64% teilen sich Porsche und Tojner (jeweils 32%). Finanzierer, die sich nicht an dem neuen Kredit beteiligen, erhalten im Gegenzug für den Forderungsverzicht einen Besserungsschein, mit dem sie von einer Gesundung des Unternehmens profitieren, falls festgelegte Ebitda-Kennzahlen (Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) übertroffen werden.

Streubesitz wird herausgedrängt

Durch den Kapitalschnitt auf null verlieren die bisherigen Aktionäre ihren Einsatz. Der Streubesitz, der aktuell 49,9% des Grundkapitals hält, geht sogar komplett leer aus, weil er anders als Hauptgesellschafter Tojner (bisher 50,1%) keine Möglichkeit hat, sich am neuen Eigenkapital zu beteiligen und damit von künftigen Wertaufholungen ausgeschlossen wird. Varta begründet das mit rechtlichen Vorgaben: Ein Bezugsrecht für Kleinaktionäre setze einen Börsenprospekt voraus, der aber nicht erstellt werden könne, da kein geprüfter Jahresabschluss vorliege. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und andere Aktionärsvertreter hatten das Vorgehen bereits im Vorfeld scharf kritisiert: Anteilseigner würden „vollständig und entschädigungslos“ enteignet.

StaRUG-Verfahren

Varta könne im Zuge der Restrukturierung in eine GmbH umgewandelt werden, heißt es weiter. Die Börsennotierung wird früheren Angaben zufolge eingestellt. Die Marktkapitalisierung lag zuletzt trotz des drohenden Totalverlusts noch bei 167 Mill. Euro.

Den rechtlichen Rahmen für die Umsetzung der finanziellen Sanierung bildet das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, kurz StaRUG. Varta muss jetzt auf Basis der Vereinbarungen einen Restrukturierungsplan beim Amtsgericht Stuttgart einreichen und Termine für die Erörterung und die Abstimmungen beantragen. Notwendig ist, dass die Mehrheit der einzelnen Gruppen den Plan mit jeweils mindestens 75% unterstützt.

Das StaRUG-Verfahren hatte Varta vor vier Wochen angekündigt. Anfangs lagen zwei Konzepte auf dem Tisch: eines von Tojner und Porsche sowie eines von vier Spezialfonds, die sich zu mehr als 40% in den Konsortialkredit eingekauft hatten. Das Fonds-Konzept sah eine Übernahme durch die Gläubiger vor. Ihre Kritik konzentrierte sich darauf, dass im equity-geführten Plan keine Kompensation für den Haircut vorgesehen sei.

Tür für weiteren Investor offen

Nach Abschluss des StaRUG-Verfahrens könnte der Mitteilung zufolge ein weiterer Investor innerhalb eines Jahres mit bis zu 30 Mill. Euro einsteigen. Vorstandschef Michael Ostermann berichtet von mindestens zwei Interessenten, ohne Namen zu nennen. Man sei diesbezüglich in fortgeschrittenen Gesprächen.

Laut Angaben von Varta wurde die Einigung mit „nahezu allen Konsortialkreditgebern“ und „gewissen Schuldscheindarlehnsgläubigern“ erzielt. Letzteres lässt darauf schließen, dass ein signifikanter Teil der Schuldscheininhaber das Konzept ablehnt. Die im Geschäftsjahr 2022 platzierten Schuldscheine haben ein Volumen von 250 Mill. Euro. Zu den Gläubigern gehören auch Hedgefonds, darunter Whitebox Advisors aus den USA. Aus dieser Gruppe kam ein alternativer Finanzierungsvorschlag, der auch ein Bezugsrecht für alle Aktionäre vorsah. Der Konsortialkredit umfasst 235 Mill. Euro.

Tojners Einfluss wird beschnitten

Auf der Eigenkapitalseite halten MT InvestCo und Porsche rein rechtlich (also ohne die virtuelle Beteiligung von Kreditgebern) jeweils 50%. Die Konstruktion ist den Angaben zufolge so gestaltet, dass weder Tojner noch Porsche noch beide zusammen die Kontrolle haben. Das bedeutet: Die Rolle Tojners, der als Aufsichtsvorsitzender bisher dominanten Einfluss hatte, wird beschnitten. Offenbar war vielen Beteiligten daran gelegen, eine erneute Kontrollmehrheit des österreichischen Investors zu verhindern. Porsche wiederum kann kein Interesse an der Kontrolle über Varta haben, da die Beteiligung dann konsolidiert werden müsste.

Ferner ist geplant, dass Geldgeber, die sich an dem neuen Kredit beteiligen, in dieser Höhe vom Schuldenschnitt ausgenommen werden. Das heißt im Umkehrschluss, dass der Verzicht der anderen Gläubiger entsprechend höher ausfällt. Mit der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen würden Finanzierung und Liquidität der Gruppe nachhaltig stabilisiert und langfristig gesichert, kommentiert CFO Marc Hundsdorf. Und Chief Restructuring Officer Michael Giesswein wird mit den Worten zitiert: „Das Sanierungskonzept berücksichtigt ausgewogen die Interessen aller Beteiligten.“

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