Wetransfer sagt Börsengang ab
cru Frankfurt – Inmitten des allgemeinen Abverkaufs von Technologieaktien schrumpft auch die Nachfrage der Investoren nach Tech-IPOs: Die Filehosting-Plattform Wetransfer, deren Bookbuilding-Frist gestern endete, hat deshalb den geplanten Börsengang in Amsterdam in letzter Minute abgesagt. Das Angebot werde aufgrund der volatilen Marktbedingungen zurückgezogen, teilte Werock, der Eigentümer des Unternehmens, das das Versenden großer Dateien erleichtert, am Donnerstag mit. Der Börsengang war schon im Vorfeld abgespeckt worden. In der vergangenen Woche hatte Wetransfer das ursprüngliche Ziel, mit neuen Aktien 125 Mill. Euro einzunehmen, um 20% gekürzt. Der geplante Börsengang hatte das Unternehmen mit bis zu 716 Mill. Euro bewertet.
Fondsmanager verweisen auf die Marktbedingungen – steigende Zinsen, fallende Tech-Aktienkurse und wachsende Inflation – als Grund für die Entscheidung, sich nicht an dem Börsengang zu beteiligen. Hinzu kommt, dass das Unternehmen als Übermittler von Dateien in der Cloud ein Geschäftsmodell verfolgt, bei dem es für Google oder Amazon als Eigentümer der Cloud-Infrastruktur leicht wäre, als Wettbewerber einzusteigen.
Negativ für übrige Aspiranten
Für die weiteren Börsenkandidaten dieses Jahres ist die Wetransfer-IPO-Absage ein negatives Zeichen. In Deutschland befindet sich gerade die Arzneifirma Cheplapharm aus Greifswald in der Vorvermarktungsphase. Allerdings ist das Geschäftsmodell des Familienunternehmens mit dem von Wetransfer nicht vergleichbar: Cheplapharm bietet relativ sicher planbare Erträge aus der Produktion und dem Verkauf von Medikamenten, deren Patentschutz abgelaufen ist, und arbeitet bereits hochprofitabel. Aber für andere Tech-IPO-Kandidaten wie die Springer-Stellenbörse Stepstone, die Prosieben-Partnervermittlung Parship oder die 1&1-Webhosting-Tochter Ionos wird es schwieriger.
Wetransfer bleiben nach der IPO-Absage mehrere Optionen, darunter eine Fusion bzw. Übernahme oder ein möglicher künftiger Börsengang. Das Unternehmen hatte seine Bewertungserwartungen bereits zurückgeschraubt, nachdem ursprünglich bis zu 1 Mrd. Euro angepeilt worden waren. Die Aktionäre Highland Europe Technology und HPE Institutional Fund II hatten geplant, einen Teil ihrer Anteile im Rahmen des Börsengangs zu verkaufen – in etwa gleichem Volumen wie die neuen Aktien. Die Entscheidung des Unternehmens, zum jetzigen Zeitpunkt nicht an die Börse zu gehen, ändere „in keiner Weise“ die Absicht von Highland, ein langfristiger Aktionär zu bleiben, hieß es. Morgan Stanley und Bank of America agierten als globale Koordinatoren neben der ABN Amro Bank, Oddo BHF und Barclays.
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