Uniper vollzieht die Kehrtwende
ab Köln – Nach Wintershall Dea und OMV muss nun auch Uniper Farbe bekennen: Das an die Projektgesellschaft Nord Stream 2 ausgereichte Darlehen wird samt aufgelaufenen Zinsen vollständig abgeschrieben, wie der mehrheitlich zur finnischen Fortum gehörende Kraftwerkskonzern mitteilte. Es geht um einen Betrag von 987 Mill. Euro, davon entfallen 292 Mill. Euro auf aufgelaufene Zinsen.
Daneben wird der Ende 2022 losgetretene Verkaufsprozess für die Mehrheitsbeteiligung (83,73%) an der russischen Unipro aufgrund der aktuellen Situation gestoppt. Er soll jedoch schnellstmöglich wieder aufgenommen werden. Zwar soll das begonnene Modernisierungsprogramm bei der russischen Tochtergesellschaft, die fünf Kraftwerke betreibt, fortgesetzt werden. Neue Investitionen würden in Russland jedoch ebenso wenig getätigt wie frisches Geld an Unipro überwiesen.
„Zwei Dinge müssen jetzt getan werden: Die bestehenden Energieströme aufrechterhalten und gleichzeitig Mittel und Wege finden, um die Gasversorgung für Deutschland und Europa kurz-, mittel- und langfristig vielfältiger und damit weniger anfällig für geopolitische Risiken zu machen“, wird Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach zitiert.
Inwieweit sich die Sanktionen auf die geschäftliche und finanzielle Situation von Unipro auswirke, sei derzeit nicht absehbar, heißt es. Im abgelaufenen Turnus steuerte Unipro mit 230 Mill. Euro ein Fünftel zum bereinigten operativen Ergebnis von Uniper bei. Vom bereinigten Nettoergebnis des Konzerns von 906 Mill. Euro entfielen 160 Mill. Euro auf Unipro. Ausweislich des Uniper-Geschäftsberichts werden die Vermögenswerte von Unipro Ende 2021 auf 2,4 Mrd. Euro und die Schulden auf 0,3 Mill. Euro beziffert. Grundsätzlich müsste bei einem möglichen Impairment auf den niedrigeren Wert (Buch- oder Marktwert) abgeschrieben werden, denn Unipro ist an der Börse in Moskau notiert.
An den bestehenden Gaslieferverträgen hält Uniper fest, neue langfristige Lieferverträge würden mit Russland aber nicht mehr geschlossen. Insgesamt verfügt Uniper über ein Portfolio an Lieferverträgen von 370 TWh, davon stammen 200 TWh aus Russland. Wenngleich sich der Versorger zugutehält, mit Blick auf die Versorgungssicherheit in Deutschland eine wichtige Rolle zu spielen, müssen die russischen Drohungen, den Gashahn zuzudrehen, bewertet werden. Bei einer begrenzten und kurzfristigen Drosselung der Gasströme aus Russland werde Uniper voraussichtlich in der Lage sein, den Ausfall weitgehend zu kompensieren, heißt es.
Anders sieht es hingegen aus, wenn es zu erheblichen Lieferunterbrechungen käme. Dann sei die Stabilität des deutschen Gassystems gefährdet. Das wiederum könne zur Ausrufung des Notstands durch das Bundeswirtschaftsministerium führen. In diesem Fall werde die Bundesnetzagentur anweisen, wie das Gas an die Kunden verteilt werde.
Da Uniper die Liefermengen im Voraus verkauft, sind im Gasportfolio keine strukturellen Preisrisiken enthalten, wie Finanzchefin Tiina Tuomela betont. Allerdings würden Unterbrechungen der russischen Gaslieferungen auch Uniper betreffen. Die Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario schätzt Uniper derzeit aber als gering ein.
Kohlebezug diversifizieren
Eine weitere Maßnahme zur Versorgungssicherheit ergreift Uniper mit Blick auf die Kohlekraftwerke in Europa. Dort würden die notwendigen Schritte unternommen, um den Betrieb ohne russische Kohle sicherzustellen. Bis Ende dieses Jahres – dann laufen die Lieferverträge für russische Kohle aus und werden nicht verlängert – soll die Diversifizierung stehen. Zugleich prüft Uniper die Verlängerung der Kohleverstromung an den Standorten Staudinger, Heyden, Scholven und Wilhelmshaven. In Wilhelmshaven nimmt Uniper zudem die Planung für den Bau eines Terminals für Flüssiggas (LNG) wieder auf. Die Pläne stünden im Zusammenhang mit der Vorstellung, Wilhelmshaven zu einer „grünen Energiedrehscheibe“ zu machen. Dabei geht es auch um grüne Ammoniakimporte samt angeschlossener Wasserstoffproduktion. Für den Ammoniakimport hatte Uniper allerdings auf die russische Novatek gesetzt. Diese Gespräche lägen nun auf Eis.
Trotz aller Unwägbarkeiten als Folge des Kriegs in der Ukraine hält Uniper vorerst an der Prognose für 2022 fest. Das liegt auch daran, dass sich der Ausblick nur auf bereinigte Ergebnisgrößen erstreckt. Darin sind die Wertkorrekturen nicht enthalten. Die wegfallenden Zinszahlungen aus dem Pipeline-Kredit werden im bereinigten Konzernüberschuss gleichwohl mit 100 Mill. Euro belasten. Gemäß der Prognose soll das bereinigte Konzernergebnis zwischen 0,8 und 1,1 Mrd. Euro landen.
Vorsorgen will Uniper auch mit Blick auf Liquiditätssicherung. Die Anfang des Jahres von der KfW gewährte Kreditfazilität von 2 Mrd. Euro soll über den April hinaus verlängert werden. Die bislang nicht genutzte Liquiditätsreserve dient als reiner Back-up für den Fall weiterer extremer Rohstoffpreisturbulenzen.
Die Vollabschreibung des Kredits hatten Investoren schon längst eingepreist. In der Spitze legte der MDax-Wert am Dienstag um 10 % zu. Bis zum Handelsende hatten sich die Kursgewinne jedoch komplett in Luft aufgelöst.