BVR erwartet Gewinnrückgang
sto Frankfurt
Die genossenschaftliche Finanzgruppe geht nach einem außerordentlich guten Vorjahr angesichts der vielfältigen Kriegsfolgen für 2022 von einem deutlichen Gewinnrückgang aus, sieht aber auch bislang keine dramatischen Folgen für die Mitgliedsinstitute. Der Ausblick werde „parallel durch den abrupten Zinsanstieg und durch die abgeschwächte Konjunktur getrübt“, sagte Andreas Martin, Vorstand beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), am Dienstag anlässlich der Veröffentlichung der konsolidierten Zahlen der Gruppe.
2021 lag der Gewinn vor Steuern bei 10,5 Mrd. Euro – ein Plus von 45,8 %. Damit wurde knapp der Rekord aus dem Jahr 2014 von 10,7 Mrd. Euro verfehlt. Im laufenden Turnus indes sei mit einem „deutlichen Ergebnisrückgang“ zu rechnen, so Martin.
Das Kundengeschäft der Volks-, Raiffeisen-, Sparda- und PSD Banken, der DZ-Bank-Gruppe, der Münchener Hypothekenbank und der genossenschaftlichen Kirchenbanken ist von Energiekrise, sprunghaft gestiegener Inflation, Lieferengpässen und einem getrübten Konjunkturausblick tangiert. Ihre Eigenanlagen leiden unter dem abrupten Zinsanstieg und dem schlechteren Börsenklima.
Der BVR arbeite mit diversen Szenarien für den laufenden Turnus, erläuterte Martin. Im Basisszenario gehe man von 1 % Wachstum in diesem Jahr aus. Die Risikovorsorge für Kredite werde auf mehr als 900 Mill. Euro steigen, was dem Durchschnitt der vergangenen Jahre entspreche, wie BVR-Vorstand Daniel Quinten ausführte. 2021 hatte es eine Auflösung von 337 Mill. Euro gegeben. 2020 hatte die Risikovorsorge im ersten Corona-Jahr 2,3 Mrd. Euro betragen, wobei aber 1,8 Mrd. Euro als Vorsichtsmaßnahme zurückgelegt wurden. Angesichts einer harten Kernkapitalquote von 15,1 % verfüge die Gruppe über genügend Rücklagen für schwierigere Zeiten, hieß es.
Provisionsüberschuss klettert
Durch ein erneut deutlich ausgeweitetes Kreditgeschäft gelang es der genossenschaftlichen Finanzgruppe im zurückliegenden Jahr, den Zinsüberschuss mit 18,2 Mrd. Euro stabil zu halten. Dank des gestiegenen Interesses der Kunden an Wertpapieren und wegen eines florierenden Zahlungsverkehrs (nebst Gebührenerhöhungen) kletterte der Provisionsüberschuss um 16,6 % auf 8,7 Mrd. Euro. Der Verwaltungsaufwand erhöhte sich wegen höherer Gehälter und IT-Investitionen um 3 % auf 18,6 Mrd. Euro. Der Jahresüberschuss erreichte 7,5 nach 5,0 Mrd. Euro.
Perspektivisch kommt den Banken die erwartete Zinswende der EZB zugute, was die Margenaussichten verbessert. Angesichts der hochgeschossenen Inflation forderte BVR-Präsidentin Marija Kolak die EZB auf, statt des avisierten Viertelschritts gleich mit einem großen Schritt von 50 Basispunkten entschlossen gegen die Inflation zu kämpfen. Obwohl derzeit das Risiko einer schweren Rezession im Raum steht, falls die Verfügbarkeit von Gas so stark reduziert ist, dass es zu Engpässen in der Wirtschaft kommt, hält sie Zinserhöhungen für erforderlich.
Eine Gasverknappung mit gravierenden Produktionseinschränkungen berge das „Risiko dauerhafter Schäden beim Produktionspotenzial“ und von spürbar mehr Insolvenzen, warnte Kolak. Es sei aber davon auszugehen, dass sich perspektivisch die Zinswende positiv auswirke und sich „die konjunkturellen Risiken zum Teil wieder auflösen“. Sie forderte, angesichts der gestörten Lieferketten die für Anfang 2023 geplante Anwendung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes, durch das Firmen ihre Zulieferer etwa auf Menschenrechtsverletzungen überprüfen müssen, zu verschieben.
Wieder Bewegung bei EPI
Bei der auf Eis gelegten europäischen Zahlungsverkehrsinitiative EPI ist den Angaben von Martin zufolge wieder Tauwetter angesagt. Derzeit liefen Gespräche über eine abgespeckte Variante für digitale Wallets, Echtzeit-Zahlungen, grenzüberschreitende Zahlungen von Person zu Person und den digitalen Euro. „Also ohne physische Karte, da gibt es genügend gute Angebote.“ Unter anderem die Kreditgenossen hatten wegen des strittigen Kartenthemas den ersten umfassenderen EPI-Vorstoß scheitern lassen (vgl. BZ vom 22. Februar). Über den Sommer gebe es Gespräche über die abgespeckte Variante mit den Banken und der EPI-Organisation – „es kann noch ein Erfolg werden“, so Martin.
Das Bitcoin-Angebot der Genossen (vgl. BZ vom 22. März) werde als Pilotprojekt weiterhin von DZ Bank, der Rechenzentrale Atruvia und der DWP Bank entwickelt. Jede Ortsbank müsse aber selbst entscheiden, ob diese „hochspekulativen Anlagen“ in das Produktangebot aufgenommen werden, so Kolak. Die Sparkassen hatten sich gegen ein gruppenweites Angebot entschieden.
Trotz der auf Eis gelegten Pläne für eine vergemeinschaftete Einlagensicherung in der EU warnte Quinten vor einem erneuten Vorstoß hierzu durch die Hintertür. Es gebe Überlegungen, der Abwicklungsbehörde Single Resolution Board zusätzliche Kompetenzen und mehr Zugriff auf die nationalen Einlagensicherungsmittel zu geben, warnte er.
Wertberichtigt Seite 8
Genossenschaftliche Finanzgruppe | ||
Kennzahlen in IFRS | ||
in Mill. Euro | 2021 | 2020 |
Zinsüberschuss | 18 232 | 18 272 |
Provisionsüberschuss | 8 675 | 7 439 |
Risikovorsorge | 337 | −2 327 |
Handelsergebnis | 339 | 868 |
Erg. Finanzanlagen | −152 | 7 |
Erg. Finanzinstrumente | 190 | −62 |
Erg. Versicherung | 1 293 | 722 |
Sonstiges Ergebnis | 186 | 333 |
Aufwand | 18 577 | 18 036 |
Erg. vor Steuern | 10 522 | 7 216 |
Steuern | 3 017 | 2 188 |
Jahresüberschuss | 7 505 | 5 027 |
Aufwand-Ertrags-Relation (%) | 64,6 | 65,4 |
Harte Kernkapitalquote (%) | 15,1 | 15,3 |
Bilanzsumme (Mrd.) | 1 566 | 1 476 |
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