Dämpfer für Bayerns Kreditgenossenschaften
sck München
Nach einem langen Boom im Baukreditgeschäft und relativ soliden Ergebnissen trotz des Zinstiefs stellen sich die bayerischen Kreditgenossenschaften auf ein schwierigeres zweites Halbjahr 2022 ein. Zur Vorlage der Eckdaten fürs operative Geschäft zum 30. Juni stimmte Gregor Scheller, Präsident und Vorstandsvorsitzender Genossenschaftsverband Bayern (GVB), Molltöne an.
Zwar werde sich die Wende in der Zinspolitik der EZB auf mittlere Sicht positiv auf das Zinsergebnis der Volksbanken und der Raiffeisenbanken des Freistaats auswirken, auf kurze Sicht werde sich dies aber im Ergebnis der Primärinstitute in der laufenden zweiten Jahreshälfte „noch nicht widerspiegeln“, berichtete er in einer Webkonferenz der Interessenvertretung mit Sitz in München.
Im laufenden Berichtsturnus steige der Zinsaufwand stärker als der Ertrag, führte Scheller aus, obwohl die EZB eine „Normalisierung“ der Geldpolitik mit einer Erhöhung des Leitzinses eingeleitet habe. Seinen Worten zufolge führte der Zinsanstieg dazu, dass bereits in den Monaten Juni und Juli sich die Nachfrage nach Krediten „deutlich abgeflacht“ hat. Die sinkende Nachfrage im Kreditgeschäft zeige sich vor allem im Segment Wohnungsimmobilien.
Die steigende Inflation und zunehmende Materialengpässe dämpften den Bauboom deutlich. Bis vor kurzem erwiesen sich die Baukredite noch als Pfeiler des Neugeschäfts der GVB-Mitgliedsinstitute. Vor diesen Hintergründen rechnet Scheller damit, dass sich das Zinsergebnis im laufenden Jahr „leicht rückläufig“ entwickeln werde. Das operative Ergebnis werde ungefähr auf dem Niveau des Vorjahres liegen.
Er warnte aber davor, dass die bayerischen Kreditgenossenschaften 2022 unter dem Strich weniger verdienen würden. Als Grund dafür nannte der GVB-Chef notwendige Wertberichtigungen bei den Wertpapiereigenanlagen infolge der Zinserhöhungen. „Das führt zu einem sinkenden Jahresüberschuss.“ Zur Erinnerung: Im vergangenen Jahr steigerten die Volksbanken und Raiffeisenbanken des flächenmäßig größten deutschen Bundeslandes ihr kumuliertes Vorsteuerergebnis geringfügig auf 1,4 Mrd. Euro.
Über 4 Prozent Wachstum
Scheller zufolge wird sich bis Jahresende aufgrund von Fusionen die Zahl der Primärbanken im Freistaat um 11 auf 197 reduzieren.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres verzeichneten die Kreditgenossen des Landes ein Darlehenswachstum von 4,4% auf 133 Mrd. Euro. Davon entfielen auf Firmenkunden 71 Mrd. Euro. Privatkunden machten 58 Mrd. Euro aus. Mit einer Zuwachsrate von fast 5% habe der Mittelstand überproportional zugelegt. Mit einem Plus von 9% habe sich insbesondere das Baugeschäft als Stütze des Kreditneugeschäfts erwiesen. Letzteres dürfte nunmehr zu Ende sein, wenn man die Ausführungen von Scheller in Betracht zieht.