Im Interview: Jutta Dönges und Eddy Henning

Uniper läuft sich für Re-IPO warm

Unter Hochdruck arbeitet Uniper daran, wieder kapitalmarktfähig zu werden. Mit der Aufstockung der syndizierten Kreditlinie ist ein weiterer Meilenstein erreicht. Am Ende entscheidet aber der Bund, wann und wie es weitergeht.

Uniper läuft sich für Re-IPO warm

IM INTERVIEW: JUTTA DÖNGES UND EDDY HENNING

Uniper läuft sich für Rückkehr an die Börse warm

Syndizierte Kreditlinie als Meilenstein auf dem Weg zur Kapitalmarktfähigkeit – ING-Vorstand Henning: Nachhaltigkeit und ESG werden gerade erwachsen

Schritt für Schritt streift Uniper die Staatsfesseln ab. Nach der wiedergewonnen Kapitalmarktfähigkeit am Fremdkapitalmarkt hofft Finanzchefin Jutta Dönges auf ein Re-IPO. Für Eddy Henning, Firmenkundenvorstand von ING Deutschland, ist Uniper die Blaupause dafür, wie der Bund die Energiewende begleitet.

Frau Dönges, warum haben Sie die ING Deutschland als Koordinator für ihre syndizierte Kreditlinie ausgewählt?

Dönges: Uniper und ING haben eine über viele Jahre gewachsene Beziehung. Das besondere an der Revolving Credit Facility (RCF) ist, dass sie an Nachhaltigkeitskriterien gekoppelt ist. Es ist unsere erste Sustainability-linked RCF. Wir haben einen Partner gesucht, der gerade im Thema ESG viel Erfahrung besitzt. Das Ergebnis kann sich sehr gut sehen lassen.

Ist das Thema ESG inzwischen nicht schon wieder überholt? In den USA soll es mancherorts geradezu verpönt sein.

Dönges: Der ESG-Hype ist tatsächlich etwas abgeflacht. Jetzt kehrt ein Stück weit Normalität ein.

Henning: Es mag sein, dass der ESG-Hype vorbei ist. Im Vordergrund steht aber, dass Nachhaltigkeit und ESG gerade erwachsen werden. Es geht nicht um den ESG-Stempel. Der verliert an Bedeutung. Viel wichtiger ist, dass heute verstanden wird, was getan werden muss.

Wie sieht das aus Investorensicht aus? Ist es bei Kapitalmarktfinanzierungen inzwischen Pflicht, dass Instrumente wie Schuldscheine oder Bonds mit einer Nachhaltigkeitskomponente versehen sind?

Um am Kapitalmarkt attraktiv zu sein, müssen Unternehmen aus bestimmten Industrien erläutern, wie der Weg zur Klimaneutralität aussehen soll.

Eddy Henning. Firmenkundenvorstand ING Deutschland

Henning: Pflicht ist es natürlich noch nicht, zunehmend inakzeptabel ist aber, die Veränderungen der Zeit zu ignorieren. Klimawandel und seine Bekämpfung sind Makrotrends, die global stattfinden. Viele Unternehmen haben sich selbst eine Strategie gegeben, wie ihr Weg zur Klimaneutralität aussieht. Das ist genauso gültig und relevant.

Dönges: Gerade in Europa kommt fast ein Viertel der Assets under Management aus ESG-Fonds. Viele andere Fonds haben in ihren Anlagekriterien bestimmte Vorgaben, die ESG-Themen betreffen. Aus Investorensicht ist das Thema – zumindest in Europa – von großer Bedeutung. Ich glaube, das wird eher noch zunehmen. Zugleich erleben wir gerade eine Art Realitätscheck, sowohl die Unternehmen als auch die Politik. Es gibt Unternehmen, die ihre ambitionierten Ziele teilweise zurückgenommen haben.

Straft der Kapitalmarkt so etwas ab?

Henning: Es gibt zumindest kein Unternehmen, das seine Ziele komplett gestrichen hat. Um am Kapitalmarkt attraktiv zu sein, müssen Unternehmen aus bestimmten Industrien erläutern, wie der Weg zur Klimaneutralität aussehen soll. Das trifft beispielsweise auf Uniper zu.

Sie haben die Kreditlinie an Nachhaltigkeitsziele gekoppelt. Welche Ziele sind das und was passiert, wenn Uniper die Ziele verfehlt?

Dönges: Die RCF ist an die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien gekoppelt. Es gibt ein Konditionenraster. Je nachdem wie viele Ziele erreicht werden, gibt es eine Verbesserung oder Verschlechterung der Konditionen.

Verraten Sie uns, wie viele Basispunkte eine Zielverfehlung ausmacht?

Dönges: Das unterliegt der Vertraulichkeit.

Ist das finanziell spürbar oder nur lästig?

Dönges: Das ist durchaus spürbar. Wir reden über ein Kreditvolumen von bis zu 3 Mrd. Euro. Ein paar Basispunkte mehr oder weniger, die machen sich da schon bemerkbar. Viel wichtiger aber ist der Vertrauensverlust, der mit einer Zielverfehlung einherginge. Das würde Anschlussfinanzierungen oder das Platzieren von Bonds erschweren.

Was passiert aus Bankensicht mit dem Bonus oder Malus? In der Außenwirkung ist es nicht so schön, wenn eine Bank daran Geld verdient, dass ein Unternehmen seine Klimaziele verfehlt?

Henning: Glücklicherweise mussten wir uns mit dieser Frage noch nicht beschäftigen. Nahezu alle von uns finanzierten Unternehmen bleiben auf ihrem Klimapfad oder übererfüllen ihn. Da die Begleitung des Übergangs von braun zu grün auf unserer Prioritätenliste ganz oben steht, müssen wir den Weg aber auch incentivieren. Ein anderer Aspekt ist das Risiko. Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeit im Griff haben, sind in der Regel auch das bessere Kreditrisiko. Langfristig sollte uns das also nicht weh tun.

Wir berücksichtigen den Staat im Hintergrund, Uniper ist für uns aber kein Staatsunternehmen.

Eddy Henning

Stichwort: Kreditrisiko. Inwieweit spielte bei der Konditionenfindung die implizite Staatsgarantie – Uniper befindet sich fast vollständig im Staatsbesitz – eine Rolle?

Henning: Der Zeitpunkt ist bei dieser Thematik entscheidend. Schon heute kann man sehen, dass das Geschäftsmodell von Uniper auch ohne den Staat funktionieren wird. Am Anfang des Prozesses spielt die implizite Hilfe natürlich eine Rolle. Aber wenn man sich das Ziel und die Laufzeit anschaut, ist klar, dass Uniper am Ende auf eigenen Beinen stehen wird.

Die Kreditlaufzeit beträgt drei Jahre und der Staat muss seine Beteiligung gemäß EU-Auflagen bis 2028 auf eine Sperrminorität zurückfahren.

Henning: Zu dem Zeitpunkt reden wir dann aber schon über eine Verlängerung. Wir berücksichtigen den Staat im Hintergrund, Uniper ist für uns aber kein Staatsunternehmen, schon gar nicht bei der Betrachtung der RCF.

In der Krise hätte Uniper ohne staatliche Unterstützung kein Geld mehr von den Banken bekommen. Sind die Bankbeziehungen wiederhergestellt oder haben sie den Kontakt zu einzelnen Häusern auf Eis gelegt?

Dönges: Schon während der Krise bestand die RCF, die wir jetzt verlängert und aufgestockt haben. Nahezu alle Banken haben wir in die neue Linie mitgenommen. Darüber hinaus konnten wir einige neue Banken gewinnen. Aber in der Krise zeigt sich auch, welche Banken wirklich zu einem stehen und welche sich damit schwertun. In der Krise spielte vor allem die von der KfW zur Verfügung gestellte Linie eine Rolle.

Die KfW stellt immer noch eine Kreditlinie zur Verfügung.

Dönges: Im Zuge der Aufstockung der RCF haben wir die Tranche der KfW auf aktuell 5 Mrd. Euro reduziert.

Die KfW-Linie läuft bis 2026. Wollen Sie auch hier früher ablösen?

Dönges: Wir prüfen das regelmäßig. Im Moment fühlen wir uns mit den 5 Mrd. Euro aber ganz wohl.

Was heißt das für die Konditionen? Leitet sich die Marge auf Basis des Stand-alone-Ratings oder auf Basis der geliehenen Bonitätsnote ab?

Dönges: Sie basiert auf dem langfristigen Kredit-Rating. Bevor wir die RCF in trockene Tücher gebracht haben, hat S&P das langfristige Kredit-Rating von Uniper mit „BBB-“, also ein Investment-Grade-Rating, bestätigt. Das Rating setzt sich aus dem Stand-alone-Rating und dem Government Support zusammen. Im März hat S&P das Stand-alone-Rating um drei Stufen auf „bb“ angehoben. Das war sehr relevant, weil wir zu diesem Zeitpunkt mit den Banken in Verhandlungen zu der Kreditlinie standen.

Der Staat muss bis spätestens 2028 bei Uniper auf eine Sperrminorität reduziert haben. Wird das schrittweise passieren?

Dönges: Über den Verkauf, den Zeitplan und den Weg entscheidet die Bundesregierung. Es gibt verschiedene Optionen. Ein Weg ist der Verkauf über die Börse, also das, was wir als Re-IPO bezeichnen. Angesichts des sehr kleinen Streubesitzes von weniger als 1% wäre es wie ein vollständiger IPO-Prozess. Ob das der vom Bund präferierte Weg ist, kann nur der Bund selbst sagen.

Ist der Re-IPO die von Uniper präferierte Lösung?

Dönges: Ein Re-IPO hätte aus Sicht von Uniper verschiedene Vorteile. Um nur einen zu nennen: Als gelistetes Unternehmen mit einem entsprechenden Freefloat ist das ein Weg, um an frisches Kapital zu kommen. Aus Sicht der Bundesregierung mag es andere Kriterien geben. Unsere Aufgabe ist es, die Kapitalmarktfähigkeit wiederherzustellen.

Aus Sicht von Uniper könnte der erste Exit-Schritt in der jetzigen Rating-Komposition vollzogen werden.

Jutta Dönges, CFO von Uniper

Was sind die wichtigsten Aspekte, die noch fehlen?

Dönges: Wir haben schon sehr viel erreicht. Die Aufstockung und Verlängerung der RCF war ein wichtiger Punkt, weil er zeigt, dass wir uns unabhängig finanzieren können. Wir haben unser Debt Issuance Program aktualisiert, wir sind im Commercial-Paper-Markt aktiv. Das alles zeigt, dass wir uns die Kapitalmarktfähigkeit am Fremdkapitalmarkt zurückerobern.

Ihnen fehlt noch das Investment Grade Rating auf Stand-alone-Basis.

Dönges: Das Rating ist eine wesentliche Voraussetzung, um dem Bund die Möglichkeit zum Exit zu eröffnen. Die Ratingunterstützung, der sogenannte „Government Uplift“, ist inzwischen sehr gering. Bei S&P sind es zwei Stufen, bei Scope eine. Aus Sicht von Uniper könnte der erste Exit-Schritt in der jetzigen Rating-Komposition vollzogen werden. Auf dem Weg zum Stand-alone Investment-Grade-Rating ist die Umsetzung unserer Strategie maßgeblich. Die Strategie wird dann in die Equity Story übersetzt. Daran arbeiten wir mit Hochdruck und können Erfolge vorweisen.

Es fehlt also nur noch die Equity Story?

Dönges: Die Equity Story muss noch formuliert werden, sie fehlt aber nicht. Wir haben eine Strategie, aus der sich die Equity Story ableitet. Bei der Strategieumsetzung liegen wir absolut im Plan. Ein weiterer, ganz wesentlicher Punkt für die Kapitalmarktfähigkeit ist, dass, neben den bereits erwähnten Punkten, nun auch Klarheit über die Langfristverträge mit Gazprom herrscht. Mit dem ergangenen Schiedsurteil konnten wir die Verträge kündigen, und damit können etwaige Risiken aus diesen Verträgen nicht mehr schlagend werden.

Was fehlt dann noch?

Dönges: Aus meiner Sicht fehlt nichts mehr – mit einer Einschränkung, die liegt jedoch nicht in der Sphäre von Uniper. Hier geht es um die Dividendenzahlungsfähigkeit. Dieses Thema liegt in den Händen des Gesetzgebers.

Der Beweis wäre zu erbringen, wenn der Bund das möchte.

Jutta Dönges

Inwiefern?

Dönges: Es gibt eine Regelung im Energiesicherungsgesetz, die uns aktuell keine Dividendenzahlung erlaubt. In einem Re-IPO ist die Ausschüttungspolitik, die man den Investoren glaubwürdig vermitteln kann, aber ein absolut wesentlicher Bestandteil.

Uniper ist demnach kapitalmarkt- und exitfähig?

Dönges: Genau darauf haben wir in den letzten Monaten hingearbeitet. Der Beweis wäre zu erbringen, wenn der Bund das möchte.

Wo liegt für ING Deutschland die Mindestgröße der Unternehmen, die sie als Kunden ansprechen?

Henning: Wir haben uns in Deutschland auf Projektfinanzierungen und die großen Unternehmen konzentriert. Wir haben keine konkrete Mindestumsatzgröße. Da wir im Moment aber erst 300 deutsche Unternehmen als Kunden haben, kann man die Leiter von oben kehren. Strategisch sind wir momentan im Bereich ab 750 Mill. bis 1 Mrd. Euro Umsatz unterwegs. Aber da geht noch mehr.

Alle ausländischen Banken wollen ein Stück vom Firmenkundenkuchen in Deutschland abhaben. Wo sehen sie für ihr Haus den Wettbewerbsvorteil?

Henning: Da ist erstens unser Sustainability-Know-how. Zweitens bringen wir Sektorexpertise mit. Im Energiesektor decken wir die ganze Wertschöpfungskette ab. Drittens sind wir eine der fünf bis sechs europäischen Banken, die über ein großes, globales Netzwerk verfügen.

Der anstehende Portfolio-Umbau dürfte Uniper als Bankkunden besonders attraktiv machen. Gemäß EU-Auflagen muss sich Uniper von einigen Assets trennen und früher oder später kommt der Exit des Staates.

Henning: Uniper ist das Paradebeispiel, wie die Bundesrepublik die Transition begleiten wird. Zum einen weg von Kohle hin zu Erneuerbaren. Zum anderen von der Rettung durch den Staat hin zu dessen Rückzug. Aus Bankensicht gibt es viele Anknüpfungspunkte. Das passt genau in unser Kompetenzprofil, das wir über Jahre aufgebaut haben.

Die Banken werden die klassische Debt-Seite finanzieren.

Eddy Henning

Das riesige Investitionsvolumen für die Energiewende können die Banken alleine gar nicht finanzieren...

Henning: Es gibt Berechnungen, die bis 2030 einen Investitionsbedarf für Deutschland von 700 bis 800 Mrd. Euro vorhersagen, bis 2035 sogar 1.200 Mrd. Euro. Das wird nur funktionieren, wenn wir die Kapitalmarktunion hinbekommen, wenn wir Liquidität und Standardisierung in die Kapitalmärkte hineinbekommen. Es mangelt nicht an Liquidität, sie muss aber in das Ökosystem gebracht werden.

Die Banken haben den Zugang zu den Kunden, der Engpass sind aber die Bilanzen der Banken. Neben den öffentlichen Kapitalmärkten liegen auch in den privaten Märkten viele Milliarden. Wie realistisch ist es, die verschiedenen Investorengruppen zusammenzubringen?

Henning: Ich habe großes Vertrauen, dass wir das über Regulatorik und Politik hinbekommen. Die Banken sind der Strukturierer und Katalysator zwischen Kunden und Kapitalmärkten, um Qualitätskontrollen herzustellen, die Standardisierung durchzuführen, Transparenz herzustellen.

Das Interview führten Annette Becker und Philipp Habdank. Die vollständige Version lesen Sie auf www.boersen-zeitung.de

Zu den Personen

Jutta Dönges ist ein Allroundtalent. Die promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin blickt nämlich nicht nur auf eine Karriere im Investment Banking zurück, sondern hat sich auch einen Namen als Unternehmensretterin in Krisensituationen gemacht. Als Vorsitzende der Finanzagentur des Bundes war sie federführend am Aufspannen der Rettungsschirme für Lufthansa, Tui & Co während der Coronakrise beteiligt. Wer also wäre besser geeignet als die 51-Jährige, um die mit Staatsmilliarden vor der Insolvenz gerettete Uniper wieder auf eigene Beine zu stellen?

Schützenhilfe erhält sie dabei von Eddy Henning, der im Vorstand der ING Deutschland für das Wholesale Banking verantwortlich ist. Gerade in Nachhaltigkeitsthemen hat sich die ING in den vergangenen Jahren einen Namen gemacht und die Energiewende bietet reichlich Potenzial für lukratives Firmenkundengeschäft. Uniper ist dabei besonders interessant, weil die EU-Auflagen, die mit der Rettung durch den Staat verbunden waren, reichlich Anknüpfungspunkte bieten, wie es Henning formuliert.

Sind die Banken dann Syndizierer und Vermittler an die Private Credit Funds oder bauen die Banken ihre eigenen Fonds auf?

Henning: Das wird die Zukunft zeigen, mit wie vielen Investoren diejenigen, die die Liquidität brauchen, reden wollen. Wie sehen die Kapitalmärkte aus, was wird kapitalmarktfähig sein? Ich glaube, dass die Banken einen gewissen Teil auf ihre eigene Bilanz nehmen, schon allein um eine Governance Control zu gewährleisten. Der Rest wird syndiziert werden. Die Banken werden die klassische Debt-Seite finanzieren.

Dönges: Die Grundvoraussetzung, dass Kapital mobilisiert werden kann, sind die regulatorischen Rahmenbedingungen. Ohne diese gibt es keine Investitionssicherheit und niemand wird investieren. Am Ende des Tages wollen die Investoren Geld verdienen. Wir investieren ja auch nur in Projekte, mit denen wir Geld verdienen.