AGB-Streit trennt Ombudsleute der Bankenverbände
Wenn Geldhäuser mit Kunden über lang zurückliegende Preiserhöhungen für die Kontoführung streiten, haben es Sparkassen einfacher als Kreditgenossenschaften: Die öffentlich-rechtlichen Institute können sich in vielen Fällen auf die Schlichtungsstelle des Sparkassenverbands DSGV berufen, wenn sie Nachforderungen der Kunden ablehnen. Eine Genossenschaftsbank hingegen muss damit leben, dass ihr die Schlichtungsstelle am BVR diesen Ausweg in vergleichbaren Fällen nicht bietet. Eine Kluft trennt somit die Bankenschlichter in Deutschland. Doch der Reihe nach.
Das Wirrwarr beginnt mit dem AGB-Urteil des Bundesgerichtshofs von April 2021. Es reicht demnach nicht, wenn Banken ihre Kunden lediglich über eine Preiserhöhung informieren. Schweigen ist keine Zustimmung, wie die Karlsruher Richter im Fall der Postbank urteilten (Az. XI ZR 26/20). Geldhäuser müssen also das Okay der Kunden für eine Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einholen. Weil das in der Vergangenheit vielfach ausblieb, sind zahlreiche Preisänderungen der Kreditwirtschaft unwirksam und Kunden können das Geld oft noch zurückfordern.
Seit dem Jahr 2021 hagelt es daher mehr Beschwerden. Doch die Schlichter gehen anders damit um. Denn wie so häufig wirft ein Grundsatzurteil neue Fragen auf. Liegt eine Preiserhöhung mehr als drei Jahre zurück, greift womöglich die sogenannte Drei-Jahres-Lösung. Eine Preiserhöhung gilt demnach als vereinbart, wenn ein Kunde drei Jahre lang nicht widersprochen hat. Dieses Prinzip schreibt der Bundesgerichtshof bisher für Energielieferverträge vor (Az. VII ZR 241/15). Kreditinstitute berufen sich regelmäßig darauf und wenden das Prinzip auf Bankverträge an. Doch in der Fachwelt ist diese Lesart umstritten. Auch die Schlichter sind sich uneins.
Die Ombudsleute der Sparkassen bekräftigen in ihrem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2022, dass diese Regel auch auf Bankverträge übertragbar sei. Die Schlichter der Genossenschaftsbanken vertreten hingegen ausdrücklich die gegenteilige Auffassung. Die Fachleute schränken hier wie dort allerdings ein, dass die Frage in der Gelehrtenwelt umstritten sei und ein finales Urteil aus Karlsruhe ausstehe. Die Schlichter der privaten Banken wiederum nehmen aus diesem Grund in diesem Streit ausdrücklich keine Position ein. Fordert ein Kunde zu viel gezahlte Gebühren nach einer Erhöhung in früheren Jahren, legen sie dafür keinen Schlichtungsvorschlag vor.
Autorität durch Expertise
Die Arbeit der Ombudsleute hat einen hohen Wert: Der Gang zu Schlichtungsstellen ist eine Alternative zu einem Gerichtsprozess, der bekanntlich aufwendig ist und lange dauern kann. Gerade die Ombudsleute der Sparkassen und Kreditgenossenschaften besprechen Streitfälle in ihren Tätigkeitsberichten ausführlich und bieten somit Orientierung auch in vielen anderen Fällen. Das ist gerade im Streit über länger zurückliegende Erhöhungen wichtig, denn betroffen sind vermutlich „Hunderte von Banken, Tausende von Kunden und wahrscheinlich mehrere Millionen von Konten und letztlich Kosten der Banken im mindestens zweistelligen Millionenbereich“, wie im Bericht der BVR-Ombudsleute zu lesen ist. Die Schlichter – Schlichterinnen sind selten – haben sich zuvor im Richteramt, in Justizministerien oder an einer Universität bewährt. Sie genießen damit Autorität, auch wenn ihre Vorschläge formal unverbindlich sind.
Wie sehr sich Energiesparverträge und Bankangebote ähneln, liegt im Ermessen des Betrachters. Der Bundesgerichtshof erkannte damals ein „untragbares Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung“. Energieunternehmen müssen Energie zu stark schwankenden Preisen beschaffen oder bereitstellen. Weil das mit Kosten einhergeht, ist Planungssicherheit essenziell – daher die Drei-Jahres-Regel. Eine gleichermaßen unzumutbare Härte sei bei einer Bank aber nicht erkennbar, schreiben die Schlichter der Kreditgenossenschaften. Dabei verweist ihr Bericht auch auf die teils kostenlosen Girokonten. „Die entgeltfreie Kontoführung war über Jahre und Jahrzehnte hinweg Standard und sie ist auch heute noch anzutreffen.“
Die Sparkassenschlichter sehen das anders. Ein stabiles Finanzsystem sei wichtig. „Dazu muss einigermaßen sichergestellt sein, dass die Leistungserbringer davon ausgehen können, dass die in Gestalt der Kontonutzungsentgelte geschuldete Gegenleistung der Abnehmer die Produktionskosten zuverlässig abdecken kann“. Die Bereitstellung eines Kontos verursache Kosten, selbst wenn die Bank dafür bislang keine Gebühren erhebe, sondern über andere Geschäfte mit den Kunden Erträge erwirtschaften wolle.
Mit dem Verweis auf Energieverträge stellen sich die Sparkassenschlichter gegen die Stiftung Warentest und die Verbraucherzentralen, die ebenfalls einen wesentlichen Unterschied zur Kontoführung ausmachen. Die Ombudsleute sehen sich selbst dem Vorwurf ausgesetzt, voreingenommen zu sein. „Sorgfältig, wohl überdacht und unabhängig“ hätten sie sich eine Rechtsmeinung gebildet, halten sie im Bericht entgegen. „Die Rechtslage ist häufig nicht so eindeutig und klar, wie das manche Berichterstattung in den Medien darstellt.“
Klarheit dürfte erst der Bundesgerichtshof schaffen, wie die Ombudsleute der Sparkassen und Kreditgenossenschaften festhalten. So geht etwa der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in zwei Musterfeststellungsklagen gegen die Berliner Sparkasse und die Sparkasse KölnBonn vor. Die Streitfälle könnten einst in Karlsruhe landen.
Der Bundesgerichtshof prägte bisher schon die Arbeit der Schlichter wesentlich. Vor allem im Jahr 2014, als das Gericht Kreditbearbeitungsgebühren für unrechtmäßig erklärte, hagelte es Beschwerden. Allein bei den privaten Banken gingen rund 108600 Anträge ein, die fast alle auf eine Erstattung der Gebühren zielten. Eine vergleichbare Flut blieb seither zwar aus. Das AGB-Urteil sorgte aber ebenfalls für Tausende Anträge. Immerhin ebbte die Zahl der Beschwerden bereits ab.
Das gilt etwa für die Kreditgenossen, wo sich mit 1047 Anträgen rund 60% der Beschwerden auf die Kontoführung beziehen – darunter viele Fälle zum AGB-Streit. Im Jahr 2021 gingen noch zweieinhalb mal so viele Anträge zur Kontoführung ein. Die Sparkassen ordnen 1829 Anträge (41%) der Kontoführung zu. Auch hier kamen im Vorjahr noch mehr als doppelt so viele Anschreiben zusammen. Die Schlichter der privaten Banken zählen nur noch annähernd 500 Anträge, die sie konkret dem AGB-Streit zuordnen. Im Vorjahr waren es mehr als dreimal so viele. Auch die Ombudsleute der öffentlichen Banken, die etwa für Landesbausparkassen und die BayernLB-Tochter DKB zuständig sind, zählen viele Beschwerden zu Kontogebühren, erhalten aber seit dem Frühjahr 2022 nur noch wenige Anschreiben dazu.
Mal pro Kunde, mal pro Bank
Die Ombudsleute beschäftigen sich freilich nicht nur mit AGB-Streitfällen. Auch die Verweigerung eines Basiskontos, Passwort-Betrug, fragwürdige Anlageratschläge und die Zinsberechnung in alten Prämiensparverträgen sind typische Beschwerdegründe.
Die Statistik spricht dabei insgesamt für eine ausgewogene Haltung der Ombudsleute. Zwar ziehen viele Privatleute ihren Antrag wieder zurück oder verfolgen ihn nicht weiter. Doch oft haben sie auch Erfolg: Nach Zählweise der Schlichter der Privatbanken lenken die Geldhäuser in 37% der Fälle bereits vor einem Vorschlag der Ombudsleute ein, während 32% der Auseinandersetzungen mit einem Vergleich oder Schlichtungsspruch enden. Bei den Kreditgenossen liegen die entsprechenden Werte mit 27% und 14% etwas niedriger. Hier nehmen die Streitparteien in etwa 23% der Fälle den Schlichtungsspruch nicht an, wie aus den Daten für das Jahr 2022 folgt. Nach Zählweise der Sparkassen-Ombudsleute enden 29% der Fälle zugunsten des Kreditinstituts, während in 38% der Kunde Recht behält oder das Verfahren in einem Vergleich mündet. Oft genug kommt also eine brauchbare Einigung zustande. Genau darauf kommt es in der Schlichtung an.