Versicherer

Allianz Direct formiert sich für den Neustart

Die Allianz greift im europäischen Direktversicherungsgeschäft an. Sie kauft kräftig zu und wirbt Personal von der Konkurrenz ab.

Allianz Direct formiert sich für den Neustart

Allianz Direct formiert sich für den Neustart

Direktversicherer will Einnahmen in drei Jahren um die Hälfte steigern – Vorständin Boshnakova kündigt Akquisitionen an

mic München

Im Jahr 2019 hat die Allianz ihren neuen Direktversicherer mit viel Tamtam aus der Taufe gehoben. Es wurde ein krachender Fehlstart von Allianz Direct. Doch Vorstandsvorsitzender Oliver Bäte blieb hartnäckig. Er berief prominente Manager, spendierte europaweit Zukäufe und verordnete harte Kärrnerarbeit. Allein im Jahr 2023 schoss die Mutter 100 Mill. Euro zu. Mittlerweile zeichnet sich ab, dass ein Erfolg möglich ist.

Die Beharrlichkeit hat ihre Gründe. Schließlich wächst das Segment jener Kunden, die ausschließlich digital unterwegs sind. Und: Vertriebskosten sollen gesenkt werden. Bäte strich auf dem Kapitalmarkttag im Dezember unter dem Titel „Lifting ambitions“ heraus, die Allianz wolle ihre Kunden nicht nur über Vermittler erreichen. An die Analysten gewandt, fuhr er fort: „Das schützt Ihre Marge als Anteilseigner.“ Höhere Ambitionen haben eben auch die Aktionäre.

„Höhen und Tiefen“

Sirma Boshnakova, seit Anfang 2022 im Vorstand und dort unter anderem für Allianz Direct verantwortlich, weiß sehr wohl, von welchem Niveau aus sie startete. „Wir hatten Höhen und Tiefen“, bilanzierte sie jüngst: „Wir waren manchmal nicht so schnell, wie wir sein wollten.“

Dies darf als zurückhaltend formuliert gelten. Bis Ende 2020 halbierte Allianz Direct die Zahl der – von der Vorgängergesellschaft übernommenen – versicherten Autos in Deutschland, und die IT-Migration holperte gewaltig. Erst beendete das Management die Zusammenarbeit mit Vergleichsportalen, dann rief es im Sommer 2022 eine strategische Partnerschaft mit Check24 in Deutschland und später in Spanien aus. Zudem sorgte die Pandemie 2021 für ein schwaches Neugeschäft.

HUK24 muss bluten

Boshnakova greift nun in die Vollen, um Wachstum und Profitabilität zu steigern. Sie geht die HUK-Coburg frontal an, indem sie deren HUK24-Vorstand Uwe Stuhldreier – der dort seit 2016 die digitale Skalierung orchestrierte – zum 1. April zur Allianz Direct lotst.

Die Allianz Direct beschränkt sich aber nicht auf Deutschland, sondern versteht sich als paneuropäisch. Ein M&A-Feldzug ist notwendig, denn organisch ist dies nicht zu stemmen. Im November kauften die Münchener das europäische Schaden- und Unfallversicherungsgeschäft der Swiss-Re-Tochter Iptiq. 130.000 Kunden und 100 Beschäftigte stoßen zur Allianz Direct, die damit ihre 2023 initiierte Strategie fortsetzt, die Konsumenten auch indirekt auf dem B2B2C-Weg anzusprechen. Es gibt Allianz Direct zufolge mehr als 20 Partnerschaften, darunter auch mit ING.

Marktführer in den Niederlanden

Im Oktober wurde der Kauf des Portfolios von Friday in Deutschland und Frankreich angekündigt. Mit den 250.000 neuen Kunden sei man gemessen am Beitragsvolumen die Nummer 3 auf dem deutschen Markt für Kfz-Direktversicherungen, heißt es in München. Zu Jahresbeginn hatte Allianz Direct bereits das französische Insurtech Luko (112 Beschäftigte, 20 bis 25 Mill. Euro Bruttobeitragseinnahmen) erworben. „Wir werden weiterhin nach strategischen Akquisitionen Ausschau halten“, sagte nun Boshnakova.

Allianz Direct ist damit in fünf Ländern aktiv. Nach eigener Kalkulation ist der Versicherer in den Niederlanden Marktführer im Direkt-Neugeschäft mit einem Marktanteil von mehr als 20%. In Italien stehe man mit 14% auf dem zweiten Platz, gefolgt von dritten Plätzen in Deutschland (7%) und Frankreich (5%, ohne Autoversicherung) und dem sechsten Platz in Spanien (1%). Ende 2023 waren gut 914.000 Autos von Allianz Direct versichert.

Operativen Gewinn verdoppeln

Boshnakova rechnete den Analysten vor, dass Allianz Direct mehr als 2,3 Millionen Versicherungsverträge hat: „Dies resultiert in Beitragseinnahmen von 1,2 Mrd. Euro im Jahr 2024.“ 42% werden in Italien erwirtschaftet, 35% in den Niederlanden und 18% in Deutschland. Während die Beiträge in den drei Jahren seit 2021 um 20% zulegten, sollen sie bis 2027 um 50% auf 1,8 Mrd. Euro steigen.

Zugleich soll der operative Gewinn, ausgehend von 15 Mill. Euro im Jahr 2021 über 50 Mill. Euro 2024 auf mehr als 100 Mill. Euro im Jahr 2027 steigen. Dabei peilt Allianz Direct eine Combined Ratio von rund 95% an, nach 98% in der laufenden Periode und 99,3% im Jahr 2023.  

Der Treiber der Gewinnsteigerung: eine höhere Automation inklusive künstlicher Intelligenz und hoher Selbstbedienungsraten (2024: 85%). Boshnakova will die jährlichen Kosten pro Vertrag von 12 Euro im Jahr 2021 über 8 Euro in der laufenden Periode auf 6 Euro im Jahr 2027 senken. Die Allianz-Vorständin betont, dass Allianz Direct europaweit auf einer einheitlichen IT-Plattform agiere. Deren ältester Bestandteil sei vier Jahre alt.

In der Konsequenz will Boshnakova die Kostenquote, die von 2021 bis 2024 um sieben Prozentpunkte auf etwa 16% gesunken sei – allerdings 2023 schon 14,2% erreicht hatte –, weiter drücken. Die Allianz SE meldete im eigenen deutschen Sachgeschäft zuletzt eine Quote von 24%.

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