Nachhaltigkeitsdaten

Begleiter der grünen Transformation

Zur grünen Transformation können Fintechs in Kollaborationen mit Banken beitragen, sagt EY-Experte Christopher Schmitz. Viele Fintechs seien etwa bereits für Finanzdienstleister tätig, wenn es um Nachhaltigkeitsdaten gehe.

Begleiter der grünen Transformation

Von Björn Godenrath, Frankfurt

Während an der einen oder anderen Stelle noch in Frage gestellt wird, ob die Banken „Green Finance“ überhaupt ernst genug nehmen, haben die Regulatoren längst Pflöcke eingeschlagen. Reporting-Vorschriften wie die Green Asset Ratio (GAR) sollen die Sensibilität für die Phase der Transformation schärfen und datenbasiert offenlegen, wo die Stellschrauben angezogen werden müssen, damit die Bilanzen stärker Sustainability abbilden – wohl wissend, dass es noch Defizite gibt in der Erfassung von Nachhaltigkeitsdaten mit Überleitung ins ESG-Reporting.

Angetrieben wurde die regulatorische Tätigkeit davon, dass sich eine breite gesellschaftliche Bewegung mit Fridays for Future an der Spitze für den Klimaschutz formiert hatte. Es gebe in Europa eine große Empfänglichkeit für das Thema und damit viele Gründer, die es fokussiert angingen, so EY-Partner Christopher Schmitz im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. EY hat aktuell europaweit 250 Green Fintechs gezählt, davon 30 aus Deutschland mit Start-ups wie Tomorrow und Ecolytiq. „Damit wird aus Deutschland heraus schon ein signifikanter Marktanteil besetzt, wobei das Gros von Green Fintech aus den skandinavischen Ländern kommt.“

Am besten besetzt seien die Segmente Data Insights, Impact Investing und Carbon Analytics. Aber im Prinzip werde die ganze Palette bis hin zu Regtech mit ESG-Aspekten bedient. Das Funding für europäische Green Fintechs schoss den Daten zufolge hoch auf 850 Mill. Dollar gegenüber 140 Mill. Dollar im Vorjahr. „Das zeigt, dass Investoren das Segment für sich entdeckt haben. Es gab ja auch in Deutschland schon signifikante Runden mit ESG Book über 50 Mill. Dollar, Tomorrow mit 29 Mill. Dollar und Ecolytiq über 14 Mill. Dollar im Bereich Series A und B.“

Dabei befinden sich die Banken Schmitz zufolge im Kooperationsmodus mit Green Fintech. „Wir stehen am Anfang einer dynamischen Entwicklung mit vielen Gründungen, auch wenn es auf Investoren­seite noch kein riesiges Segment ist. Green Fintech wird Bestandteil einer veränderten Landschaft in Financial Services sein. Und es gibt heute schon einige Kooperationen, von daher bin ich positiv gestimmt, dass sich in Europa ein veritables Green-Fintech-Segment entwickelt, das die Banken bei der Portfoliotransformation mit ihren Data-Fähigkeiten unterstützt.“

Mit der EU-Taxonomie und der daran gekoppelten GAR kriege man das nun auch schnell auf die Bankenseite gehoben. „Es arbeiten jetzt alle Institute sehr intensiv daran, bestehende Portfolien entsprechend anzupassen sowie die Anforderungen der GAR in den Kreditentscheidungsprozessen zu berücksichtigen. Das ist die Chance für Green Fintech: Um diese Anforderungen zu erfüllen, brauchen Banken Spezialisten, die auf der Datenseite stark sind.“

Indikator Green Asset Ratio

Die europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) hatte im Januar den Entwurf der technischen Durchführungsstandards (IST) für Säule 3 der Eigenkapitalverordnung (CRR) zu Umweltschutz, Sozialstandards und guter Unternehmensführung (ESG) veröffentlicht – und Bestandteil des Standards ist die GAR. Diese zeigt den Anteil der Vermögenswerte von Banken auf, die gemäß der EU-Taxonomieverordnung ökologisch nachhaltig sind, einschließlich Aktivitäten, die mit den Zielen des europäischen Green Deal und des Pariser Abkommens übereinstimmen. Die Kennziffer GAR wird ermittelt, indem auf der Aktivseite ausgewiesene „grüne“ Risikopositionen, wie etwa klimafreundliche Kredite, ins Verhältnis zu allen Aktiva der Bank gesetzt werden. Je höher die ermittelte GAR, desto nachhaltiger (grüner) erscheint das Kreditinstitut.

Und gemäß Artikel 8 der EU-Taxonomieverordnung haben die der CSR-Berichtspflicht unterliegenden Emittenten mit der Offenlegung der verpflichtenden Informationen für das vorangegangene Berichtsjahr 2021 begonnen. Die Übergangsfristen sehen vor, dass die Abgabe der GAR ab 2024 verpflichtend ist – aber die Arbeiten an der GAR-Compliance laufen schon auf Hochtouren. „Bei der GAR ist Druck auf dem Kessel für eine schnelle Umsetzung; andererseits sind mögliche Strafmaßnahmen noch nicht eindeutig definiert. Für die Banken ist das schon recht anspruchsvoll in der Umsetzung, da man im Gegensatz zu im Schnitt einjährigen Produktionszyklen in der Industrie zum Beispiel in der Baufinanzierung zehnjährige Laufzeiten bei den Ausreichungen hat.“ Um die grüne Transformation hinzukriegen, bräuchte es laut Schmitz bei der Entwicklung auf der Zinsseite zusätzliche Anreize, um das Bestandsportfolio zu drehen. Zudem ist eine mögliche Antwort für eine schnellere „Brown-to-Green“-Transformation die energetische Sanierung der unterliegenden Anlage. „Aber das wäre entscheidend für die Erreichung der Ziele – was im Übrigen auch für Bondlaufzeiten gilt, wenn man das Exposure wie gewünscht beschleunigt verändern möchte. Die für 2030 formulierten Ziele sind deshalb recht anspruchsvoll.“

Fintechs könnten dann in Kollaborationen dazu beitragen, diese Transformation als Dienstleister und En­abler zu begleiten. Da sei viel möglich über Open Banking für transaktionsbasierte Daten sowie daran gekoppelte Kompensationen zur Dekarbonisierung. „Datenqualität ist da ein großes Thema, und deshalb sind auch so viele Fintechs in diesem Bereich für Finanzdienstleister tätig, wie zum Beispiel Ecolytiq für Visa und Doconomy für Mastercard. Da es oft noch an Datenqualität fehlt, greift man bislang gerne auf Proxy-Schätzungen zurück – und heute sieht man schon in den realen Zahlen die Abweichungen. Die Kreditentscheidungen richtig zu bewerten ist aber der Schlüssel in der Kette bis zum Reporting.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.