Rückblick

Wie Porsche bei Volkswagen gestrandet ist

Dass Porsche eine Tochter des VW-Konzerns wurde, ist dem gescheiterten Versuch des Sportwagenbauers zu verdanken, die Mehrheit an VW zu übernehmen. Doch der missglückte Coup kannte nicht nur Verlierer.

Wie Porsche bei Volkswagen gestrandet ist

Von Sebastian Schmid, Frankfurt

Im August ist es zehn Jahre her, dass sich Volkswagen den Sportwagenbauer Porsche komplett einverleibt hat. Am 1. August 2012, drei Jahre nach dem Scheitern des tollkühnen Übernahmeversuchs von Porsche, übernahmen die Wolfsburger auch die zweite Hälfte des Sportwagengeschäfts für damals gerade mal knapp 4,5 Mrd. Euro plus eine Aktie. Vorausgegangen war einer der größten und gewagtesten Übernahmecoups der deutschen Unternehmensgeschichte.

Den Anfang nahm die Saga bereits im September 2005. Damals gab Porsche ihre Pläne eines Einstiegs bei Volkswagen bekannt. Zunächst erwarb der kleinere Sportwagenhersteller rund ein Fünftel der VW-Stammaktien. Mitte 2007 betrug der Anteil bereits knapp 31% und wurde in der Porsche Automobil Holding SE gebündelt. Am 26. Oktober 2008 – knapp sechs Wochen nach der Leh­man-Pleite – verkündet Porsche-CEO Wendelin Wiedeking, dass sein Unternehmen nicht nur eine Aufstockung auf 50%, sondern sogar auf 75% der Stammaktien anpeile. Zu diesem Zeitpunkt hat Porsche bereits auf 42,6% aufgestockt und sich weitere 31,5% über Optionsgeschäfte gesichert. Mitten in den Unsicherheiten um die Finanzkrise schießt die VW-Aktie auf ein Rekordhoch von mehr als 1000 Euro – getrieben von Leerverkäufern, die sich verspekuliert hatten und sich zu horrenden Preisen mit Aktien eindecken mussten. Am 5. Januar 2009 hat sich Porsche mit 50,8% die Mehrheit der Stammaktien gesichert.

Doch der Übernahmecoup ist zu diesem Zeitpunkt längst aus dem Ruder gelaufen. Während Porsche das ehrgeizige Ziel, die nach Umsatz mehr als zehnmal so große Volks­wagen-Gruppe zu schlucken, weiter vorantreibt, kommt das Unternehmen operativ in schwieriges Fahrwasser. Mit dem Kollaps an den Finanzmärkten kollabiert auch die Nachfrage nach den teuren Sportkarossen aus Zuffenhausen. Der Absatz im ersten Halbjahr (per Ende Januar) stürzte um 27% ab, der Umsatz um 14%. Im Dezember hatte Porsche für die ersten vier Monate noch Rückgänge um nur 18% bzw. 10% gemeldet. Der Konzern kündigt ein Sparprogramm an. Wiedeking hält zu diesem Zeitpunkt am Ziel der Übernahme einer Dreiviertelmehrheit fest. Allerdings müssten die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sein. „Und die sind, wie Sie selbst wissen, zurzeit nicht sehr gut.“

Das ist untertrieben. Schon um die Position von knapp über 50% aufzubauen, hat Porsche eine enorme Nettoverschuldung geschultert – mehr als 9 Mrd. Euro. Finanziellen Spielraum für weitere Zukäufe gibt es nicht. Im Gegenteil: Fast das gesamte Aktienpaket an VW ist für Kredite verpfändet. Es stellt sich heraus, dass sich Unternehmensstratege Wiedeking wenig mit den Finanzierungsstrategien von CFO Holger Härter auseinandergesetzt hatte.

Wiedeking, der im Zuge des Anteilsaufbaus bereits den mächtigen VW-Betriebsrat gegen sich aufgebracht hat, verliert nun auch das Vertrauen der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch. Sie beerdigen das waghalsige Übernahmemanöver. Porsche soll unter das Dach von Volkswagen schlüpfen. Im Mai 2009 nimmt VW-Patriarch Ferdinand Piëch Wiedeking die Rückendeckung, indem er erklärt, dieser habe „zurzeit“ noch sein Vertrauen.

Am 23. Juli 2009 müssen Wiedeking und Härter gehen. Für Porsche, die mit mehr als 11 Mrd. Euro Schulden zurückbleibt, hat sich das M&A-Wagnis nicht gelohnt – anders für die Familien. Sie konnten den Wert des Sportwagenbauers bei der Fusion so hebeln, dass sie über die Porsche Automobil Holding SE die Mehrheit an Volkswagen erhielten. Und auch operativ brachte die Ära Wiedeking Nachhaltiges hervor. So geht die bis dato erfolgreiche Bau­reihe Panamera auf die späte Ära Wiedeking zurück.

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