Zustimmung zu Milliarden-Vergütung

Tesla-Aktionäre stellen Musk Freifahrtschein aus

Die Tesla-Aktionäre haben einem im Januar noch von einem Gericht gekippten Milliarden-Vergütungspaket für Elon Musk zugestimmt. Der Aktie verleiht dies Auftrieb – doch weder die Investorenkritik am CEO noch die Zweifel an der Zukunftsperspektive des E-Autobauers reißen ab.

Tesla-Aktionäre stellen Musk Freifahrtschein aus

Tesla-Aktionäre stellen Musk Freifahrtschein aus

Hauptversammlung stimmt für milliardenschweres CEO-Vergütungspaket – Vorwurf unzulässiger Einflussnahme auf Votum wird laut

xaw New York

Die Anteilseigner von Tesla haben Elon Musk einen Freifahrtschein ausgestellt. Bei der Hauptversammlung des E-Autobauers am Donnerstag stimmten sie für zwei Anträge, für die der umstrittene Vorstandschef massiv die Trommel gerührt hatte: ein milliardenschweres CEO-Vergütungspaket und einen Umzug der Eintragung als Kapitalgesellschaft von Delaware nach Texas. Musk ließ sich darauf von den ausgewählten Investoren feiern, die das Unternehmen zum Präsenzteil des hybriden Aktionärstreffens zugelassen hatte.

Erleichterte Analysten

Die Tesla-Aktie legte schon im Handelsverlauf am Donnerstag kräftig zu, nachdem Musk auf der Plattform X (ehemals Twitter) am Mittwoch vorläufige Abstimmungsergebnisse geteilt hatte. „Danke für eure Unterstützung!“, schrieb der Milliardär unter zwei Grafiken, gemäß denen die Pro-Stimmen für die beiden Kernanträge über den erforderlichen Schwellen lagen. Die Analysten der Investmentfirma Wedbush Securities kommentierten, die Abstimmungsergebnisse beseitigten ein Abwärtsrisiko von 20 bis 25 Dollar für die Aktie, die sich nach Eröffnung in New York am Freitag stabil hielt.

Denn im Unternehmen ging im Vorfeld die Sorge um, dass Musks Fokus auf die Produktinnovation unter einer Ablehnung der Anträge durch die Aktionäre leiden könnte. Den Abgang aus Delaware begann der Milliardär Ende Januar vorzubereiten, als ein Gericht in dem wegen günstiger Steuerregeln bei Unternehmen beliebten Ostküstenstaat ein Vergütungspaket für den 52-Jährigen kippte. Der Prozess bis zur Freigabe des Kompensationsplans durch die Aktionäre im Jahr 2018 sei „mit tiefen Mängeln behaftet“ gewesen.

Die Gigafactory von Tesla in Austin: Das Unternehmen verschiebt seine Eintragung als Kapitalgesellschaft von Delaware nach Texas. Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Eric Gay.

Dabei warfen die Richter die Frage auf, ob Musks Verbindungen zum Tesla-Verwaltungsrat, von dessen Spitze er nach einer Auseinandersetzung mit der Börsenaufsicht SEC um mutmaßliche Marktmanipulation 2018 zurücktreten musste, noch immer zu eng seien. Aktionäre beschuldigten Direktoren, sie hätten bei der Zusammenstellung des Vergütungspakets rein in Musks Interesse gehandelt und Investoren getäuscht.

Milliardenschweres Paket

Der Verwaltungsrat vereinbarte mit dem CEO zwölf Zielmarken in Bezug auf die Marktkapitalisierung, die Erlöse und den Gewinn. Übertraf der E-Autobauer diese Schwellen, erhielt Musk jeweils Aktienoptionen. Bisher hat er keine der verbundenen Anteile beansprucht. Nach der erneuten Zustimmung der Aktionäre könnte er sich aber bis zu 304 Millionen Aktien zu 2018 erreichten Kursniveaus sichern – abzüglich der Kosten für die Ausübung käme das Paket derzeit damit auf einen Gesamtwert von 46 Mrd. Dollar.

Bevor das Gericht die Vergütungsvereinbarung kippte, schrieb Musk auf X, dass er es vorziehen würde, KI- und Robotikanwendungen andernorts zu entwickeln, sofern er nicht rund 25% der Tesla-Anteile kontrolliere. Bisher ist er mit einem Gewicht von rund 12,9% größter Aktionär. Für Tesla gilt die Entwicklung neuer Produkte als entscheidend, nachdem Kunden zuletzt das Interesse an der alten Fahrzeugpalette verloren hatten und Auslieferungen und Erlöse im ersten Quartal erstmals seit vier Jahren zurückgegangen waren. Neue Absatzdaten legt das Unternehmen Anfang Juli vor.

Margen unter Druck

Versuche, die Auslieferungen durch Rabatte zu stützen, haben die in der Branche einst neidvoll beäugten Margen des E-Autobauers unter Druck gesetzt, während sich der Konkurrenzkampf in China verschärft hat. Die Analysten von Gartner betonen, dass Tesla ein neues Reichweitenmodell benötige, um die Auslieferungen zu erhöhen. Im April kurbelte das Unternehmen die zuvor gebeutelte Aktie mit der Mitteilung an, es habe „das zukünftige Fahrzeug-Line-up aktualisiert“, um „den Launch neuer Modelle noch vor unserem eigentlich kommunizierten Produktionsstart in der zweiten Hälfte 2025“ beschleunigen zu können.

Tesla Model Y mit Autopiloten im Einsatz: Mit seinen Fahrassistenztechnologien ist das Unternehmen auf zahlreiche Probleme gestoßen. Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer.

Unter Aktionären herrscht indes Verwirrung darüber, inwieweit Tesla daneben andere Zukunftsprojekte wie das autonome Fahren priorisiert. In Bezug auf seine Fahrassistenztechnologien hat das Unternehmen nach Kundenbeschwerden, Rückrufen und regulatorischen Untersuchungen zuletzt mehrere Rückschläge erfahren. Die Vorstellung eines Robotaxis hat Musk indes für den 8. August angekündigt – bis das Modell aber erstmals ausgeliefert wird, können laut Analysten allerdings Jahre vergehen.

Robotaxi-Dienste gelten für Autobauer als Chance, um Daten zum autonomen Fahren zu sammeln und Kunden an ihre Assistenzsysteme heranzuführen. Die Entwicklung weitgehend selbstfahrender Autos für Endkunden, deren Marktreife nach Ansicht von Analysten noch Jahrzehnte entfernt sein könnte, ist entscheidender Bestandteil der Kapitalmarktstory, mit der Musk die selbst im Vergleich zu anderen Magnificent-Seven-Aktien wie Apple, Alphabet oder Microsoft hohe Bewertung zu untermauern sucht. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Tesla auf Basis der Profitschätzungen für die kommenden zwölf Monate liegt bei nahezu 65, der Wandel vom Fahrzeughersteller zum durch künstliche Intelligenz angetriebenen Unternehmen soll dies rechtfertigen.

Tanz auf mehreren Hochzeiten

Musk als Gesicht der Innovationsbemühungen von Tesla tanzt derweil auf mehreren Hochzeiten. So diskutiert er laut Insidern über eine Beratungsrolle für das Weiße Haus für den Fall, dass Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen im November für sich entscheidet. Zugleich arbeitet Musk daran, Frieden mit Jamie Dimon, dem CEO von J.P. Morgan, zu schließen – Tesla führt mit dem größten US-Geldhaus seit Jahren einen Rechtsstreit über Trading-Gebühren.

Donald Trump und Elon Musk diskutieren angeblich über eine mögliche Beratunsgrolle des Tesla-Chefs für das Weiße Haus. Foto: picture alliance / NurPhoto | Jakub Porzycki.

Zugleich kritisieren Investoren, dass kontroverse Auftritte Musks und seine Unterstützung für antisemitische Social-Media-Posts das Image der Marke Tesla entscheidend beschädigt hätten. Gerade in diesem Kontext sieht eine einflussreiche Gruppe von Anlegern die Vergütung als unmäßig an. Denn während Börsenstars wie Ark-Invest-Chefin Cathie Wood und Tom Slater, der mit dem Scottish Mortgage Investment Trust das Flaggschiffvehikel des Vermögensverwalters Baillie Gifford lenkt, die umstrittenen Anträge im Vorfeld unterstützten, positionierten sich die beiden größten Stimmrechtsberater Institutional Shareholder Services und Glass Lewis dagegen.

Chancen für Kritiker

„Die Vergütung ist verglichen mit jener von Führungskräften der Konkurrenz übertrieben, zieht eine Verwässerung für Bestandsaktionäre nach sich und ist nicht an die langfristige Profitabilität von Tesla geknüpft“, schimpfte auch Marcie Frost, Chefin der größten US-Pensionskasse Calpers, im Vorfeld des Aktionärstreffens. Mit einer Beteiligung im Gegenwert von 1,67 Mrd. Dollar zählt ihr Fonds, der Renten- und Pensionsansprüche für mehr als 2 Millionen aktuelle und ehemalige Beschäftigte im öffentlichen Dienst verwaltet, zu den 25 größten Einzelaktionären von Tesla. Musk kritisierte Frosts Ankündigung, gegen seine Vergütung votieren zu wollen, auf Social Media scharf.

Für Musk-Kritiker sehen Wirtschaftskanzleien unterdessen Chancen, das Votum auf der Hauptversammlung anzufechten. Die Social-Media-Posts des Milliardärs zur Beipflichtungsquote für seinen Kompensationsplan und den Abzug aus Delaware erfolgten schließlich, während die Abstimmung noch lief und Aktionäre ihre Meinung noch ändern konnten. Damit könnten potenzielle Kläger argumentieren, dass Musk Investoren unzulässig beeinflusst habe.

Die größte US-Pensionskasse Calpers hat sich gegen Elon Musks Milliarden-Vergütungspaket ausgesprochen. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Xavier Mascarenas.

Die Analysten von J.P. Morgan verglichen den Stimmrechtsprozess auf der diesjährigen Hauptversammlung mit jenem im Vorfeld der Übernahme des Solarstrom-Anlagenbauers Solar City im Jahr 2016. Auch damals hätten Aktionäre die Pläne inhaltlich nicht unterstützt und dennoch mit „Ja“ votiert – aus Furcht davor, dass ein De-facto-Misstrauensvotum gegen Musk den Aktienkurs stark unter Druck setzen würde. Nun soll der nächste Freifahrtschein für den CEO die Wertschöpfung wieder ankurbeln.

Die Tesla-Aktionäre haben einem im Januar noch von einem Gericht gekippten Milliarden-Vergütungspaket für Elon Musk zugestimmt. Der Aktie verleiht dies zunächst Auftrieb – doch weder die Investorenkritik am Vorstandschef noch die Zweifel an der Zukunftsperspektive des E-Autobauers reißen damit ab.