Wagniskapitalfirmen bleiben männerdominiert
VC-Firmen bleiben männerdominiert
Pitchbook: Frauenanteil auf Entscheider-Ebene verharrt in Europa bei 15 Prozent
kro Frankfurt
In der europäischen und US-amerikanischen Wagniskapitalbranche treffen weiterhin hauptsächlich Männer die Investitionsentscheidungen. Das geht aus Studien des Datendienstes Pitchbook hervor, der anlässlich des internationalen Frauentags die Venture-Capital-Szene auf ihre Fortschritte in Sachen Geschlechtergleichstellung hin untersucht hat. Demnach belief sich der Frauenanteil auf Ebene der sogenannten General Partner (also jene mit dem Titel Partner, Principal oder Managing Director) bei großen VC-Gesellschaften im vergangenen Jahr in Europa auf 15%. In den USA waren es gut 17%. Die Zahlen haben sich damit im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert.
In der Venture-Capital-Welt dauere es „viele Jahre, bis man auf der Karriereleiter oben angekommen ist“, schreiben die Autoren. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass sich an den bisherigen Gegebenheiten schnell etwas ändern werde. Gründerinnen würde es allerdings helfen, wenn mehr Frauen auf den Entscheiderpositionen sitzen würden.
Bias trifft auch Investoren
Das liegt unter anderem am sogenannten Gender Bias, der in der Wissenschaft als „geschlechtsbezogene Verzerrung der eigenen Wahrnehmung“ bezeichnet wird. Der Effekt führt dazu, dass Investoren bevorzugt in Personen investieren, die ihnen ähnlich sind, und zwar nicht nur hinsichtlich des Geschlechts. Auch das Verhalten, der soziale Hintergrund, das Alter und weitere Aspekte spielen bei den Investitionsentscheidungen eine Rolle, sagt Natalie Milde vom Berliner Climate Tech Investor Future Energy Ventures. „Das führt dazu, dass Gründerinnen weniger Kapital erhalten. Es ist sehr deprimierend.“

Deprimierend dürfte für Gründerinnen auch sein, dass die Zahl der aktiven weiblichen Business Angels sowohl in Europa als auch in den USA zuletzt teils deutlich gesunken ist. So zählten die Pitchbook-Autoren 2024 nur noch 182 solcher privaten, in Europa aktiven Einzelinvestorinnen. 2023 waren es noch 303. In den USA ist die Zahl von 311 auf 436 gesunken.
Business Angels unterstützen Start-ups nicht nur mit Geld, sondern u.a. auch mit Know-how und einem Netzwerk. Oftmals haben sie zuvor selbst schon Unternehmen gegründet – und sie bringen sich typischerweise vor allem in junge Start-ups ein. „Angel investieren oft in sehr frühen Phasen eines Unternehmens“, sagt Milde. „Wenn es also weniger weibliche Angel gibt, könnte es noch schwieriger für angehende Gründerinnen werden, eine Finanzierung zu erhalten.“
Wie schwierig die Situation für Gründerinnen im Allgemeinen ist, lässt sich ebenfalls bei Pitchbook nachlesen: Schon seit Jahren ist der Anteil des in Europa investierten Wagniskapitals, das an reine Gründerinnen-Teams vergeben wird, nicht mehr über die 2%-Marke hinausgekommen. 2024 erhielten reine Frauen-Teams nur noch 1,5% des insgesamt in der Region investierten Kapitals. Immerhin: Der Anteil des Kapitals, das in gemischte Teams (also mit männlichen und weiblichen Gründern) fließt, steigt tendenziell seit einigen Jahren – zuletzt lag er bei knapp 18%.
Kein Erkenntnisproblem
Die Entwicklung ist sowohl für Gründer als auch für Investoren zu begrüßen. Schließlich sei die Performance von diversen Gründerteams „durchgehend besser als die von homogenen Teams“, wie die KI-Forscherin und Initiatorin des Tech-Gründerinnen-Netzwerks FundHER, Sarah Anto erläutert. Mit dieser Einschätzung steht sie nicht allein da: Gemäß einer Umfrage der Londoner Initiative „European Women in VC“ unter 334 europäischen Start-up-lnvestoren glauben mehr als 88%, dass mehr Diversität in der Branche zu „deutlich besseren“ oder „etwas besseren“ Investitionsentscheidungen und Finanzerträgen führt.
„Innovation gedeiht, wenn sie Perspektiven aus unterschiedlichen Lebenserfahrungen mit einbezieht." Es gebe zwar durchaus Investoren, die sich aus politischen Gründen derzeit von Diversitätsprogrammen distanzieren. „Die Klugen unter ihnen werden aber weiterhin vielfältige Teams unterstützen.“
Wichtig sei dabei aber auch, auf Investorenseite auf Vielfalt zu achten, findet Milde. Für mehr Ausgewogenheit in der Geschlechterverteilung müsse dazu beispielsweise das Thema Work-Life-Balance in den Blick genommen werden. „Wenn man weiterhin ein Umfeld fördert, in dem es vor allem darum geht, rund um die Uhr zu arbeiten, kann das für Frauen mit Familienwunsch sehr herausfordernd sein. Denn Frauen tragen nun mal häufig eine größere Last in der heimischen Care-Arbeit.“