Prüfermarkt

Wie steht es um die Aufsichtsräte von Wirtschafts­prüfern?

Die für alle Beteiligten, aber gerade die Prüferbranche so unerfreuliche Causa Wirecard hatte u.a. zur Folge, dass durch das ab 1.7.2021 geltende Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) eine verpflichtende Rotation nach zehn Jahren und...

Wie steht es um die Aufsichtsräte von Wirtschafts­prüfern?

Die für alle Beteiligten, aber gerade die Prüferbranche so unerfreuliche Causa Wirecard hatte u.a. zur Folge, dass durch das ab 1.7.2021 geltende Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) eine verpflichtende Rotation nach zehn Jahren und eine verschärfte Haftung der Abschlussprüfer implementiert wurden. Zur Aufstellung und dem Wirken der eigenen Aufsichtsgremien gibt es bisher allerdings kaum verschriftlichte Informationen.

Zwar wird in den verpflichtenden „Transparenzberichten“ der Gesellschaften betont, dass die Transparenz „bestmöglich zu erfüllen“ ist; dies ist jedoch durch die Darstellung der eigenen Governance-Verhältnisse nur begrenzt möglich. Sollte man aber nicht davon ausgehen, dass – angesichts der von den Wirtschaftsprüfern bei ihren Mandanten intensiv zu verfolgenden Governance-Verhältnissen – diese Berichte vergleichbare Erkenntnisse zur eigenen Governance ermöglichen?

Um zu klären, wie die für den deutschen Prüfermarkt entscheidenden vier großen Prüfungsgesellschaften in puncto eigener Aufsichtsrats-Governance aufgestellt sind, wurde diese insbesondere anhand ihrer durch die „Transparenzberichte“ nachvollziehbaren Berichterstattung analysiert. Danach können folgende Feststellungen getroffen werden:

Die Aufsichtsgremien

Mit Ausnahme der als Aktiengesellschaft fungierenden KPMG sind EY, PwC und Deloitte als GmbH organisiert. Alle vier Prüfungsgesellschaften verfügen über einen obligatorischen, paritätisch besetzten Aufsichtsrat gemäß dem Mitbestimmungsgesetz, da sie jeweils mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen. Eine Besonderheit der Organisation von Prüfungsgesellschaften ist das Partnerschaftsmodell: Die Partner sind in der Regel mit Gesellschaftern (Aktionären) gleichzusetzen. Entsprechend sind sie direkt oder indirekt in der Gesellschafterversammlung (Hauptversammlung) vertreten, können aber, sofern sie als Partner aktiv tätig sind, nicht als Vertreter der Anteilseigner in den Aufsichtsrat berufen werden (§§ 6 MitbestG i. V. m. 105 Abs. 1 AktG). Dies gilt nicht (mehr) für ehemalige Partner der Gesellschaft, die dann in der Regel auch den Aufsichtsratsvorsitz einnehmen.

Besetzung des Aufsichtsrats

Die vom Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) aufgestellten Vorgaben bezüglich der Besetzung von Aufsichtsräten können in den Berichten der vier Gesellschaften nur unvollständig nachvollzogen werden. EY, PwC und KPMG veröffentlichen nur in ihren Transparenzberichten Informationen zur Besetzung des Aufsichtsrates; Deloitte stellt diese Information nur auf der Website zur Verfügung.

Zur governancemäßig essenziellen DCGK-Vorgabe (6.6) einer angemessenen Anzahl unabhängiger Mitglieder gibt es nur wenige Informationen. Von allen Gesellschaften werden die Positionen des Vorsitzenden und der Stellvertreter getrennt ausgewiesen. Während EY und Deloitte die von der Arbeitnehmerschaft gewählten Mitglieder aufführen, ist dies bei PwC und KPMG nicht ersichtlich. Auch könnte eine stärkere Einbeziehung von Unternehmensvertretern das Bild eines ausreichend unabhängigen, fachkompetenten Aufsichtsgremiums verstärken.

Cooling-off

Für die Vorgabe des DCGK lässt sich nur bei PwC und KPMG feststellen, dass ehemalige Vorstandsmitglieder erst nach zwei Jahren Aufsichtsrat wurden.

Die Zugehörigkeitsdauer der Mitglieder ist überwiegend nur anhand zurückliegender Veröffentlichungen abzuschätzen. Da Studien zeigen, dass eine (zu) lange Gremienzugehörigkeit die unabhängige und kritische Sichtweise beeinträchtigen kann, wären Informationen über die regelmäßige Erneuerung des Gremiums zur Sicherung der Qualität der Aufsichtsratsarbeit angezeigt. Allein EY dokumentiert teilweise die Zugehörigkeitsdauer der Mitglieder. Bei den übrigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften lässt sich dies nur durch zurückliegende Veröffentlichungen approximieren.

Vergütung

Alle Gesellschaften haben eine rein fixe Vergütungsstruktur für den Aufsichtsrat. Bei PwC ist die Höhe der Vergütung an den „Aufgabenbereich des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds“ gekoppelt. Bei EY er­halten der Aufsichtsratsvorsitzende die sechsfache (bei PwC die doppelte) und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende die 1,5-fache Vergütung eines normalen Aufsichtsratsmitglieds. Weitere Angaben – wie die für die Gesamtvergütung relevante Anzahl der Sitzungsteilnahmen – gibt es nicht. Die Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder werden nicht individualisiert und in ihren Bestandteilen transparent ausgewiesen.

Eine genaue Beschreibung der Vergütungsmethodik und Vergütungsfestlegung für Vorstände und Partner fehlt bei allen Gesellschaften. Dieses Manko ist angesichts der governancemäßig so wichtigen Vergütungssystematik von börsennotierten Gesellschaften besonders auffällig.

Kompetenzprofil

Durch die ab 2020 gültigen Fassungen des DCGK wurden die Empfehlungen für die Kompetenz des Aufsichtsrats erweitert. Da in puncto Nachhaltigkeit des Unternehmens entsprechende Expertise im Aufsichtsrat gefordert wird (DCGK Soll-Empfehlung C.1), müsste diese gewichtige Komponente in der Berichterstattung der Gesellschaften deutlicher dargestellt werden. Bisher zeigt jedoch keine Gesellschaft das Kompetenzprofil, weder für den gesamten Aufsichtsrat noch für die einzelnen Mitglieder. PwC gibt an, dass „im Aufsichtsrat (…) ESG-Kompetenzen durch die spezifische Expertise einzelner Mitglieder sichergestellt (sind)“. Auch Deloitte deutet einen Einbezug von ESG-Themen im Rahmen der Aufsichtsratstätigkeit an. Keine Gesellschaft trifft jedoch eine nachvollziehbare Aussage zu den relevanten ESG-Kenntnissen der Aufsichtsratsmitglieder.

In puncto generellem Erfahrungshintergrund geben alle vier Wirtschaftsprüfungsgesellschaften durch die Betitelung „Steuerberater“ oder „Wirtschaftsprüfer“ zwar an, in welchem beruflichen Umfeld die Mitglieder beschäftigt waren. Angaben zum akademischen Werdegang und sonstige relevante Tätigkeiten werden nur von KPMG teilweise veröffentlicht. Bei EY, PwC und Deloitte ist das Kompetenzprofil der Mitglieder nur über externe Informationsquellen (vorwiegend LinkedIn) zu er­mitteln.

Ausschussarbeit

Ein ähnliches Bild ergibt sich zur Frage der Existenz und der Zusammensetzung der für qualifizierte Aufsichtsratsarbeit immer wichtiger werdenden Ausschüsse. EY, KPMG und Deloitte bieten keine einheitliche Übersicht über die Gremien und deren Besetzung. PwC nennt die entsprechenden Gremien, aber ohne Details des Aufgabenprofils. Allerdings fehlt dort ein Prüfungsausschuss, der mit unabhängiger Besetzung kritische Fragen behandeln könnte.

Geschäftsordnung

Auch hiermit könnten die Gesellschaften ihre Governance-Verhältnisse verdeutlichen – hier wären Details zur Methodik der Wahl von Aufsichtsräten und der Ausschussbildung sowie zum Aufgabenprogramm der Aufsichtsräte sinnvoll. Weiterhin würden Details zur Interaktion mit den Vorständen, aber auch zur Behandlung und Eskalation von besonders kritischen Prüfungsfällen hilfreich sein. Ebenfalls wäre eine Darstellung der Behandlung möglicher Interessenkonflikte von Vorständen und Aufsichtsräten angezeigt.

Beratung vs. Prüfung

Verhältnis zwischen den Beratungs- und Prüfungsteilen: Dieses von Prüfungsausschüssen börsen­notierter Unternehmen regelmäßig zu ver­folgende Thema potenzieller Inter­essenkonflikt-Fragen sollte durch eine Darstellung des dafür beste­hen­den Konzepts deutlich gemacht werden.

Fazit

Die Feststellungen zeigen eine unzureichende Berichterstattung zu wesentlichen Faktoren der Aufsichtsrats-Governance der vier großen Prüfungsgesellschaften. Ein klares Bild über die wesentlichen Aspekte der eigenen Aufsichtsrats-Governance und ihrer Qualität ist somit nicht gegeben. Da diese Gesellschaften für die Prüfung der Jahresabschlüsse der für Deutschland wichtigsten Unternehmen verantwortlich zeichnen, sollten sie gerade in diesem Punkt Vorbildcharakter für gute Governance zeigen und ihre bisher defizitäre Transparenz über die wesentlichen Themen und ihre jeweilige Arbeitsweise nachhaltig verbessern. Die derzeit intensive Diskussion über die Aufgaben und die Rolle der Prüferbranche sollte im Eigeninteresse Anlass zu deutlichen Fortschritten sein, schon um nicht starre gesetzliche Regelungen herauszufordern.

Governance-Merkmale der vier großen Prüfungsgesellschaften
EYPwCKPMGDeloitte
Besetzung des Aufsichtsrats
Namentliche Aufführung aller AR-MitgliederJaJaJaNur Website
Paritätische ZusammensetzungJaJaJaJa
Unabhängigkeit der MitgliederKeine AngabenKeine AngabenKeine AngabenKeine Angaben
ZugehörigkeitsdauerJa, lückenhaftNeinNeinNein
„Cooling-off“-AngabenNeinNeinNeinNein
Vergütung des Aufsichtsrats
Fixe Vergütung (AR-Vorsitzender)Ja (6x)Ja (3x)JaJa
Variable VergütungskomponenteNeinNeinNeinNein
Anzahl und Teilnahme an SitzungenNeinNeinNeinNein
Einzelbeträge der MitgliederNeinNeinNeinNein
Kompetenz des Aufsichtsrats
Kompetenzprofil NeinNeinNeinNein
Weitere Tätigkeiten der MitgliederJa, lückenhaftJa, lückenhaftJa, lückenhaftJa, lückenhaft
Akademischer WerdegangNeinNeinJa, lückenhaftNein
ESG-ExpertiseKeine AngabenKeine AngabenKeine AngabenKeine Angaben
Zusammensetzung AusschüsseKeine AngabenJaKeine AngabenKeine Angaben
PrüfungsausschussJa (Bilanz)NeinKeine AngabenKeine Angaben
Vergütungsfestlegung von Vorständen und PartnernNeinNeinNeinNein
Abgrenzung von Prüfungs- und BeratungsleistungenNeinNeinNeinNein
Quelle: Transparenzberichte der Gesellschaften, Stand 30.6.2022Börsen-Zeitung