Assetmanagement

Akquisition unerschlos­sener Kundengelder

Schätzungen zufolge halten europäische Haushalte 14 Bill. Euro an nicht investiertem Vermögen. Wie schaffen es Vermögensverwalter, dieses brachliegende Kundenvermögen zu akquirieren?

Akquisition unerschlos­sener Kundengelder

Die letzten Monate waren für die Vermögensverwaltungsbranche geprägt von Turbulenzen, Unsicherheiten und Veränderungen. Die Zeiten, in denen das Umfeld für Vermögensverwalter in Europa stabil war, scheinen somit vorerst vorbei zu sein. Vielmehr werfen die hohe Volatilität in den Märkten und sich ändernde Kundenbedürfnisse die Fragen auf, welche Märkte und Segmente am lukrativsten und welche Fähigkeiten und Angebote am erfolgversprechendsten sind. Immer auch mit dem Ziel, nachhaltig für die Zukunft gewappnet zu sein. Diesen und weiteren Fragen ist das Beratungsunternehmen Accenture zusammen mit der Personal Investment Management & Financial Advice Association (PIMFA) in ihrer aktuellen Wealth- Management-Studie auf den Grund gegangen.

Schätzungen zufolge halten europäische Haushalte 14 Bill. Euro an nicht investiertem Vermögen. Deutschland belegt dabei im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz. Dieses nicht investierte Vermögen bietet Vermögensverwaltern signifikante Chancen, Neugelder zu akquirieren und für ihre Endkunden Renditen zu generieren. Gleichzeitig können Vermögensverwalter zusätzliche Gebühreneinnahmen erwirtschaften, indem sie diese Gelder erschließen. Doch wie schaffen es Vermögensverwalter, dieses brachliegende Kundenvermögen zu akquirieren?

Digitale Dienstleistungen

Besonders jüngere Anleger wickeln heutzutage viele Geschäfte direkt über ihr Mobiltelefon ab. Alles kann bequem von unterwegs und rund um die Uhr erledigt werden. Entsprechend erwarten die jüngeren Generationen ein solches Service-Level auch von ihrem Vermögensverwalter: Jegliche finanzielle Dienstleistung soll alternativ auch über digitale Kanäle abgewickelt werden können. Die Covid-Krise hat die Nachfrage nach sogenannten hybriden Servicemodellen zusätzlich beflügelt. Dabei findet die Interaktion zwischen Kunden und Vermögensverwaltern primär über digitale Kanäle statt.

Gleichzeitig haben Kunden auch weiterhin die Möglichkeit, analog mit Ansprechpartnern in Kontakt zu treten. Die in der Studie befragten Vermögensverwalter erkennen die Wichtigkeit, in den kommenden Jahren digitale Dienstleistungen anbieten zu können. Insbesondere die Aufwertung des Kundenerlebnisses steht im Mittelpunkt und umfasst sowohl ein nahtloses und digitales Onboarding von Neukunden, papierlose Prozesse als auch verbesserte digitale Reporting-Lösungen.

Nachhaltige Investments

Ein weiterer Trend, welcher in der Branche beobachten werden kann, ist die steigende Nachfrage nach ESG-konformen Anlagemöglichkeiten. Das sind Finanzprodukte und Dienstleistungen, welche die Faktoren Environmental, Social und Governance (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) be­rücksichtigen. 93 % aller von Accenture befragten Entscheidungsträger bei Vermögensverwaltern gaben an, künftig einen erheblichen Fokus auf ihr Angebot an ESG-Finanzprodukten legen zu wollen. Dies insbesondere, weil Kunden vermehrt ESG-Themen, wie zum Beispiel Reduktion von Plastik, Klimawandel oder Kreislaufwirtschaft, in ihren Anlagen berücksichtigt haben möchten. Rund 80 % der befragten Industrieexperten erwarten, dass bis zum Jahr 2025 Kunden die Verwaltung ihres Vermögens nach ESG-Kriterien als eine der höchsten Prioritäten ansehen werden.

Die steigende Popularität solcher Anlagen spiegelt sich auch im starken Wachstum von ESG-Investments wider. Schätzungen zufolge wird das globale Vermögen in ESG-konformen Anlagen bis Ende 2025 ein Wachstum von rund 33 % gegenüber 2022 verzeichnen. Besonders die Kundengruppe der Millennials (geboren zwischen 1981 und 1996) zeigt dabei ein starkes Interesse an ESG-Investments. Aufgrund dieser Entwicklungen im ESG-Bereich ist es für Vermögensverwalter von zentraler Bedeutung, den Kunden entsprechende Investmentlösungen anbieten zu können.

Technologie anpassen

Ein digitales Service-Erlebnis sowie ESG-Investments haben großen Einfluss auf die eingesetzte Technologie. Um Kunden zukünftig optimal bedienen zu können, wird es demnach in den meisten Fällen nötig sein, die Technologie-Infrastruktur anzupassen. Für Vermögensverwalter ist es wichtig, bei einer solchen Umstellung die gesamte Wertschöpfungskette zu berücksichtigen.

Gleichzeitig wird auch ein stärkerer Fokus auf das Thema Daten notwendig, insbesondere im Kontext der steigenden Nachfrage nach ESG-Investments. Gerade in diesem Bereich sind aktuelle und akkurate Daten entscheidend. Zusätzlich bietet auch der Einsatz von Analytics und künstlicher Intelligenz (KI) große Chancen, aus Daten wertvolle Informationen zu gewinnen und mit ihrer Hilfe zusätzliches Wachstum zu generieren. Jedoch ist die Umstellung auf ein technologie- und datengetriebenes Betriebs- und Geschäftsmodell für viele Vermögensverwalter eine große Herausforderung. Um diese zu meistern, hilft eine sorgfältig formulierte und holistisch gedachte Modernisierungsstrategie. Außerdem ist es vorteilhaft, sich als Unternehmen möglichst agil aufzustellen, um schnell auf sich wandelnde Gegebenheiten reagieren zu können.

Verbesserte Effizienz

Vermögensverwalter sollten in Zukunft neben der Akquisition von Kundengeldern auch einen Fokus auf verbesserte Effizienz legen. Das ist wichtig, um sich auf disruptive Einflüsse vorzubereiten, welche in den kommenden Jahren das Geschäftsfeld prägen werden: Veränderungen im sozialen und ökonomischen Umfeld, sich ändernde Kundenbedürfnisse sowie die erweiterten Anforderungen an Dienstleistungen, Produkte und Technologien.

Ein Schwerpunkt bei der Effizienzsteigerung sollte auf der Schulung der Kundenberater liegen, um Kunden bestmöglich bedienen zu können. Dabei sollten die Bereiche der digitalen Services und ESG- Investments im Mittelpunkt stehen. Ein weiteres Handlungsfeld für Vermögensverwalter besteht darin, ihren Automatisierungsgrad zu erhöhen. Dies könnte zum Beispiel über die Einführung eines digitalen Onboardings, über skalierbare Beratungsangebote sowie über den Einsatz von KI geschehen.

Letzteres kann es einem Vermögensverwalter ebenfalls ermöglichen, den Kunden besser und effizienter Optimierungspotenziale ihrer Anlagen aufzuzeigen. Abschließend lässt sich sagen, dass in der Vermögensverwaltungsbranche weiterhin beträchtliche Wachstumschancen bestehen – besonders für diejenigen Firmen, welche sich operationell und in ihrem Angebot auf die Zukunft ausrichten.