Bankklauseln

BaFin legt sich für Bankkunden doppelt ins Zeug

Bei nur einer Allgemeinverfügung, mit der die Finanzaufsicht im Streit über Prämiensparverträge Druck auf die Branche aufbaut, wird es womöglich nicht bleiben. Auch im AGB-Streit prescht die BaFin vor.

BaFin legt sich für Bankkunden doppelt ins Zeug

jsc Frankfurt

Die deutsche Finanzaufsicht BaFin erhöht in zwei wesentlichen Streitfragen zwischen Banken und ihren Kunden den Druck auf die Kreditwirtschaft: Während sie in der Auseinandersetzung über die Verzinsung von alten Prämiensparverträgen mit mittlerweile ungültigen Zinsanpassungsklauseln wie angekündigt eine Allgemeinverfügung veröffentlicht hat und Banken somit zu einer Neuregelung drängt, prüft sie den Einsatz einer Allgemeinverfügung auch nach dem jüngsten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu der Anpassung der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), wie die BaFin am Montag erklärt hat.

Im Fall der Prämiensparverträge stellt BaFin-Exekutivdirektor Thorsten Pötzsch einen „Verbraucherschutz, der wirkt“ in Aussicht und verwies auf gescheiterte Gespräche mit der Kreditwirtschaft. Die BaFin rechne damit, dass sich einige Institute damit an das Verwaltungsgericht wendeten – „das ist übliches Prozedere im Rechtsstaat“. Mit Blick auf das jüngste BGH-Urteil zu den AGB-Anpassungen (Az. XI ZR 26/20) zeigt sich der Exekutivdirektor noch vorsichtig und kündigt eine sorgfältige Prüfung der Urteilsbegründung an. „Wir schießen auch hier nicht aus der Hüfte.“

Altlasten der Sparkassen

Der Prämiensparstreit ist vor allem für Sparkassen relevant, die bereits in der Zeit um die Jahrtausendwende entsprechende Sparverträge vertrieben haben. Das Modell sieht vor, dass Sparer nicht nur allein durch Zinsen, sondern auch durch eine jährlich steigende Prämie auf die dann eingezahlten Beiträge profitieren. In den vergangenen Jahren hatten die Institute die Sparpläne in großer Zahl gekündigt, nachdem die höchste Prämienstufe erreicht war. Der BGH hat diese Praxis weitgehend für zulässig erklärt (Az. XI ZR 345/18).

Seither dreht sich der Streit zwischen Kreditinstituten und Verbraucherzentralen vor allem um die Zinsberechnung: Nachdem der BGH die damals noch üblichen einseitigen Zinsanpassungsregeln gekippt hatte, haben die Institute die Zinszahlung an Referenzsätze gekoppelt. Verbreitet ist eine „absolute“ Anpassung, wie die BaFin festhält. Verschiebt sich der Referenzzins – häufig eine Mischung aus 3-Monats-Euribor und 10-Jahreszins –, zeichnet der Zinssatz der Bank die absolute Veränderung in regelmäßigen Abständen eins zu eins nach.

Die BaFin lässt jedoch erkennen, dass sie ähnlich wie die Verbraucherzentralen eine „relative“ Anpassung befürwortet, bei der die Änderung nur anteilig nachvollzogen wird, also zum Beispiel um 0,8 Prozentpunkte für jeden vollen Prozentpunkt. Nach Jahren sinkender Zinsen hätten Sparer also rückblickend höhere Zinsen erhalten, die sich leicht auf zusätzlich einige Tausend Euro je Vertrag summieren können. Die BaFin verweist in der Verfügung auf ein Urteil des BGHs, der in einem ähnlichen Fall für eine „relative“ Methode plädiert hatte (Az. XI ZR 197/09).

Da viele Altverträge noch Klauseln enthalten, die aus heutiger Sicht ungültig sind, sollen die Geldhäuser laut Allgemeinverfügung der BaFin ihre Kunden über die unwirksamen Klauseln informieren, um dann eine ergänzende Auslegung oder aber eine individuelle Vereinbarung zu erreichen. Die BaFin stellt im Einklang des Vorschlags der Verbraucherzentralen klar, dass nicht nur ausdrücklich als „Prämiensparvertrag“ bezeichnete Pläne, sondern auch vergleichbare Angebote erfasst sind. Zugleich verzichtet die Aufsicht jedoch – anders als von den Verbraucherzentralen gefordert – auf eine „sofortige Vollziehung“, so dass Banken und Sparkassen für einen Klageweg Zeit bleibt.

Der Sparkassenverband DSGV kündigte auf Nachfrage am Montag an, dass die betroffenen Institute einen Widerspruch prüfen werden. Der Verband spricht dabei als Federführer für die Deutsche Kreditwirtschaft, also für die gesamte Branche. Der BGH befasst sich derzeit mit den Zinsregeln speziell in Prämiensparverträgen, so dass voraussichtlich ein weiteres Urteil folgen wird.

In beiden Streitfällen – beim Prämiensparen und in der AGB-Anpassung – geht es für die Kreditwirtschaft um viel. Im Prämiensparstreit haben nach Zählung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg 167 Sparkassen und Genossenschaftsbanken entsprechende Verträge angeboten. Bei den AGB-Anpassungen sind die finanziellen Folgen unklar, die Institute wagen öffentlich hier häufig keine Prognose. Die BaFin sieht die Last aber im schlimmsten Fall typischerweise bei der Hälfte des Jahresüberschusses, wie sie im Mai erklärt hatte. Unklar ist bislang nicht nur, welche Institute betroffen sein werden, sondern wie viele Kunden Geld zurückfordern.

Wertberichtigt Seite 6