Startup-Investoren wetten auf Elektroflugzeug aus München
Investoren wetten auf Elektroflugzeug aus München
Start-up Vaeridion sammelt in Series-A 14 Mill. Euro ein – Berliner Wagniskapitalgeber World Fund führt Runde an – Erste Testflüge für 2027 geplant
kro Frankfurt
Bezahlbare und emissionsfreie Kurzstreckenflüge sind trotz der Finanzierungsschwierigkeiten von Flugtaxi-Entwicklern für junge Luftfahrt-Unternehmen noch nicht vom Tisch. Das zeigt das Beispiel von Vaeridion, einem Münchener Entwickler von batteriebetriebenen Kleinflugzeugen, der in einer Series-A-Finanzierungsrunde nun 14 Mill. Euro eingesammelt hat.
Der Deal wurde vom Berliner Climate-Tech-Investor World Fund angeführt, wie das 2021 gegründete Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Beteiligt haben sich daneben erneut die von Uwe Horstmann mitgegründete VC-Gesellschaft Project A Ventures, Vsquared Ventures aus München sowie der Finanzcheck-Gründer, Angel Investor und Luftfahrt-Ingenieur Andreas Kupke (der seinerseits, genauso wie Vsquared, auch schon Geld in das Münchener Raketen-Start-up Isar Aerospace gesteckt hat). Als neue Investoren sind zudem die Schwarz Holding (das Family Office des IABG-Geschäftsführers Rudolf Schwarz) sowie die niederländische Wirtschaftsentwicklungsagentur InnovationQuarter hinzugekommen.
Produktion in München geplant
Der Markt für regionale Luftfahrt soll laut Branchenbeobachtern in den kommenden Jahren wachsen, wobei Regierungen – speziell in den skandinavischen Ländern – hier zunehmend klimaschonende Technologien einfordern. In Schweden und Dänemark sind fossile Brennstoffe auf Inlandsflügen beispielsweise ab dem Jahr 2030 verboten, in Norwegen soll das ab dem Jahr 2040 gelten.
Mit seinem sogenannten „Microliner“, einem vollelektrischen Kleinflugzeug mit neun Sitzen und bis zu 500 Kilometern Reichweite, verspricht sich Vaeridion vor dem Hintergrund einiges. 2027 sollen die ersten Testflüge und bis 2030 die ersten kommerziellen Flüge erfolgen. Dann will das Start-up laut aktuellem Zeitplan auch die Serienproduktion in oder bei München aufgenommen haben – etwa 100 Stück sollen es anfangs pro Jahr sein. Wo die Nachfrage absehbar besonders hoch ausfalle, etwa in den skandinavischen Ländern, könne man sich auch vorstellen, zusätzliche Werke für die Endmontage zu errichten, sagt Mitgründer und CEO Ivor van Dartel.
Der gebürtige Niederländer sieht bei seinem Kleinflugzeug mehrere Vorteile. „Unser Flugzeug ist ein klassisches Flächenflugzeug, das von schon vorhandenen Flugplätzen aus betrieben werden kann“, sagt er. Anders als bei neuartigen Konzepten wie eVTOLs (also Helikopter-ähnliche, senkrecht startende und landende Fluggeräte) gebe es bei kleinen Festflügelflugzeugen wie dem von Vaeridion zudem etablierte Regulierungsverfahren. „Mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit haben wir als erstes E-Luftfahrtunternehmen überhaupt einen Pre-Application Contract abgeschlossen, wobei wir die wichtigsten Zulassungsfragen schon verbindlich vorab geklärt haben“, sagt van Dartel. „Insofern ist das Thema Zulassung für uns kein großes Risiko.“
Ein großer Pluspunkt sei zudem der Preis. „Dank des elektrischen Antriebsstrangs sind die Betriebskosten so gering, dass Betreiber inländische Flüge schon für neun Fluggäste wirtschaftlich anbieten können. Sie können dadurch auch kürzere Verbindungen reaktivieren, die es heute nicht mehr gibt, zum Beispiel von Friedrichshafen nach Stuttgart, von Mannheim nach Nürnberg oder von Mönchengladbach nach Kiel.“ Damit sich solche Distanzen überhaupt rechnen, hätten Betreiber früher viel größere Flieger erst einmal vollkriegen müssen.
Konkurrenz zur Bahn
Die niedrigen Kosten würden das elektrische Fliegen denn auch gegenüber dem Bahnverkehr in der ersten Klasse künftig konkurrenzfähig machen, sagt van Dartel und rechnet vor: „Damit die Betreiber ab dem Jahr 2030 noch eine schöne Gewinnmarge haben, müsste der Flugpreis ungefähr bei 60 Cent pro Kilometer liegen. Wenn Sie also beispielsweise 300 Kilometer fliegen wollen, dann landen Sie bei einem Ticketpreis von rund 180 Euro.“
Pro Jet will Aeridion künftig in etwa 5 Mill. Euro verlangen. Das Angebot soll sich zunächst an Geschäftsreisende richten und später auch Teil des generellen Reiseverkehrs werden. In einer Kooperation mit der ADAC-Tochter Aero-Dienst, die unter anderem Ambulanzflüge anbietet, untersucht Vaeridion zudem Einsatzmöglichkeiten für Krankentransporte.
Neben Aero-Dienst gehören derzeit unter anderem noch die dänische Fluggesellschaft Copenhagen Air Taxi und der belgische Privatjet-Betreiber ASL Group zu den Kunden. Man arbeite jetzt daran, erste verbindliche Kaufverträge abzuschließen, sagt van Dartel.
Customcells liefert Batterien
Die Münchener, die in der Entwicklung elektrischer Kleinflugzeuge unter anderem mit den US-amerikanischen Firmen Eviation und Bye Aerospace sowie mit der schwedischen Heart Aerospace konkurrieren, wollen künftig aber nicht nur mit dem Bau und der Auslieferung von E-Flugzeugen Geld verdienen, sondern auch mit Wartungsdienstleistungen. „Wir werden Flugzeuge bauen und ausliefern. Daneben werden wir über Serviceverträge in der Flotte die Batterie-Module austauschen, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben“, sagt van Dartel.
Die Module sollen nach dem Einsatz in den Fliegern als Second-Liefe-Batterien Verwendung finden, beispielsweise in Stromspeichern. Danach sollen sie recycelt werden. Das Start-up bezieht seine Batteriezellen unter anderem von dem norddeutschen Start-up Customcells, das Ende 2022 unter anderem von Porsche und World Fund rund 60 Mill. Euro eingesammelt hatte.
Vaeridion hat seinerseits neben der Wagniskapitalspritze auch Forschungsgelder in Höhe von 1,4 Mill. Euro von bayerischen und deutschen Behörden erhalten. Mit den Mitteln sollen nun laut Mitteilung unter anderem weitere Führungspositionen im Team besetzt „und das kommerzielle Wachstum des Unternehmens“ vorangetrieben werden.