Der erste KI-Hedgefonds befindet sich in Entstehung
KI-Hedgefonds aus dem Baukasten
Gründer von Financial Datasets eröffnet mit seiner API Optionen für schlanke und flexible Finanzprodukte
Von Björn Godenrath, Frankfurt
Genau 42 Tage hat der Gründer von Financial Datasets gebraucht, um eine API zu programmieren, die automatisierten Zugang zu Kapitalmarktinformationen herstellt, die sich dann mithilfe von KI in Finanzprodukte wandeln lassen. Das ist Work in Progress – und seit gut 14 Tagen entwickelt Schöpfer Virat (Singh) Stück für Stück einen Prototypen als KI-Hedgefonds, der mit echten Daten befüllt wird.
Skaliert Daten abgreifen
Die Basisarbeit bestand darin, ganz tief in die SEC-Datenbank Edgar einzutauchen und diese API so anzuzapfen, dass man wirklich skaliert Daten abgreifen kann, das sogenannte Scraping. Die Betreiber von Finanzdaten haben oft kein Interesse daran, gute APIs zur Verfügung zu stellen, was den Datenfluss und damit Geschäftsmodelle dahinter behindert. Oder aber es sind verschlossene Silos, die Datenbezug hoch bepreisen und die Datenverwendung begrenzen.
Der von Virat als Entwickler angelegte Hedgefonds ist Open Source, was es anderen Gründern erlaubt, auf der Basis selbst etwas zu entwickeln. Der Code ist, wie es sich für die freien Entwickler gehört, voll über Github zugängig. Dabei kann der KI-Hedgefonds über KI-Agenten sechs Strategien verfolgen, die dann in veränderbaren Gewichtungen eingesetzt werden können. Der Market Data Agent sammelt alles an Kursen von Aktien und Finanzinstrumenten ein, der Quant Agent kalkuliert Marktsignale aus der Technischen Analyse, der Fundamentals Agent analysiert Kennziffern von Unternehmen inklusive KGV, der Sentiment Agent betrachtet Dinge wie Insider Trading und leitet daraus Indikatoren ab, der Risk Manager erfasst Volatilität und schätzt Verlustrisiken ab, während der Portfolio Manager als finaler KI-Agent die Handelsentscheidung trifft und dann die Order ausführt.
Basis-API schon kommerziell nutzbar
Das ist in seiner Gesamtheit quasi die klassische Bauweise eines Fondsvehikels, das nach einer diskretionären Strategie am Kapitalmarkt anlegt. So weit sind die Dinge bei Financial Datasets freilich noch nicht gediehen. Virat hat das Hedgefonds-Projekt bislang als rein edukativ angelegt. Die Basis-API ist aber schon kommerziell nutzbar – und auf die Bedürfnisse von damit verknüpften KI-Systemen hin optimiert. Das funktioniert nach dem Motto „Connect your LLM to the stock market", wobei dann entweder einzeln pro Segment (0,04 Dollar für Bilanzdaten einer Firma) für jeden Abruf bezahlt wird oder ein monatliches Abo (199 Dollar für Entwickler) abgeschlossen wird. LLMs, das sind die großen Machine-Learning-Modelle von Anbietern wie OpenAI oder Google Gemini. Virat gibt an, dass er für den KI-Hedegefonds viel von Anthropic benutzt habe, ein französisches KI-Start-up.
Für eine Reihe von großen Tech-Aktien wie Apple, Nividia und Tesla hat Virat auch schon Ausdifferenzierungen zur Analyse angelegt. So lässt sich über die Institutional Ownership AI extrahieren, wer die Top-10-Investoren sind, wie Marktrotationen stattfinden, welche Portfolio-Konzentrationen bestehen, und was für Investment-Strategien man selbst auf Grundlage dieser „money flows“ verfolgen kann. Solche Daten können dann zum Beispiel für den Aufbau einer Value-Strategie genutzt werden. Geschäftsmodelle mit diesem Fokus sind in spezieller Ausprägung schon am Markt. So hat das Geldanlage-Fintech Syntelligence eine Scoring-Methode entwickelt, um die nachhaltig erfolgreichen Portfolio-Picks der großen Investoren in einem Fonds zu bündeln.
Viele weitere Optionen
In Diskussionen auf Social Media geben Nutzer auch schon Feedback an Virat weiter und schlagen weitere Datenpunkte zur Integration vor. So wird angeregt, dass analog zu Factset eine Erfassung von Personendaten erfolgt, die Karrierestationen abbildet und als Metadaten, also strukturiert, zur Verfügung stehen. Der Grundgedanke des Geschäftsmodells von Financial Datasets ist aber klar: Es geht darum, mit der API die Grundlage zu legen dafür, dass andere darauf aufsetzend Finanzprodukte entwickeln. Das dürfte dann vor allem Fintech-Gründer ansprechen, die keine Apothekerpreise wie bei Bloomberg und Factset bezahlen möchten. Ein Anbieter wie Factset kommt auf jährliche Erlöse von 2 Mrd. Dollar – es kommt also einiges rein an Gebühren für die traditionellen Anbieter von Finanzdaten.