Tencent steht mit dem Rücken zur Wand
nh Shanghai
Chinas führendem Internetkonzern Tencent Holdings droht eine neue Breitseite seitens heimischer Regulatoren, die mit heftigen Strafen, Datensicherheitsauflagen sowie geschäftlichen Restriktionen einhergehen könnte und die Anleger in die Flucht schlägt. Am Montag brach die Aktie des wertvollsten asiatischen Technologieunternehmens inmitten der bereits laufenden Tech-Baisse um fast 10% auf ein neues Zweijahrestief ein.
Weiße Weste in Gefahr
Für große Unruhe sorgt ein Bericht des „Wall Street Journal“, dem zufolge Tencent mit ihrem in China allgegenwärtigen Smartphone-Bezahlungssystem Wechat Pay Geldwäschebestimmungen unterlaufen und gegen Datensicherheitsregeln verstoßen haben könnte. Gegenwärtig soll eine von der chinesischen Zentralbank angestrengte Untersuchung über eine illegale Verwendung der Zahlungsplattform unter anderem bei direkten Personentransfers laufen, die für Tencent gerade im Kontext der drastischen Regulierungskampagne im chinesischen Techsektor unangenehme Konsequenzen haben könnte. Tencent ist im bisherigen Verlauf des auch von politischen Aspekten geprägten Pekinger Feldzuges gegen führende Internetunternehmen und App-Betreiber nie in einen offensichtlichen Konflikt mit der Obrigkeit geraten oder Gegenstand von direkten Strafmaßnahmen und Geldbußen geworden. Auch kam es nicht zu öffentlichen Anfeindungen gegen Tencents Gründer und Chairman Ma Huateng. Dies unterscheidet Tencent wesentlich vom rivalisierenden Tech-Imperium rund um den Onlinehändler Alibaba und die Fintech-Schwester Ant Group, deren Gründer Jack Ma in Peking in Ungnade gefallen ist.
Ant Group, die über das Zahlungssystem Alipay in direkter Konkurrenz mit Wechat Pay steht, wurde im Oktober 2020 nicht nur der potenziell weltgrößte Börsengang untersagt, sondern sie musste zudem ihr gesamtes Fintech-Geschäft völlig umkrempeln und in eine gesondert regulierte Finanzholding einbringen, was mit drastischen Werteinbußen einhergeht und künftiges Ertragspotenzial einschränkt.
Alibaba wiederum bekam wegen Marktmarktmissbrauchs im Kerngeschäft mit E-Commerce-Plattformen eine rekordhohe Verfahrensstrafe über umgerechnet gut 1,5 Mrd. Euro aufgebrummt. Tencent hatte bislang keine wesentlichen Einschränkungen in ihrem Fintech-Geschäft zu spüren bekommen, könnte aber angesichts der in China äußerst sensiblen Thematik rund um private Geldtransfers und Kapitalverkehrskontrollen in ernstere Schwierigkeiten geraten. Dabei fürchten Marktteilnehmer weniger die Höhe etwaiger Geldstrafen als mögliche Beschränkungen, die Tencents künftige Fintech-Aktivitäten kompromittieren. Zudem besteht die Gefahr, dass die Gesellschaft stärker in Pekings Schusslinie gerät und im Kerngeschäft mit Onlinespielen härter angefasst wird.
1,1 Bill. Dollar verdampft
Angesichts der immer größeren Unsicherheit der Anleger über Ausmaß und Dauer der chinesischen Tech-Kampagne schwinden damit auch die Chancen auf eine baldige Sentimentsaufhellung am Markt, mit einer nachhaltigen Aufhol-Rally von Tencent und Alibaba. Zusammengenommen ist die Börsenmarktkapitalisierung der beiden Platzhirsche in Chinas Tech-Szene seit dem Ausbruch der Regulierungsoffensive bereits um mehr als 1,1 Bill. Dollar geschrumpft.