Venture Capital

Start-up-Investoren zwischen Hoffen und Bangen

Die Stimmung unter europäischen Venture-Capital-Gebern lässt sich dieser Tage wohl eher als gemischt bezeichnen. Zwar stellen sich die Investoren kurzfristig auf eine Verbesserung ihrer Geschäftslage ein. Langfristig haben sich die Aussichten jedoch verdüstert.

Start-up-Investoren zwischen Hoffen und Bangen

Gemischte Gefühle bei Start-up-Investoren

Europäischer Investitionsfonds: Erwartungen an die nächsten zwölf Monate gestiegen – Langfristiger Ausblick verschlechtert

kro Frankfurt

Start-up-Investoren in Europa stellen sich nach zwei Jahren voll konjunkturellen und geopolitischen Gegenwinds laut einer Studie zumindest kurzfristig wieder auf bessere Zeiten ein. Während sich die Einschätzung zur aktuellen Geschäftslage von 472 Befragten aus der Venture-Capital-Branche im laufenden Jahr erneut verschlechtert hat und mittlerweile unter dem Niveau der Corona-Pandemie liegt, sind die Erwartungen an die nächsten zwölf Monate gestiegen. Das geht aus einer Studie des Europäischen Investitionsfonds (EIF) hervor, die in Zusammenarbeit mit dem Private-Capital-Verband Invest Europe erstellt wurde.

Die Studie zeigt aber auch: Langfristig sind die Investoren weniger optimistisch eingestellt. Noch nie seit dem Beginn der Erhebungen im Jahr 2018 sei das Maß an Zuversicht für die langfristigen Wachstumsaussichten der Branche so niedrig gewesen wie in diesem Jahr, heißt es.

"Das europäische Venture-Capital-Ökosystem befindet sich ohne Zweifel in einer herausfordernden Phase", schrieb der Chefökonom des EIF, Helmut Kraemer-Eis. Neben der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine hätten der Branche zuletzt auch der Energiepreisschock, die hohe Inflation und die gestiegenen Zinsen zu schaffen gemacht. Die Herausforderungen beschäftigten die Branche nun schon seit einiger Zeit und hätten zu einem schwächeren Fundraising- und Exit-Umfeld geführt.

Sorge vor Insolvenzen

Tatsächlich hat sich für Venture-Capital-Geber der Wind nach dem überhitzten Jahr 2021 deutlich gedreht. Die Investmentaktivitäten wurden im Zuge der wirtschaftlichen Unsicherheiten stark heruntergefahren, die Bewertungen sind teils kräftig gesunken und der Anteil jener Investoren, deren Portfoliounternehmen zuletzt hinter den geschäftlichen Erwartungen zurückgeblieben sind, ist von 12% im Jahr 2021 auf nun 45% gestiegen. Zugleich berichten immer mehr Geldgeber über Schwierigkeiten ihrer Beteiligungen, an externes Wachstumskapital zu kommen.

Infolgedessen rechnen mittlerweile 43% damit, dass mindestens 1% ihrer Portfoliounternehmen in Zukunft pleitegehen könnte. Noch nie seit Beginn der Studienreihe sei der Anteil so hoch gewesen. Dabei haben Insolvenzen schon in diesem Jahr mit 26% einen deutlich höheren Anteil bei den Exit-Varianten ausgemacht als 2022. Auch ist es verhältnismäßig öfter zu einem Verkauf an Finanzinvestoren gekommen. Börsengänge haben hingegen klar an Bedeutung verloren; auch der Anteil der Verkäufe an strategische Käufer ist zurückgegangen.

Hoffnung auf bewährte Hotspots

Mit Blick nach vorn seien dennoch "Zeichen der Hoffnung für eine Trendwende" zu erkennen, so EIF-Chefökonom Kraemer-Eis. So haben sich bei 58% der befragten Wagniskapitalgeber die Erwartungen an die eigene Geschäftsentwicklung in den nächsten zwölf Monaten verbessert; im vergangenen Jahr lag der Anteil noch bei 43%. Der Anteil jener, die von einer Verschlechterung der Geschäftslage ausgehen, hat sich hingegen deutlich von 23% auf nun 8% verringert.

Vor allem beim Einwerben von Kapitalzusagen, aber auch bei der Suche nach Co-Investoren rechnen die VC-Firmen zumindest im nächsten Jahr mit weniger Schwierigkeiten. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr erwarten zugleich wieder deutlich mehr Firmen, dass sich der Zugang ihrer Start-up-Beteiligungen auf kurze Sicht einfacher gestalten dürfte.

In der regionalen Betrachtung liegen die allgemeinen Hoffnungen der Branche vor allem auf den Start-up-Hochburgen Deutschland, Großbritannien und Frankreich. Dabei schätzen die Investoren hierzulande laut der Umfrage unter anderem das "erstklassige Ökosystem" und die "akademische Exzellenz" in Sachen Technologie (vor allem im Bereich Climate Tech). Der Markt in Großbritannien überzeugt daneben mit schierer Größe, dem guten Zugang zu Kapital und der Betonung auf Trendthemen wie künstliche Intelligenz oder Life Science. Frankreich wird unter anderem wegen des starken Rückhalts in der Regierung für die Branche als vielversprechend erachtet.

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