Volkswagen kappt Auslieferungsziel
Europas größter Autokonzern Volkswagen hat angesichts des mauen Wirtschaftsumfelds seine Verkaufsziele für das Gesamtjahr gestutzt. Bei den Finanzzielen will das Management um Chef Oliver Blume aber keine Abstriche machen, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Trotz Gegenwinds von Rohstoffsicherungsgeschäften und Belastungen durch den Russland-Ausstieg konnten die Gewinne im Tagesgeschäft deutlich ausgebaut werden.
"Wir bewegen uns nun von einem Engpass bei Chips zu einem Engpass beim Transport", sagte Finanzchef Arno Antlitz am Donnerstag bei einer Telefonkonferenz mit Analysten zur Präsentation der Quartalsbilanz. Es fehlten sowohl Züge als auch Lastwagenfahrer, und das nicht nur in Europa, sondern auch andernorts. So gebe es etwa Probleme, in Mexiko produzierte Fahrzeuge nach Nordamerika zu transportieren. Zuvor hatte bereits der US-Autobauer General Motors über Logistikprobleme geklagt.
VW-Aktie unter Druck
Die Volkswagen-Vorzugsaktie fiel am Vormittag um 3,4% auf 119,30 Euro. Die Aktie hat schon seit längerem einen negativen Trend: Im Frühjahr 2022 war das Papier noch um die 190 Euro wert, im Frühjahr 2021 sogar an die 250 Euro. Der Finanzmittelzufluss (Cashflow) sei schwach ausgefallen, schrieb Analyst Jose Asumendi von der US-Großbank JPMorgan. Wenn Einmaleffekte herausgerechnet würden, untermauere jedoch das operative Ergebnis die Profitabilitätsziele des Konzerns für das Gesamtjahr.
Nach dem ersten halben Jahr kappte der Konzern angesichts der mauen Wirtschaftslage seine Ziele für die Auslieferungen im Gesamtjahr. So sollen 2023 nun zwischen 9 und 9,5 Millionen Fahrzeuge an die Kunden gehen. Die Wolfsburger waren bisher fest von rund 9,5 Millionen Stück ausgegangen, nach 8,3 Millionen im Vorjahr. Fachleute hatten ohnehin Zweifel, ob VW das Ziel noch schaffen kann. Im ersten Halbjahr hat der Konzern weltweit 4,4 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, ein Plus von knapp 13 Prozent.
Blume versuchte in einer Telefonkonferenz mit Analysten, Sorgen um den Auftragsbestand vor allem in Westeuropa zu zerstreuen. Derzeit liege dieser weiter bei 1,65 Millionen Fahrzeugen, davon mehr als 200.000 Vollelektroautos. Auch wenn wegen gekürzter Förderungen im europäischen Geschäft eine gewisse Abkühlung bei der Elektronachfrage zu verspüren gewesen sei, habe der Konzern seit Mai wieder eine gewisse Belebung bei den Bestellungen erfahren.
Insgesamt sieht der Manager den Konzern auf gutem Weg. "Die Absatzzahlen in Nordamerika ziehen an, in China festigen wir unsere Position durch technologische Partnerschaften und zusätzlich geht der Trend bei unseren vollelektrischen Fahrzeugen in die richtige Richtung", sagte er.
Beim Jahresumsatz bleibe VW ohnehin voll auf Kurs, das gesteckte Ziel von 10 bis 15% Plus und damit 307 bis 321 Mrd. Euro zu erreichen, hieß es. Auch die Prognose für die um Sondereinflüsse bereinigte operative Gewinnmarge bleibt unangetastet bei 7,5 bis 8,5%, auch weil das Spar- und Ergebnisprogramm bei den Massenmarken im zweiten Halbjahr Wirkung zeigen soll. Im abgelaufenen zweiten Quartal erzielte VW einen Umsatzanstieg von gut 15% auf 80,1 Mrd. Euro. Das Ergebnis nach Steuern fiel wegen höherer Steuern um gut 3% auf 3,79 Mrd. Euro.
Das bereinigte operative Ergebnis fiel mit 5,6 Mrd. Euro zwar um fast 19% höher aus als vor einem Jahr, lag damit aber unter der Durchschnittsschätzung von Experten. Wie im ersten Quartal belastete die Bewertung von Rohstoffsicherungsgeschäften, diesmal fielen dafür 1,2 Mrd. Euro an. Der Ausstieg aus dem Russlandgeschäft kostete noch einmal 0,4 Mrd. Euro, vor allem wegen der Umrechnung von Währungen. VW hat für den Verkauf der russischen Tochtergesellschaften nur einen Verkaufspreis von 125 Mill. Euro erzielt. Der Konzern hatte bereits vor einem Jahr infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine viel auf die russischen Geschäfte abschreiben müssen.
VW-Einstieg bei Xpeng
Vor allem die Massenmarken im Konzern (VW Pkw, Seat, Skoda, VW Nutzfahrzeuge) sowie das Chinageschäft macht den Managern Sorge. Am Vortag verkündete VW den Einstieg beim chinesischen Elektroautobauer Xpeng mit knapp 5% der Anteile für 700 Mill. US-Dollar (632 Mill Euro). Mit den Chinesen will VW zusammen zwei Elektroauto-Mittelklassemodelle entwickeln, die ab 2026 auf den chinesischen Markt kommen sollen.
Damit will VW wieder an Schwung gewinnen in der Volksrepublik. In diesem Jahr hat der Konzern vor allem wegen mauer Verkäufe von Elektroautos seine jahrzehntelange Marktführerschaft im Land an den Elektroautohersteller BYD abgeben müssen, auch weil die Konkurrenz im weltgrößten Automarkt mit starken Rabatten nachhilft und VW auf diese möglichst verzichten will. Das anteilige operative Ergebnis der chinesischen Joint Ventures fiel im ersten Halbjahr um fast 18% auf 1,15 Mrd. Euro.
Bei den Massenmarken sollen im zweiten Halbjahr die Sparprogramme greifen. Zwar besserte sich das Bild gegenüber dem schwachen Vorjahreszeitraum im ersten Halbjahr deutlich. Doch die Kernmarke VW Pkw erzielte in den ersten sechs Monaten eine operative Umsatzrendite von lediglich 3,8% - sprich von 100 Euro Umsatz blieben im Tagesgeschäft nur rund 3,80 Euro Betriebsgewinn.
VW-Kernmarkenchef Thomas Schäfer hatte bereits ein milliardenschweres Spar- und Ergebnisprogramm angekündigt, dessen Details bis zum Herbst stehen sollen. Dabei ist unter anderem geplant, Produktion verschiedener Marken in den Werken zusammenzulegen. Zudem soll der Vertrieb bei den Händlern umgebaut werden, auch um Rabatt-Konkurrenz unter den eigenen Händlern auszuschließen.