Commerzbank strebt zurück in den Dax
Von Philipp Habdank, Frankfurt
Die drängt nach ihrem Abstieg aus dem Dax im Jahr 2018 zurück in die erste Börsenliga. Dazu hat sie auf den letzten Metern eine entscheidende formale Hürde genommen und Klarheit bezüglich ihrer Profitabilität geschaffen.
Seit dem Wirecard-Skandal landen im Dax nicht mehr nur die nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen. Ein Dax-Bewerber muss außerdem in zwei aufeinanderfolgenden Jahren schwarze Zahlen geschrieben haben. Entscheidend ist für die Deutsche Börse dafür das Ebitda, der operative Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Dieser lag einer Mitteilung der Commerzbank vom Montag zufolge für das abgelaufene Geschäftsjahr 2022 bei rund 3,4 Mrd. Euro und erfüllt damit das Profitabilitätskriterium der Deutschen Börse. „Wir haben uns dazu entschieden, das Ebitda der Commerzbank für das Jahr 2022 bereits jetzt zu veröffentlichen, um die Unternehmen der Deutschen Börse in die Lage zu versetzen, uns mit nunmehr zwei verlustfreien Jahren in Folge als Nachfolgekandidat für Linde im Dax 40 berücksichtigen zu können“, formuliert Finanzchefin Bettina Orlopp die Dax-Bewerbung.
Die durchgängige Profitabilität war die große Unbekannte bei der Commerzbank, die ein umfassendes Restrukturierungsprogramm durchläuft. Als Favorit für die Linde-Nachfolge im Dax galt bei Analysten deshalb bislang der Automobilzulieferer und Rüstungskonzern . Mit der Ebitda-Mitteilung der Commerzbank hat sich das nun schlagartig geändert: „Da die Commerzbank eine etwas höhere Marktkapitalisierung hat als Rheinmetall, wird sie nun als Favorit für die Linde-Nachfolge gehandelt“, sagt Sven Streibel, Chef-Aktienstratege der DZ Bank. Die Commerzbank bringt derzeit rund 12,65 Mrd. Euro Börsenwert auf die Waage, Rheinmetall hingegen nur rund 9,88 Mrd. Verglichen mit Linde sind sowohl die Commerzbank als auch Rheinmetall Leichtgewichte. Streibel zufolge wurde Linde im Dax mit 9% gewichtet. Die Commerzbank würde nach heutigem Stand mit 0,9% in den Dax einziehen, Rheinmetall gar nur mit 0,84%. In beiden Fällen würde ein antizyklischer Wert durch einen zyklischen ersetzt werden.
Das Timing für die Mitteilung ist kein Zufall: Linde zieht sich am 27. Februar aus dem Dax zurück. Informationen zum Nachfolger will die Deutsche Börse bis zum Abend des 17. Februar präsentieren, weshalb ihr bis zum 31. Januar alle erforderlichen Daten der Nachfolgebewerber vorliegen müssen. Da die Commerzbank ihre vorläufigen Zahlen für das Geschäftsjahr 2022 erst am 16. Februar im Rahmen ihrer Bilanzpressekonferenz veröffentlicht, wäre dies zu spät gewesen. Die nun veröffentlichten Gewinnzahlen sind aber nur bedingt aussagekräftig und lassen wenig Rückschlüsse auf das zu erwartende Zahlenwerk der Bank zu.
Das Ebitda ist zwar eine in der Finanzwelt anerkannte Kennzahl, um die operative Ertragskraft eines Unternehmens wiederzugeben. Da Zinsen jedoch der Kernbestandteil von Bankgeschäftsmodellen sind, entspricht das Ebitda nicht zwingend der operativen Profitabilität einer Bank. Kreditinstitute weisen das Ebitda selbst nicht aus. Die Commerzbank verweist in ihrer Mitteilung lediglich auf ein vorläufiges Vorsteuerergebnis von rund 2 Mrd. Euro für 2022. Dazu addiert sie 850 Mill. Euro an Zinsaufwendungen für Verbindlichkeiten sowie 516 Mill. Euro für Abschreibungen und Wertminderungen, wodurch sich ein rechnerisches Ebitda von rund 3,4 Mrd. Euro ergibt. Wie hoch das Ebitda im Vorjahr war, teilte die Bank auf Nachfrage nicht mit. Die Deutsche Börse verwies darauf, dass sie das Ebitda nicht selbst ermittelt, sondern vom Datenanbieter Refinitiv bezieht. Dieser ließ eine Anfrage zunächst unbeantwortet. Die Deutsche Börse führt lediglich eine Checkliste, ob alle formalen Kriterien für die Aufnahme in den Dax erfüllt sind. „Das Ebitda wird zwar oft kritisiert, da es Kapitalkosten vernachlässigt, es ermöglicht jedoch einen Profitabilitätsvergleich über diverse Branchen hinweg“, sagt Analyst Streibel. Als Cashflow-Näherung für Banken hält er das Ebitda allerdings nur für begrenzt aussagekräftig.
Der tatsächliche operative Gewinn der Commerzbank dürfte 2022 niedriger ausfallen als ihr vorab veröffentlichtes Ebitda. 2021 betrug das operative Ergebnis laut Geschäftsbericht rund 1,2 Mrd. Euro, im Corona-Jahr 2020 lag es bei minus 233 Mill. Euro. Mit diesen Zahlen wäre die Dax-Rückkehr wohl nicht möglich gewesen. So darf die Bank hoffen, dass sie nach rund viereinhalbjähriger Abstinenz Ende Februar die Rückkehr in den Dax feiern kann – und dann künftig wohl auch kein Ebitda mehr berechnen muss.