Wettlauf um grüne Schlüsseltechnologien
cru/rec Frankfurt/Brüssel
Auch Europa betreibt jetzt Industriepolitik zum schnelleren Aufbau grüner Schlüsseltechnologien – in Konkurrenz zu den USA. Am 14. März will die EU-Kommission ihren „Net Zero Industry Act“ vorlegen, mit dem klimaneutrale Clean-Tech-Projekte in Europa gefördert werden sollen. Das Kernstück der Verordnung sind europäische Produktionskapazitätsziele für grüne Technologien wie Batteriezellen, Elektrolyseure und Fotovoltaik. So soll etwa bis 2030 die europäische Produktionskapazität mindestens 40% des hiesigen Bedarfs an Fotovoltaik betragen. Das geht aus dem aktuellen Entwurf für den Net Zero Industry Act hervor, der der Börsen-Zeitung vorliegt.
Künftig wird demnach einmal im Jahr überprüft, wie der Ausbau der als strategisch eingestuften grünen Industriezweige vorankommt. Werden die Ziele verfehlt, dann wird nachgesteuert. Mit dem Gesetzesvorhaben versucht Brüssel auf den Inflation Reduction Act der USA zu antworten, der grüne Schlüsseltechnologien, vor allem Elektroautos aus US-Produktion, mit 390 Mrd. Dollar fördert und von dem befürchtet wird, dass er grüne Schlüsseltechnologien von Unternehmen aus Europa in die USA locken könnte.
Führungsposition behaupten
„Es geht darum, die führende Position europäischer Unternehmen im Clean-Tech-Bereich auch angesichts der massiven US-Steuererleichterungen durch den Inflation Reduction Act zu verteidigen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen anlässlich der Klausur des Bundeskabinetts auf Schloss Meseberg. Bei Elektroautos sei es gelungen, den Zugang europäischer Hersteller zum US-Markt zu gewährleisten. „Wir müssen noch mit den USA zum Thema Batterie und Batteriekomponenten arbeiten“, so von der Leyen.
Ausgangspunkt für Brüssel ist das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 als Kern des europäischen Green Deal. Die EU will dazu die Netto-Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55% im Vergleich zu 1990 reduzieren. Das „Fit for 55“-Paket zielt darauf ab, das Klimaziel der Union für 2030 zu erreichen. „Um diese Verpflichtungen zu erfüllen, muss die Union den Übergang zu kohlenstoffarmer Energie beschleunigen, indem sie insbesondere die Energieeffizienz und den Anteil sauberer Energien erhöht“, heißt es im Verordnungsentwurf.
Die EU-Kommission setzt allerdings weder auf Steuerentlastungen noch auf Vorgaben, wie viel der Produktion lokal angesiedelt sein muss (local content), um Zugang zum Binnenmarkt zu behalten. Vielmehr sollen sogenannte Net Zero Resilience Projects gefördert werden und Technologiezentren nach dem Vorbild des Silicon Valley. Gemeint sind Unternehmensprojekte, die zur Steigerung der Produktionskapazitäten von Technologien beitragen, die von der EU noch größtenteils aus Ländern importiert werden, mit denen die EU kein Freihandelsabkommen hat.
Auf der Liste der strategischen „Net Zero“-Klimaschutzschlüsseltechnologien stehen nicht nur Fotovoltaik, Windräder und Meereswindparks, sondern auch Batteriezellen, Wärmepumpen, grüner Wasserstoff aus Ökostrom, Biomethan, Kernenergie und Netztechnik sowie Technologien zur Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid.
Vergeben wird das Prädikat „Net Zero Resilience Project“ durch eine Plattform für saubere Technologie, der Vertreter der Mitgliedstaaten angehören. Die Projekte sollen von stark verkürzten Genehmigungsverfahren profitieren – „nur noch“ ein Jahr für Kapazitäten oberhalb von 1 Gigawatt. Dazu sollen unter anderem drei Monate nach Inkrafttreten der Verordnung die Mitgliedstaaten sogenannte One-Stop-Shops ins Leben rufen. Das sind zentrale Behörden, die alle Genehmigungsverfahren unter einem Dach vereinen.
Geld gibt’s aber keins
Direkte finanzielle Hilfen der EU sind zunächst nicht vorgesehen. Vielmehr sollen die Mitgliedstaaten aus den verbleibenden 220 Mrd. Euro des Corona-Wiederaufbaufonds grüne Schlüsseltechnologien fördern. Daneben sollen die Kreditkosten durch staatliche Rückzahlungsgarantien an die Gläubiger gesenkt werden. Außerdem könnte der Staat mit großen Stromabnahmeverträgen (Power Purchase Agreements) fördern sowie durch Gelder aus den Einnahmen, die mit dem CO2-Emissionsrechtehandel erzielt werden.