Tauziehen um Nachhaltigkeits-Reporting
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
In den Bemühungen um eine international einheitliche Nachhaltigkeitsberichterstattung zeichnen sich harte Auseinandersetzungen ab. Nachdem das neue grüne Bilanzgremium International Sustainability Standards Board (ISSB) und das Pendant auf EU-Ebene, die European Financial Advisory Group (Efrag), erste Standardentwürfe skizziert haben, wächst im Markt die Sorge, dass es nicht zu einem abgestimmten Vorgehen beider Gremien kommen wird.
Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) und die französische Partnerorganisation Association française des entreprises privées (Afep) äußern in einem gemeinsamen Schreiben an EU-Kommissarin Mairead McGuinness ernste Bedenken, wonach überbordende Komplexität und mangelnde Priorisierung der EU-Standards die Zweckmäßigkeit und Informationsqualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung gefährden könnten.
Die Emittentenvertreter zeigen sich äußerst besorgt über die bisher von Efrag herausgegebenen Arbeitspapiere. Seit Mitte Januar habe das mit der EU-Standardsetzung beauftragte Gremium Hunderte Seiten veröffentlicht, die 24 vorgelegten Standardentwürfe umfassten rund 200 Veröffentlichungspflichten garniert mit 200 Anwendungsleitlinien, die mehr als Tausend Datenangaben enthielten. Dieses umfangreiche Regelwerk solle künftig noch ergänzt werden durch sektorspezifische Veröffentlichungspflichten, monieren die beiden Verbände in ihrem Brandbrief nach Brüssel.
DAI und Afep heben hervor, dass aus Sicht der Unternehmen eine global einheitliche Nachhaltigkeitsberichterstattung entscheidend und unverzichtbar ist. Efrag und EU-Kommission werden von beiden Emittentenorganisationen mit Nachdruck aufgefordert, in ihrer Regulierung auf den künftigen Standards des ISSB aufzubauen und nur unbedingt notwendige Offenlegungsvorgaben zu ergänzen, die eine spezifische EU-Perspektive widerspiegeln.
„Deutsche und französische Emittenten unterstützen die Arbeit des ISSB voll und ganz und lehnen abweichende Informationsanforderungen zu ESG-bezogenen, finanziell wesentlichen Sachverhalten ab“, heißt es in dem Brief von DAI und Afep – unterzeichnet von den beiden Präsidenten: BASF-Finanzchef Hans-Ulrich Engel und Unternehmer Laurent Burelle.
Efrag will nach Vorlage ihrer ersten Arbeitspapiere bis Ende April ausformulierte Standardentwürfe für die Nachhaltigkeitsberichterstattung präsentieren. Dass jüngst gegründete ISSB, bislang erst mit dem Vorsitzenden Emmanuel Faber und seiner Stellvertreterin Sue Lloyd besetzt, hat Anfang April zwei Standardentwürfe vorgelegt – aufbauend auf Vorarbeiten der sei März 2021 installierten Technical Readiness Working Group (TRWG). Im ersten Standardvorschlag des ISSB geht es um Vorschriften für die Angabe von nachhaltigkeitsbezogenen Finanzinformationen, also die Architektur des künftigen Regelwerks. Im zweiten Entwurf dreht es sich um klimabezogene Angaben – dies ist der erste Themenstandard und verpflichtet die Unternehmen, klimabezogene Risiken und Chancen offenzulegen. Die Kommentierungsfrist läuft hier bis 29. Juli 2022; am 28. April bietet das ISSB ein Internetseminar zu seinen ersten Standardentwürfen an.
Auch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) appelliert an ein einheitliches Vorgehen der Regulierer. „Ein Nebeneinander eines verpflichtend anzuwendenden europäischen Standards einerseits und internationaler Standards andererseits sollten wir vermeiden“, fordert IDW-Vorstandssprecher Klaus-Peter Naumann. Die nachhaltige Transformation könne nur durch globale Zusammenarbeit gelingen. Dies sollte auch für Berichtsstandards gelten. Allein schon aufgrund globaler Lieferketten und der Nutzung finanzieller und nicht-finanzieller Ressourcen benötigen die Stakeholder laut IDW eine global vergleichbare Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Ein Flickenteppich wäre mit Mehrkosten insbesondere für die Unternehmen verbunden, so die Befürchtung. Die Prüfer empfehlen, für weltweit tätige Unternehmen einen internationalen Standard zu entwickeln. Dieser könnte dann – wie bei den International Financial Reporting Standards (IFRS) üblich – durch den bekannten Endorsement-Mechanismus in EU-Recht übernommen werden, meint Naumann.
Hoher Aufwand befürchtet
Unterschiedliche Berichtsstandards wären auch für die Adressaten mit einem erhöhten Aufwand verbunden, gibt das IDW zu bedenken. Je nach Region würden den Stakeholdern unterschiedliche und nicht direkt vergleichbare Informationen zur Verfügung gestellt. „Auch die Wirtschaftsprüfer haben kein Interesse daran, dauerhaft unterschiedliche Regelwerke bei den Unternehmen zu testieren. Das vergrößert den Aufwand, erhöht die Kosten und erschwert die nachhaltige Transformation der Wirtschaft“, fasst Naumann zusammen.