Credit Suisse geht durchs Fegefeuer
dz Zürich
Die Credit Suisse beendet ein „schreckliches“ Jahr, wie es Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann schon bei früherer Gelegenheit bezeichnet hatte, mit einem Verlust von 7,3 Mrd. Franken. Nur 2008, im dunkelsten Jahr der globalen Finanzkrise, war das Minus noch um eine Milliarde höher ausgefallen. Nur hatte die Credit Suisse damals noch einen Großteil jener gut zwölf 12 Mrd. Franken auf der hohen Kante, die sie Ende 2006 aus dem Verkauf der Winterthur Versicherung an die Axa erlöst hatte.
Dieses Polster ist längst aufgezehrt. 2021 schrumpfte das Eigenkapital auf ein Niveau, welches das aufsichtsrechtliche Kapitalminimum nicht mehr erfüllte. Um die Lücke in nützlicher Frist füllen zu können, hätte das Stammhaus hohe Dividendeneinnahmen von der konzerneigenen Investmentbank benötigt. Aber dafür hätte diese Risiken eingehen müssen, die der Konzern mit seinem knapp gewordenen Kapitalkleid ganz einfach nicht mehr zu tragen imstande war. Im Laufe des vergangenen Jahres verschlimmerte sich die Lage zusehends, bis im Herbst Gerüchte über Liquiditätsnöte Kunden, Investoren und Gläubiger in Alarmbereitschaft versetzten.
Vor diesem Hintergrund sieht sich das runderneuerte Management um Ulrich Körner nun gezwungen, einen forcierten Rückbau des Konzerns durchzupeitschen und möglichst rasch die Auslagerung der Investmentbank voranzutreiben. Die Rettungsmannschaft hat schon einiges erreicht. Im November gelang eine notfallmäßige Kapitalerhöhung im Umfang von 4 Mrd. Franken unter Beizug neuer Investoren unter anderem aus Saudi-Arabien. Der Verkauf gewisser risikokapitalbindender Geschäftseinheiten ist so weit vorangekommen, dass die Bank noch vor dem Sommer einen Abschluss mit einem Gewinn von 800 Mill. Franken erwartet. Ein bedeutender Teil der bis 2025 geplanten Kosteneinsparungen von 2,5 Mrd. Franken ist bereits realisiert. Fast ein Drittel der 9000 abzubauenden Stellen wurde noch vor Jahresende aufgehoben. 2023 werden 1,2 Mrd. Franken weniger Kosten anfallen. Auch die Auslagerung der Investmentbank CS First Boston geht voran. In einer separaten Mitteilung kommunizierte die Credit Suisse am Donnerstag den Kauf der New Yorker Kapitalmarktberatungsfirma M. Klein & Company zum vorläufigen Preis von 175 Mill. Dollar. Die Firma gehörte dem früheren Credit-Suisse-Verwaltungsrat Michael Klein, der nun als CEO von Credit Suisse USA und als designierte CEO von CS First Boston ins operative Management gewechselt hat. Klein bekommt für seine 40 Mitarbeiter zählende Firma nur wenig Cash, dafür Anrechte zum Bezug von First-Boston-Aktien, wenn diese wie geplant Ende 2024 oder 2025 via Börsengang für Drittinvestoren geöffnet wird.
Die Umsetzungsrisiken des Großumbaus, mit dem sich die Credit Suisse auch von einstigen globalen Ambitionen verabschiedet, sind beträchtlich. Das zeigt nicht zuletzt der viel kritisierte und wenig transparente Deal mit Michael Klein. Dieser komme viel zu günstig in den Besitz einer alteingesessenen Wall Street Bank, monieren Kritiker. Tatsächlich muss man vermuten, dass der Deal auch eine Art Gegenleistung für Kleins hervorragendes Netzwerk und seine offenbar engen Kontakte zu Investoren beinhaltet. Solche Qualitäten werden bei der Reanimation der in den vergangenen Monaten förmlich implodierten Investmentbank zweifellos dringend gebracht. Ob Klein den Exodus der besten Talente bei First Boston aber effektiv stoppen beziehungsweise den Trend trotz halbierter Boni sogar umdrehen kann, wird sich weisen. Lehmann, Körner und das CS-Management können nur hoffen, dass dem „Rainmaker“ der Wall Street dieser Streich gelingt.
Derweil geht der Kostenrückbau im Gesamtkonzern weiter. Die Bank erwartet nach Restrukturierungsaufwendungen von über 300 Mill. Franken im vergangenen Jahr ein Anschwellen dieses Aufwandpostens im laufenden und im kommenden Jahr auf 1,6 Mrd. bzw. auf 1 Mrd. Franken. Sie rechnet nicht mit ausreichenden Erträgen, um 2023 einen weiteren „erheblichen Verlust“ verhindern zu können.
Hoffen auf 2024
Tatsächlich schwimmen der Bank im Kerngeschäft Vermögensverwaltung die Felle davon. 120 Mrd. Franken haben die Kunden 2022 abgezogen. Mit dem Verlust an Kundengeldern kommen der Bank auch erhebliche Zins- und Gebühreneinnahmen abhanden. Und in der Investmentbank schlägt die Aufgabe ganzer Geschäftsfelder voll ins Kontor. Die Erträge aus dem Verkauf und Handel mit Aktien sind im Schlussquartal des Jahres um sage und schreibe 96% eingebrochen. Körner glaubt, dass die Credit Suisse 2024 wieder in die schwarzen Zahlen zurückkommen wird. Er betont, die Prognose basiere auf sehr konservativen Annahmen.
Credit Suisse | ||
Konzernzahlen nach IFRS | ||
in Mill. Franken | 2022 | 2021 |
Nettoertrag | 14921 | 22696 |
Geschäftsaufwand | 18163 | 19091 |
Ergebnis vor Steuern | –3258 | −600 |
Reinergebnis | –7293 | –1650 |
je Aktie (sfr) | –2,55 | –0,63 |
Dividende je Aktie (sfr) | 0,05 | 0,1 |
Bilanzsumme | 531358 | 755833 |
Eigenkapital | 45129 | 43954 |
Kernkapitalquote (%) | 14,1 | 14,4 |
Verwaltete Vermögen (in Mrd.) | 1294 | 1614 |
Kundengeldfluss (in Mrd.) | –122 | 31 |
Anzahl Mitarbeitende | 50480 | 50390 |
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