Banken wollen Zinserhöhung weitergeben
fir Frankfurt
Viele deutsche Banken und Sparkassen wollen Strafzinsen für Kundeneinlagen im Gleichklang mit möglichen Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) herabsetzen bzw. abschaffen. Das zeigt eine Umfrage der Börsen-Zeitung unter neun Finanzinstituten. Am Dienstag hat bereits die ING Deutschland bekannt gegeben, zum 1. Juli die Freibeträge für Guthaben auf Giro- und Tagesgeldkonten von derzeit 50000 auf 500000 Euro pro Konto anzuheben. Damit entfalle das Verwahrentgelt für 99,9% der Kunden, sagte Vorstandschef Nick Jue der Mitteilung zufolge. Er bekräftigte seine Ankündigung vom Februar, mit Wegfall der Minuszinsen der EZB das Verwahrentgelt ganz streichen zu wollen.
Einlagensatz maßgeblich
Banken, die auf Kundeneinlagen Verwahrentgelte berechnen, orientieren sich dabei in der Regel am Einlagenzins der EZB, auch Einlagefazilität genannt. Die Notenbank hat diesen Zinssatz, zu dem Banken überschüssiges Zentralbankguthaben bis zum nächsten Geschäftstag im Eurosystem anlegen, Mitte 2014 von null zunächst auf −0,10% und bis September 2019 sukzessive weiter auf den derzeit gültigen Satz von −0,5% abgesenkt.
Diese Strafzinsen auf Kundeneinlagen geben nach Angaben des Vergleichsportals Verivox hierzulande mindestens 455 von rund 1300 Finanzinstituten an Privatkunden weiter. So viele Banken und Sparkassen haben Verivox zufolge auf ihren Internetseiten bzw. in online zugänglichen Preisverzeichnissen Minuszinsen angegeben (Stand: 10.5.). Bereits vor rund drei Wochen hatte die Oldenburgische Landesbank (OLB) als Vorreiterin die Freigrenzen für Retailkunden heraufgesetzt, ab denen 0,5% Strafzinsen fällig werden.
Viele der befragten privaten Banken, Sparkassen und genossenschaftlichen Institute beabsichtigen, die Verwahrentgelte anzupassen, wenn die EZB die Zinsen erhöht, wie aus der Umfrage deutlich wird. „Wenn die EZB den Satz der Einlagenfazilität ändert, werden wir im Privatkundengeschäft das Entgelt kurzfristig entsprechend anpassen und für den Fall einer Einlagefazilität von null oder größer vollständig auf die Erhebung eines Verwahrentgelts verzichten“, heißt es auf Anfrage etwa von der Deutschen Bank. Sie erhebt nach eigenen Angaben seit Mai 2020 mit ihren Marken Deutsche Bank und Postbank im Privatkundengeschäft für höhere Einlagenvolumen Verwahrentgelt, dessen Höhe sich nach der Einlagefazilität der EZB richte. Dabei liegen die Freibeträge bei 50000 Euro für Giro- und Anlagekonten und bei 25000 Euro für Tagesgeld.
Ewas weniger deutlich ist die Commerzbank. Man schaue sich die Entwicklung genau an und werde reagieren, „wenn sich die steigenden Zinsen als nachhaltig erweisen“, erklärt ein Sprecher. Demnach wird seit August 2021 bei Neukunden ab einem Freibetrag von 50000 Euro für Einlagen Verwahrentgelt berechnet – aktuell in Höhe von 0,5%. Bei Bestandskunden würden Vereinbarungen individuell im Kundengespräch besprochen.
Die HVB will keine hypothetischen künftigen Marktentwicklungen kommentieren. Man bereite sich aber auf verschiedene Szenarien vor, teilte die deutsche Unicredit-Tochter mit. Die Planungen liefen, entsprechend schnell werde dem Marktumfeld entsprechend entschieden, wenn sich an der jetzigen Praxis etwas ändern sollte. Soll heißen: Wenn die Zinsen steigen, werden die Freigrenzen bzw. Strafzinsen angepasst. Die HVB erhebt aktuell ein Verwahrentgelt von 0,5% ab 100000 Euro auf Einlagen auf Girokonten. Betroffen seien davon jedoch nur sehr wenige Privatkunden.
Die Targobank nimmt ein Verwahrentgelt für Privatkunden, die eine Freibetragsgrenze von 50000 Euro überschreiten. Die Entgelthöhe richte sich nach einer Preisstaffel, die abhängig von der Einlagenhöhe sei. Die Konditionen im Einlagengeschäft sollen einem Sprecher zufolge „überprüft“ werden, falls die EZB den Leitzins ändert. Konkrete Planungen gebe es dazu aktuell aber noch nicht.
Auf eine beabsichtigte Anhebung der Zinsen im Gleichklang mit der EZB verweist die Sparkasse Fulda. „Wenn die EZB den Zinssatz der Einlagefazilität gegen null verändern sollte, verändert sich auch der Zinssatz des Verwahrentgelts in gleichem Maß“, erklärt ein Verantwortlicher des nordhessischen Instituts. In den Vereinbarungen der Sparkasse mit Kunden werde der Zinssatz des Verwahrentgelts an die EZB-Einlagefazilität gekoppelt. „Eine Anhebung der ohnehin großzügigen Freibeträge ist in unserer Sparkasse nicht vorgesehen“, heißt es weiter.
Auch die Sparkasse Vorderpfalzbekundet, ihre Verwahrentgelt-Konditionen an etwaige Veränderungen des EZB-Satzes anpassen zu wollen. Für neue Privatkunden wird den Ludwigshafenern zufolge aktuell ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,5% ab einem Freibetrag von 30000 Euro erhoben, mit Bestandskunden würden individuelle Vereinbarungen getroffen.
Die Frankfurter Sparkasse, die sich ebenfalls grundsätzlich an den Einlagenzins der EZB hält, setzt nach eigenen Angaben ein Verwahrentgelt bei Einlagen ab 100000 Euro an. „Wir beobachten die Zinsentwicklung und die damit zusammenhängenden Diskussionen intensiv und prüfen aktuell, wie wir gegebenenfalls mittelfristig auf einen eventuellen Zinsanstieg reagieren können“, teilt sie mit.
Der lokale Wettbewerber Frankfurter Volksbankgibt an, dass die Höhe des Verwahrentgelts direkt an den Zinssatz der EZB gekoppelt ist und sich bei Veränderungen der EZB entsprechend anpasse.
Selbiges ist von der Volksbank Mittelhessen zu vernehmen. Die Gießener wollen im Fall einer Anpassung der Einlagefazilität auf null im Privat- und Firmenkundengeschäft keine Verwahrentgelte mehr berechnen. Zum jetzigen Zeitpunkt werden ab einer Einlagenhöhe von 100000 Euro 0,5% Negativzins berechnet, sagt ein Sprecher, wobei Mitglieder Sonderkonditionen erhielten.
Weniger Kündigungen erhofft
Von der am Dienstag vorgepreschten ING hieß es, dass sie erwartet, durch die Erhöhung der Freibeträge insbesondere auch solche Kunden zu überzeugen, die den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) samt Verwahrentgelt bisher noch nicht zugestimmt haben. Die Hoffnung sei, dass weniger Kunden gekündigt werden müsse als zuletzt geplant. Kunden, die ab dem 1. Juli 2022 ein Konto eröffnen, würden den AGB inklusive der neuen Freibeträge automatisch zustimmen. Für jene, die vorher ein Konto eröffnen, sowie für Bestandskunden, die einem Verwahrentgelt für Guthaben über 50000 Euro zugestimmt haben, würden die Freibeträge von einer halben Million Euro pro Konto ab diesem Zeitpunkt ebenfalls automatisch gelten.
Ungeachtet der Strafzins-Entscheidung rechnet ING-Deutschland-Chef Jue damit, dass die Niedrigzinsphase vorerst anhalten werde. Die Bank setze nun aber verstärkt auf Einlagenzuflüsse, nachdem sie in jüngster Zeit erfolgreich bemüht war, sie zu drosseln. „Hohe Einlagebeträge sind durch den negativen Einlagenzins der EZB zwar weiterhin mit Kosten verbunden, allerdings kann die ING Deutschland diese Kosten allmählich kompensieren“, geht aus der Mitteilung hervor. Deshalb sei frühzeitig beschlossen worden, vom Großteil der Kundschaft kein Verwahrentgelt mehr zu verlangen.
Nicht alle haben die Wende schon vollzogen | ||
Ausgewiesene Negativzinsen auf private Kundeneinlagen bei ausgewählten Finanzinstituten | ||
Name der Bank | Zinssätze (%) | Freibeträge und Details |
Merkur Privatbank | −1 / −0,5 | 50 000 Euro Freibetrag, danach −0,5% und −1% für Guthaben ab 100 000 Euro |
Berliner Volksbank | −1 / −0,75 / −0,5 | 50 000 Euro Freibetrag auf dem Girokonto, danach Staffelung für Guthaben ab 500 000 Euro und 1 Mill. Euro |
1822direkt | −0,5 | 50 000 Euro Freibetrag |
VR-Bank Feuchtwangen-Dinkelsbühl | −0,5 | Ohne Freibetrag, für Girokonten wird kein Negativzins ausgewiesen |
Commerzbank/Comdirect | −0,5 | 50 000 Euro Freibetrag |
Deutsche Bank | −0,5 | 25 000 Euro Freibetrag, für Girokonten zusätzlicher Freibetrag von 50 000 Euro |
Ethikbank | −0,5 | 10 000 Euro Freibetrag, 50 000 Euro Freibetrag auf dem Girokonto |
FlatexDegiro Bank | −0,5 | Kein Freibetrag auf Verrechnungskonto |
DKB | −0,5 | 25 000 Euro Freibetrag |
Verivox/eigene RecherchenBörsen-Zeitung |