Accenture-Studie

Versprochen, aber nicht geliefert

Einzelhändler halten dieses Jahr die versprochenen Lieferzeiten im Schnitt weniger ein als in den vergangenen Jahren. Als Grund werden in einer Studie Krieg, Inflation und Arbeitskräftemangel aufgeführt, wie aus einer Accenture-Studie hervorgeht.

Versprochen, aber nicht geliefert

md Frankfurt

Einzelhändler halten dieses Jahr die versprochenen Lieferzeiten im Schnitt weniger ein als in den vergangenen Jahren. Als Grund werden in einer Studie Krieg, Inflation und Arbeitskräftemangel aufgeführt. Auch die Liefergebühren und -konditionen reflektieren nun erstmals, dass die gestiegenen Kosten der Händler von diesen weitergegeben werden, teilt Accenture Retail Strategy & Consulting mit.

Ein hartes Urteil wird insbesondere über den Retourenprozess gefällt: Dieser stecke aus Kundensicht – im Vergleich zu Bestellung und Lieferung – „vielfach noch in den Kinderschuhen. Digitalisierung ist hier oft noch ein Fremdwort.“ Das gelte vor allem für Händler, die nicht auf Mode spezialisiert sind.

Im Detail deutlich verbessert

Gemäß der jüngsten Omnichannel-Fulfillment-Studie von Accenture, die Anfang Dezember in Deutschland bei über 55 Händlern und Marken anhand von Testbestellungen durchgeführt wurde, sind 2022 die Lieferversprechen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich ambitionierter. Während in den vergangenen zwei Jahren die versprochene Lieferzeit bei 3,5 Tagen lag, wurde sie dieses Jahr auf 2,9 Tage gesenkt. Das ist vor allem auf die durchschnittliche Verringerung der maximalen versprochenen Lieferdauer zurückzuführen. Diese ist 2022 von 4,3 auf 3,6 Tage gesunken. Besonders auffällig sind hier Sportmarken und Modehändler mit einer Verbesserung von einem Tag. Allerdings hat sich insgesamt die tatsächliche Lieferzeit nur von 3,8 auf 3,7 Tage verbessert, so dass die Diskrepanz zur versprochenen Lieferzeit von 0,3 auf 0,8 Tage zugenommen hat.

Auffällig ist, dass Möbel- und Elektronikhändler, Baumarktbetreiber sowie Lebensmittel-Einzelhändler ihre Lieferzeiten im Vergleich zu 2021 stark reduziert haben. Im Vorjahr lagen sie bei diesen Händlern noch bei 5,2 Tagen, 2022 pendelt sich die durchschnittliche Lieferzeit laut Accenture bei 3,1 Tagen ein.

Ausgerechnet reine E-Commerce-Händler stechen bei der Lieferzeit negativ heraus. Hier habe sich die tatsächliche durchschnittliche Lieferzeit von 3,0 Tagen im Vorjahr auf 5,1 Tage erhöht. Bei genauerer Betrachtung ist dieser Anstieg in der Stichprobe u.a. auf Zalando (elf Tage) und Amazon (sieben Tage bei „Non-Prime“, aber nur zwei Tage bei „Prime“) zurückzuführen, während die Otto-Tochter Bonprix mit zwei Tagen besonders flott ist. Auch Modemarken liefern mit im Schnitt 4,9 Tagen relativ langsam; noch am schnellsten waren Marc O’Polo und Diesel mit jeweils drei Tagen.

Mindestbestellwert steigt

Unerwartet leicht sind die Versandkosten gestiegen: Von durchschnittlich 3,97 Euro im vergangenen Jahr um 2,5% auf 4,07 Euro. Stärker gestiegene Transportkosten infolge von höheren Dieselpreisen und Inflation werden demnach nicht vollständig über höhere Liefergebühren weitergegeben. Aber die Händler justieren andere Stellschrauben ihres Liefergebührenmodells neu: Nur noch 7% der untersuchten Händler bieten kostenlose Standardlieferung als Option an. Das sind 14 Prozentpunkte weniger als 2021. Dagegen nimmt die Zahl der Unternehmen, die einen Mindestbestellwert für kostenlose Lieferungen setzen, zu. Der durchschnittliche Mindestbestellwert liegt nach Angaben von Accenture in der Vorweihnachtszeit 2022 bei 76,50 (i.V. 73,13) Euro.

Nachdem im Sommer namhafte Modehändler wie H&M, Zara und Uniqlo Gebühren für die Rücksendung von Paketen einführt haben und im Handel bereits vom Ende der kostenfreien Retoure gesprochen wurde, zeichnen die Ergebnisse der Studie noch ein anderes Bild. Beim Großteil der Händler sind Retouren weiter kostenfrei, nur drei der 55 untersuchten Händler verlangen von ihren Kunden bisher eine Retourengebühr. Die Kosten für die Konsumenten betragen hier zwischen 1,99 und 2,95 Euro. Zudem ist die durchschnittliche Retourenfrist von 48 Tagen im Vorjahr auf 42 Tage gesunken. Aus dem Rahmen fällt hier das Modesegment mit einer Retourenfrist von bis zu 120 Tagen.

Probleme im Retourenprozess

Bedenklich sei in diesem Jahr wieder das Ergebnis bezüglich der Retourenprozesse. „Nach der Lieferung fangen aus Kundensicht die eigentlichen Probleme an – insbesondere gilt dies für alle Nicht-Fashion-Händler, die dem Retourenmanagement bisher wenig Beachtung schenken“, erläutert Sven Kromer, Managing Director Accenture Retail. Die Schwierigkeiten reichten von fehlenden oder versteckten Informationen im Webshop über nicht vorhandene Retourenformulare und -etiketten, per Hand auszufüllende Widerrufsformulare, Listen unvollständiger und zum Teil inkonsistenter Retourengründe bis zur Notwendigkeit, mehrmals mit dem Kundenservice in Kontakt zu treten.