Shein weicht nach London aus
Shein weicht nach London aus
Noch kein grünes Licht aus Peking für Börsengang an der Themse – Ärger über chinakritische Äußerungen trübt die Stimmung
Der Einwegmodehersteller Shein hat Medienberichten zufolge Unterlagen für ein Initial Public Offering in London bei der britischen Finanzaufsicht eingereicht. Damit stünde der London Stock Exchange der seit langem größte Börsengang ins Haus. Doch die Fast-Fashion-Firma ist nicht allen willkommen.
hip London
Das chinesische Fast-Fashion-Unternehmen Shein hat sich umorientiert. Wie unterschiedliche Medien unter Berufung auf mit dem Vorgang vertraute Personen berichten, hat es diesen Monat Unterlagen für sein Initial Public Offering an der London Stock Exchange bei der britischen Finanzaufsicht FCA (Fiscal Conduct Authority) eingereicht. Ursprünglich wollte Shein die Wall Street ansteuern. Es geht um eine mögliche Bewertung von mehr als 60 Mrd. Dollar.
„Ob es sich hierbei um einen Versuch der Konsortialbanken handelt, das Feuer am Glühen zu halten, oder um die harte Nachricht, dass das IPO stattfindet, wird sich zeigen“, sagte der Analyst Dan Coatsworth von AJ Bell. Goldman Sachs, J.P. Morgan und Morgan Stanley gehen Shein bei den Vorbereitungen auf den Börsengang zur Hand.
Produktion im Reich der Mitte
Shein braucht für den Börsengang auch die Zustimmung der CSRC, der Wertpapieraufsichtsbehörde der Volksrepublik. Denn das Unternehmen hat zwar 2021 den Sitz nach Singapur verlegt. Die Produktion findet jedoch im Reich der Mitte statt.
Im November vergangenen Jahres hatte Shein Unterlagen für einen Börsengang in den Vereinigten Staaten bei der US-Wertpapieraufsicht eingereicht. Doch die ohnehin schlechten Beziehungen zwischen Washington und Peking trübten sich weiter ein.
Xinjiang im Fokus
Dem Unternehmen machten zudem Vorwürfe zu schaffen, es profitiere in seiner Beschaffungskette von Zwangsarbeit in der Provinz Xinjiang. Der US-Einzelhandelsverband National Retail Federation wies den Mitgliedschaftsantrag von Shein dem Sender CNBC zufolge wiederholt zurück.
Zudem stieß US-Abgeordneten sauer auf, dass Shein von einem Steuerschlupfloch profitierte. Das Unternehmen macht sich die sogenannte De-minimis-Regel zunutze, die es Importeuren erlaubt, Waren bis zu einem Wert von 800 Dollar in einem vereinfachten Verfahren zoll- und steuerfrei einzuführen. Das gilt für eine Einzelsendung pro Tag. Die Regel stammt aus dem Jahr 1930, als man sich nicht vorstellen konnte, in welchem Umfang man eines Tages Waren im Internet bestellen würde.
ESG wird zum Problem
Das Thema ESG wird in Großbritannien höher gehängt als in den Vereinigten Staaten. Doch ist von institutionellen Investoren zu hören, dass man einen Börsengang dieser Größenordnung trotz aller Bedenken nicht ignorieren könne. Sie würden also zeichnen. Gegenwind kommt aus dem Unterhaus. Vor allem konservative Hinterbänkler nehmen kein Blatt vor den Mund, was in Peking nicht gut ankommt.
Amnesty International forderte, die Regierung dürfe nicht zulassen, dass es zu einem „Unterbietungswettbewerb“ bei Unternehmens- und Arbeitsstandards komme. Kritik kam auch aus dem Wirtschafts-, dem Entwicklungshilfe- und dem Auswärtigen Ausschuss des House of Commons. Die Regierung ist entgegenkommender. Bereits im Februar traf sich Schatzkanzler Jeremy Hunt mit Donald Tsang, dem Executive Chairman von Shein.
Labour will das IPO
Labour steht dem umstrittenen IPO ebenfalls aufgeschlossen gegenüber. „Wenn sie im Vereinigten Königreich Geschäfte machen, sollten wir versuchen, sie von dort aus zu beaufsichtigen“, zitiert die „Financial Times“ Jonathan Reynolds, der im Falle eines Labour-Wahlsieges Wirtschaftsminister würde. „Wenn ein Listing in Erwägung gezogen wird, will ich, dass das in Großbritannien stattfindet, weil ich wüsste, dass wir auf diesem Weg die höchsten Standards durchsetzen könnten.“
Angeblich wird auch ein Börsengang in Hongkong in Erwägung gezogen. Wie die „South China Morning Post“ unter Berufung auf eine mit dem Vorgang vertraute Quelle berichtet, haben einige Shein-Investoren das Warten satt. Sie machten sich Sorgen um den begrenzten Wertzuwachs, den ein IPO in London bringen würde, und hätten darum gebeten, einen Rückkauf ihrer Anteile in Erwägung zu ziehen.
Der erste Risikokapitalgeber war Crunchbase zufolge Jafco Asia aus Singapur. Der Staatsfonds Mubadala aus Abu Dhabi und Tiger Global Management beteiligten sich im Zuge weiterer Finanzierungsrunden.