Aktionäre am Drücker
Regulatoren und Öffentlichkeit nehmen Investoren zunehmend in die Pflicht, ihre exponierte Rolle in der Corporate Governance von Unternehmen gewissenhaft auszufüllen. Vorbei die Zeiten, in denen es vorrangig um Shareholder Value ging und wenig Augenmerk auf die Interessen anderer Stakeholder gelegt wurde. Inzwischen sind institutionelle Anleger aufgerufen, als Eigentümer der Unternehmen Sorge zu tragen, dass nicht nur Ertragsziele erreicht werden und hohe Transparenz gewährleistet wird, sondern dass Konzernleitung und Aufsichtsrat so besetzt sind, dass auch soziale und ökologische Ziele erreicht werden.
In dem Szenario gesamtgesellschaftlicher Verantwortung ist es nur folgerichtig, dass der Vermögensverwalter BlackRock seinen institutionellen Kunden mehr Freiheiten bei der Abstimmung in Hauptversammlungen einräumen will. Aktionäre sind hier am Drücker, denn es geht um das zentrale Kontrollorgan der Investoren, um ihre Anliegen zu artikulieren und im Votum durchzusetzen – vor allem, wenn sich die Unternehmensführung in wichtigen Themen uneinsichtig zeigt. Für den Assetmanager steigt der Aufwand, wenn er großen Pensionsfonds und anderen bedeutenden Anlegern künftig ermöglichen wird, in eigener Regie in Aktionärstreffen abzustimmen oder einen Stimmrechtsvertreter nach ihrer Wahl zu beauftragen. Doch er kommt einem Anliegen nach, das seinen auf Verantwortung bedachten Kunden schon längere Zeit unter den Nägeln brennt.
Wenn die Praxis Schule macht, müssen sich Unternehmen auf größere Überraschungen in den Abstimmungsergebnissen ihrer Hauptversammlungen einstellen. Die Voten werden schwerer vorhersehbar, wenn große Teile der BlackRock-Kunden womöglich anders über Tagesordnungspunkte befinden, als es die Policy des Assetmanagers selbst nahelegt. Er gibt gleichsam einen Teil seiner eigenen Macht und seiner Einflussmöglichkeit auf Unternehmen ab, in denen er investiert ist.
Für alle Beteiligten folgt daraus, dass sie noch intensiver ins Gespräch kommen müssen. Lange Jahre wurden vor allem Aufsichtsräte kritisiert, dass sie zu wenig Bereitschaft für den Dialog mit Investoren zeigen. Dieses Manko dürfte – jedenfalls bei großen Unternehmen – behoben sein. Nun müssen sich Investoren an die eigene Nase fassen. In dem Kreis zeigen leider auch nicht alle großen Drang, vor der Hauptversammlung mit den Emittenten in die Diskussionen zu gehen und Kritik nicht erst mit Abgabe des Stimmzettels zu artikulieren.