Unternehmen stecken in Transformations-Lethargie fest
Deutsche Unternehmen stecken
in Transformations-Lethargie fest
Studie zeigt hausgemachte Defizite in Effizienz und Agilität
swa Frankfurt
Das Jammern über den deutschen Standort ist vielerorts groß. Oft werden Politik und hohe Energiepreise für die Misere verantwortlich gemacht. Doch auch in den Unternehmen selbst liegt vieles im Argen, wie aus einer Analyse der Unternehmensberatung Advyce und der Aktionärsvereinigung DSW hervorgeht. Die Studie untersucht den Transformationsdruck und die Widerstandskraft der Unternehmen in den Börsenindizes Dax, MDax und TecDax. Die Daten stammen aus dem zweiten Quartal 2024 und dem Zeitraum August bis Oktober des Jahres.
Burkhard Wagner, Mitgründer und Geschäftsführer von Advyce, warnt davor, die entscheidenden Wettbewerbsfaktoren zu einseitig zu betrachten. Der Transformationsdruck für deutsche Unternehmen sei „unbestreitbar“ hoch. „Die gestiegenen Energiepreise, die geopolitischen Spannungen und die Subventionspolitik in den USA haben die Rahmenbedingungen für die Industrieproduktion in Deutschland verschärft“, unterstreicht Wagner im Pressegespräch.
Auch hausgemachte Probleme
Doch das sei nur die eine Seite der Medaille. „Unternehmen, die in der Lage sind, sich flexibel anzupassen und Innovationen voranzutreiben, bewältigen diese Herausforderungen erstaunlich gut. Sie investieren in effiziente Produktionsweisen, setzen auf diverse und agile Teams, modernisieren ihre Geschäftsmodelle und entwickeln neue Absatzmärkte“, sagt der Berater.
Im Abseits stehen die Unternehmen, die aus Sicht der Studienautoren „den Wandel verschlafen“. Die Ursachen für abnehmende Wettbewerbsfähigkeit und Ertragsschwäche seien nicht „systemisch, sondern oft hausgemacht“. „In vielen Fällen sind es diese Unternehmen, die die Diskussion über die Deindustrialisierung befeuern, während sie selbst den Anschluss an die neuen Marktbedingungen verloren haben“, meint Wagner.
Auch DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler nimmt die Konzerne in die Pflicht. „Es ist nicht der Transformationsdruck selbst, der die steigenden Zahlen an Insolvenzen, Abwanderungen und Stellenabbau verursacht − vielmehr entscheidet die Fähigkeit der Unternehmen, sich diesem Druck anzupassen, über deren Erfolg oder Scheitern."
Der größte Transformationsdruck kommt nach Erkenntnissen der Studie in den meisten Branchen nicht von Energiekosten und Fachkräftemangel, sondern von der Regulatorik sowie von Struktur- und Lohnkosten. In einigen Sektoren, etwa Automotive, sorge auch der internationale Wettbewerb für starken Veränderungsdruck. Fast alle Branchen antworten der Studie zufolge indes zu schwach auf den Transformationsdruck. Einzig die IT-Branche sei hier vorne dran.
Effizienzsteigerung entscheidend
Auf Basis dieses Szenarios hätten es die Unternehmen weitgehend selbst in der Hand, die Transformation voranzutreiben. Als Fazit stellt der bei Advyce für die Studie verantwortliche Martin Geissler fünf Forderungen an Unternehmen: Sie sollen den Kundennutzen in den Vordergrund stellen, die Innovationskraft stärken und Prozesse und Abteilungen auf das absolut nötigste reduzieren. Geissler hält mehr als 30% aller Prozesse und Abteilungen in Unternehmen für „unnötig“. Er rät den Firmen zudem, die Wertschöpfung in Kernmärkte zu verlegen und die Chancen „echter Diversität“ zu nutzen.