Risikomanagement

Bei ESG weiß man, dass man wenig weiß

Mit einem Fachaufsatz beleuchtet die Aufsicht neue Wege im ESG-Risikomanagement. Der externe Autor ist ein Risikoforscher, der lange bei Munich Re gearbeitet hat.

Bei ESG weiß man, dass man wenig weiß

Von Wolf Brandes, Frankfurt

In der Finanzindustrie und der Aufsicht sind Stabilität und Planungssicherheit hohe Güter. Doch die Welt ändert sich stetig, Unternehmen und Aufsicht müssen darauf reagieren. Es ist insofern illusorisch, dass man ein Rahmenwerk für ESG-Risiken für die nächsten 10 oder 20 Jahre entwickeln werde. Solche Gedanken finden sich im Fachaufsatz zum Management von Nachhaltigkeitsrisiken im BaFin-Journal. Die Finanzaufsicht wirft einen anderen Blick auf das Thema und hat einen externen Fachmann gebeten, den Text zu verfassen. Autor ist der Physiker und Risikoforscher Rainer Sachs, der über 20 Jahre in der Finanzindustrie im Risikomanagement tätig war und zuletzt Leiter der Zukunftsrisikoforschung der MunichRe.

Sachs weist darauf hin, dass Detailverliebtheit und waghalsige Annahmen beim Risikomanagement zwei Prinzipien seien, die uns in Versuchung führen, detailgenau zu modellieren. Also einerseits die Zahl der Blumen auf der Wiese durch Zählung, andererseits durch grobe Schätzung zu bestimmen. Das führe zu irreführender Scheingenauigkeit. In Verbindung mit nicht bekannten und nicht verstandenen Risiken, wie sie im Bereich der Nachhaltigkeit häufig vorkommen, sei das ein Problem. Zu den ESG-Risiken zählen Gefahren durch Klimawandel wie Hitze und Hochwasser sowie Gefahren durch eine abnehmende Biodiversität. Aber auch Risiken durch Verletzung von Menschenrechten sowie Risiken durch Korruption.

Ein konventionelles Risikomanagement sei bei mangelhaften oder fehlenden Daten, wie das bei ESG häufig vorkomme, schwierig. Statt Sicherheit über Daten zu haben, bewege man sich teilweise in den Bereich des Nichtwissens. Doch auch in diesem Fall gebe es Ansätze, mit der Unsicherheit umzugehen. Die Stichworte lauten Lernfähigkeit, Kooperation, Visionen und Vertrauen. Ungewöhnliche Worte in einem Fachartikel der BaFin. Ein wichtiges Erfolgskriterium sei die Methodenvielfalt. Alles auf eine Karte zu setzen, können fatale Folgen haben. Wichtig sei es auch, so schreibt Sachs in dem Beitrag, mit Unwissenheit systematisch und konstruktiv umzugehen.

Sokrates’ Ausspruch, „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ könnte der Kern der Botschaft des Beitrags sein. Die Frage ist aber, wie solche Ansätze in die Praxis der Aufsicht und der beaufsichtigten Institute gelangen.