Mögliches Ölembargo

Rosneft-Raffinerie PCK droht Enteignung

Im Fall eines Ölembargos gegen Russland droht der Raffinerie PCK des Staatskonzerns Rosneft in Schwedt an der Oder die Enteignung. Da Rosneft kein Interesse an der Verarbeitung jenseits russischen Öls hätte, wäre dies eine Möglichkeit, den Weiterbetrieb zu sichern. Basis dafür wäre das neue Enteignungsgesetz.

Rosneft-Raffinerie PCK droht Enteignung

cru Frankfurt – Die Bundesregierung unterstützt europäische Planungen für ein Einfuhrverbot für russisches Öl im Rahmen eines weiteren Sanktionspaktes. Deutschland hat den Anteil des aus Russland importierten Öls seit Beginn des Ukraine-Kriegs bereits von 35 % auf absehbar 12 % gesenkt. Ein Großteil der verbliebenen russischen Öl-Einfuhren nach Deutschland entfällt jedoch auf die Raffinerie PCK in Schwedt an der Oder, die vom russischen Rosneft-Konzern kontrolliert und über die Pipeline „Druschba“ („Freundschaft“) versorgt wird. Die Pipeline gabelt sich in Belarus und bringt russisches Öl sowohl unter anderem nach Ungarn als auch ins brandenburgische Schwedt. Der Marktanteil von PCK (Petrolchemisches Kombinat) an der gesamtdeutschen Kraftstoffproduktion beträgt etwa 10 %.

Da Rosneft kein Interesse an der Verarbeitung von Öl jenseits russischen Öls hätte, suche man noch nach einer Lösung, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck angekündigt, ohne Details zu nennen. Branchenkenner rechnen mit einer Enteignung und Verstaatlichung der Raffinerie, da eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes als Basis für einen solchen Schritt vom Kabinett gebilligt wurde und gerade im Eiltempo durch den Bundestag ge­bracht wird.

Zuvor hatte Habeck bereits die Gazprom-Tochter Gazprom Germania samt Gasspeichern und Netz unter die Treuhand der Bundesnetzagentur gestellt – auf Basis der Außenwirtschaftsverordnung. Schon vor einer unmittelbaren Gefährdung der Energieversorgung sollen künftig durch das neue Enteignungsgesetz besondere Maßnahmen möglich sein. Konzerne könnten dann mitunter leichter verstaatlicht werden. Dies soll greifen, wenn die Unternehmen ihren Aufgaben nicht mehr nachkommen und die Versorgungssicherheit gefährdet ist.

Hohe rechtliche Hürden

„Die Anforderungen für eine Enteignung sind hoch. Mit Blick auf die PCK-Raffinerie müsste nachgewiesen werden, dass eine Treuhand-Verwaltung die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und das Funktionieren des Gemeinwesens nicht sicherstellen kann“, sagte Kristin Spiekermann, Partnerin bei der Kanzlei Rosin Büdenbender, der Börsen-Zeitung.

Nach dem Gesetzentwurf erfolgt die Enteignung im Wege der Rechtsverordnung des Bundeswirtschaftsministeriums. „Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine Entschädigung nur verlangen kann, wer sich auf das Eigentums-Grundrecht (Artikel 14 Grundgesetz) berufen kann“, sagte Spiekermann. Dabei könnte es auch relevant sein, ob bzw. inwieweit hinter dem Ölkonzern Rosneft der russische Staat als Mehrheitseigner der Anteile steht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können sich sogenannte gemischtwirtschaftliche Unternehmen nicht auf die Grundrechte berufen, sofern der Staat mehr als 50 % der Anteile an ihnen hält.

Der Ölkonzern Shell Deutschland führt als Raffinerie-Miteigentümer bereits Gespräche mit Vertretern aus der Politik über eine mögliche Unterstützung der Raffinerie PCK nach einem möglichen Ölembargo gegen Russland. Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sagte bei einem Besuch in Schwedt/Oder, Shell habe zugesichert, Öl für PCK einzukaufen. Damit könnten 50 bis 60 % der Kapazitäten gesichert werden.

2021 hatte Rosneft nach eigenen Angaben das Vorkaufsrecht auf den Erwerb von 37,5 % der Shell-Anteile an der Raffinerie ausgeübt. Damit würde der Anteil von Rosneft an PCK von 54,17 % auf 91,67 % steigen. Nach Zustimmung des Kartellamtes liegt die Entscheidung nun beim Bundeswirtschaftsministerium.

Russisches Öl wird ersetzt

Die Vorbereitungen für den Ernstfall eines Ölembargos gegen Russland ziehen sich länger hin als geplant. Vor rund einer Woche hatte Habeck eine „Alternative“ in „Tagen“ in Aussicht gestellt. Habeck verwies zudem auf das Problem, dass ein Embargo Preissprünge auslösen und so dazu führen könne, dass Russland trotz weniger Öllieferungen mehr verdiene. „Dann haben wir mit Zitronen gehandelt“, sagte Habeck.

„In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz verlängern einzelne Unternehmen der Mineralölwirtschaft nun auslaufende Verträge mit russischen Produzenten nicht und ersetzen schrittweise russische Importe“, heißt es im Bericht des Wirtschaftsministeriums zur jüngsten Sitzung des Bundestagsenergieausschusses. „Veränderte Lieferketten werden voraussichtlich schon in den kommenden Wochen und Monaten wirksam.“ Unter anderem werde – auch in Gesprächen mit der polnischen Seite – geprüft, ob alternative Lieferungen von Rohöl „über Häfen wie Danzig und Rostock in Richtung ostdeutsche Raffinerien (Leuna, Schwedt) erfolgen können sowie gegebenenfalls zusätzliche Lieferungen von Mineralölprodukten aus Westdeutschland“.

Die ostdeutschen Raffinerien be­ziehen bisher nahezu ausschließlich russisches Rohöl, das über die Druschba-Pipeline nach Schwedt und Leuna geliefert wird. Auch Raffinerien in Westdeutschland können russische Lieferungen über andere Lieferwege substituieren. Auf diesem Wege wird eine vollständige Unabhängigkeit von russischem Öl „schnellstmöglich“ angestrebt. Mit dem Instrument der Ölreserve existiert ein auf Vorgaben der Internationalen Energieagentur (IEA) basierendes Instrument zur Sicherung der Versorgung. Zur Marktberuhigung hat sich die Bundesregierung im März im Rahmen der IEA an einer ersten Aktion zur Freigabe aus den nationalen Ölreserven in Höhe von 60 Mill. Barrel Rohöläquivalent mit 3,25 Mill. Barrel beteiligt. Der Erdölbevorratungsverband (Körperschaft des öffentlichen Rechts) hat diese Mengen auf dem Markt untergebracht. Eine zweite IEA-Ölfreigabe-Aktion in Höhe von insgesamt 120 Mill. Barrel wurde in der Sondersitzung des Verwaltungsrates auf Ministerebene im April beschlossen.

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