Kryptoassets

Alles eine Frage der Perspektive

Der britische Schatzkanzler Rishi Sunak setzt voll auf Kryptoassets. Die Bank of England und die britische Finanzaufsicht warnen dagegen regelmäßig vor ihnen.

Alles eine Frage der Perspektive

Von Andreas Hippin, London

Der britische Schatzkanzler Rishi Sunak hat angekündigt, Großbritannien zu einem weltweiten Zentrum für Kryptoasset-Technologien zu machen. „Wir wollen die Unternehmen von morgen und die Stellen, die sie schaffen, hier in Großbritannien sehen“, sagte der zuletzt stark angeschlagene Hoffnungsträger der britischen Konservativen. „Durch effektive Regulierung können wir ihnen die Zuversicht geben, die sie benötigen, um langfristig zu denken und zu investieren.“

Doch gerade die Aufsicht ist vom wilden Treiben im Cyberspace wenig angetan. Die Bank of England wird nicht müde, daran zu erinnern, dass dem Großteil der Kryptoassets kein intrinsischer Wert innewohnt und dass sie zudem extremen Preisschwankungen unterliegen. Aus der Sicht einer Institution, zu deren Aufgaben die Aufrechterhaltung der Finanzstabilität gehört, ist es problematisch, wenn die Kryptowelt beginnt, Verbindungen mit dem traditionellen Finanzsystem einzugehen. Das Geschäft wird bislang von Kleinanlegern dominiert. Um die 2,3 Millionen Briten gaben im vergangenen Jahr an, Kryptoassets in irgendeiner Form zu besitzen. Mehr als die Hälfte wollte zukaufen. Auch das Interesse institutioneller Investoren wächst. Das bringt komplexere Anlagestrategien, Kryptofutures und allerlei Derivate hervor. Akteure beginnen, fremdfinanziert zu handeln.

Wie die weltweite Finanzkrise zeigte, muss man keinen großen Teil des Finanzsystems ausmachen, um Stabilitätsprobleme auszulösen. Subprime wurde 2008 mit 1,2 Bill. Dollar bewertet. Kryptoassets kommen heute auf mehr als das Doppelte. Sunak will Stablecoins, deren Wert sich direkt von amtlichen Währungen wie dem Dollar ableitet, der Regulierung unterwerfen. Das soll den Weg dafür bahnen, sie als reguläre Zahlungsmittel in Großbritannien anzuerkennen. Aufseher befürchten jedoch, dass Stablecoins nicht durch ausreichend Reserven gedeckt sind und für Geldwäsche und andere illegale Aktivitäten genutzt werden. Eine Cryptoasset Engagement Group soll zwischen Regierung und Branche vermitteln. Ein „Finanzmarktinfrastruktur-Sandkasten“ soll Firmen dabei helfen, Innovationen voranzubringen. Und die über 1000 Jahre alte Münzanstalt Royal Mint soll einen Non-Fungible Token (NFT) entwickeln. Die Financial Conduct Authority (FCA) baut derzeit eine eigene Abteilung für Kryptoassets auf. Vor kurzem forderte sie die Betreiber von Bitcoin-Automaten, die Bargeld in Kryptowährungen wechselten, zu deren Schließung auf. Die Behörde hatte keinem der Betreiber den Betrieb solcher Automaten genehmigt. Ihr Handicap: Sie soll einerseits den Anlegerschutz ge­währleisten, andererseits Innovationen nicht im Wege stehen.

Dabei ist alles eine Frage der Perspektive: Sunak wird nicht entgangen sein, dass der Branche in der EU der Wind ins Gesicht bläst. Dort müssen demnächst wohl bei jedem Trans­fer von Kryptoassets – wie bei regulären Überweisungen – Identität von Absender und Empfänger offengelegt werden, um verdächtige Transaktionen erkennen und gegebenenfalls blockieren zu können. Der Schatzkanzler hofft wohl, durch eine lockerere Herangehensweise die kreativen Köpfe vom Kontinent anzuziehen, die der Brüsseler Regulierungswut entkommen wollen. Schließlich braucht die City of London dringend neue Wachstumsfelder. Anlegerschutz und Finanzstabilität rücken dagegen in den Hintergrund.